• 30.07.2018 18:05

  • von Peter Schwerdtmann

Mercedes-Benz T 80: Hans Stucks Rekordwagen blieb den Beweis schuldig

Ex-Daimler-Chefkonstrukteur Ferdinand Porsche entwarf für Mercedes ein über acht Meter langes, von einem Flugmotor angetriebenes Rekord-Fahrzeug mit drei Achsen

(Motorsport-Total.com/Auto-Medienportal) - Während die anderen Mercedes-Benz Rekordwagen der 1930er-Jahre auf der Basis erfolgreicher Grand-Prix-Rennwagen entstehen, wird der T 80 komplett neu entwickelt. Mit diesem Fahrzeug stößt das Stuttgarter Unternehmen in andere Dimensionen vor. Das betrifft nicht nur die Geschwindigkeit, sondern auch die Abmessungen: So groß wie der 8.240 Millimeter lange T 80 ist zuvor kein Renn- oder Rekordwagen der Marke mit dem Stern. Die Anregung für das Auto kam von Rennfahrer-Legende Hans Stuck, der den Geschwindigkeitsweltrekord für Landfahrzeuge nach Deutschland holen wollte.

Die Radstände betragen 3.550 und 1.280 Millimeter (Abstand von der Vorderachse zur vorderen Hinterachse sowie zwischen den beiden Hinterachsen). Der Motor ist vor der ersten Hinterachse hängend eingebaut. Er überträgt seine Kraft auf die beiden als Pendelachsen ausgelegten hinteren Achsen.

Auf ein Getriebe verzichten die Konstrukteure wegen des hohen Drehmoments. Stattdessen kommt eine Sechs-Scheiben-Wärmespeicherkupplung mit automatischer Fliehkraftanpassung zum Einsatz. Ein innovatives Detail ist auch der Drehzahlangleicher. Heute würde man ihn als Antriebs-Schlupf-Regelung bezeichnen. Das mechanische System verhindert beim Anrollen des Fahrzeugs wirksam Schlupf an den Hinterachsen und trägt so zur Reifenschonung bei.

Der hängende Einbau des Motors entspricht der Position im Flugzeug. So lässt sich der Stirnwiderstand des Fahrzeugs niedrig halten. Der T 80 erreicht mit seiner aerodynamisch optimierten, schmalen Stromlinienkarosserie einen Luftwiderstandsbeiwert von 0,18. Die Karosseriebeplankung wiegt nach Mercedes-Benz Angaben vom 6. Juni 1940 exakt 132,5 Kilogramm. Sie wird von einem Gitterrohrrahmen (124,5 Kilogramm) getragen.

Der Motor wiegt komplett mit Schwungrad 808 Kilogramm. Insgesamt erreicht der T 80 ein Trockengewicht (ohne Betriebsstoffe und Fahrer) von knapp 2.900 Kilogramm. Das ist von erheblicher Bedeutung: Das Fahrzeug ist weniger als halb so schwer wie die damaligen britischen Konkurrenz-Rekordwagen.

Karosserie

Die Aufnahmen für die nicht fest mit der Karosserie verbundenen Seitenflossen sind am Gitterrohrrahmen angebracht. Diese Flossen erinnern an die Tragflächen eines Flugzeugs, haben aber das umgekehrte Profil. So erzeugen sie Abtrieb und vergrößern damit den Anpressdruck der Antriebsräder auf der Fahrbahn. Rund 900 Kilogramm Abtrieb gelten als optimales Maß für die vorgesehenen Rekordfahrten.

Acht Schnellverschlüsse verbinden die gesamte Karosserie mit dem Fahrgestell. Dieses besteht aus einem Leiterrahmen mit Längsträgern aus Ovalrohren. Beim Reifenwechsel sowie bei Wartungsarbeiten wird die Karosserie abgenommen. Für den Radwechsel sind an vier Stellen pneumatische Wagenheber vorgesehen, die über einen Zentralanschluss betätigt werden.

Aufhängung

Die Vorderräder sind an in Fahrtrichtung schwingenden Hebelparallelogrammen (Kurbellenkern) nach dem System Porsche befestigt. Die Federung erfolgt über quer liegende Drehstäbe. In der Mitte gibt es eine Zusatzfederung durch Biegefedern. Als Stoßdämpfer sind kombinierte Reibungs-Hydraulikdämpfer vorgesehen.

Die vordere Spurweite beträgt 1.300 Millimeter. Die beiden Hinterachsen haben unterschiedliche Spurweiten (1.320 und 1.180 Millimeter). Damit folgen sie dem nach hinten schmaler werdenden Profil der Karosserie. Die Federung der Hinterachsen erfolgt durch Drehstäbe mit Pendelausgleich. Damit Sturzänderungen vermieden werden, ist der Federweg gering: Er beträgt nach oben 45 Millimeter und nach unten 42 Millimeter.

Um Brems- und Beschleunigungskräfte beherrschen zu können, werden die Hinterräder durch Schub- und Zugstreben geführt. Als Bremsen kommen Vier-Backen-Bremsen zum Einsatz. Für die Rekordfahrten sollen die im originalen Fahrgestell eingebauten Bremstrommeln durch Turbobremstrommeln ersetzt werden. Deren Rohlinge sind bei der Stilllegung des Wagens 1940 bereits vorhanden.

Motor

Herzstück des T 80 ist der Daimler-Benz Flugmotor DB 603. Er gehört zu einer Familie großer Flugmotoren, deren Entwicklung bei Mercedes-Benz im Jahr 1927 beginnt. Grundlage dafür sind die Flugmotoren des von Benz & Cie. zur fusionierten Daimler-Benz AG gekommenen Konstrukteurs Arthur Berger. Seine Motoren F 2 und F 4 (M 71) bilden die Basis für die kommenden Flugmotorenkonstruktionen von Daimler-Benz bis zum Kriegsende 1945. Erster von Mercedes-Benz in Serie gebauter Flugmotor ist der aus dem F 4 entwickelte DB 600. Der V12-Vergasermotor mit 33,9 Liter Hubraum erreicht bis zu 1100 PS (735 kW).

Ein wichtiges Thema für den Bau von Flugmotoren in Deutschland ist in den 1930er-Jahren die Benzineinspritzung. 1934 fordert das Reichsluftfahrtministerium die Hersteller auf, solche Einspritzmotoren zu entwickeln. Denn sie verbrauchen nicht nur weniger Treibstoff bei höherer Leistung, sondern sie sind gegenüber Flugbewegungen mit negativer Beschleunigung auch unempfindlicher als Vergasermotoren. Um die Forderungen des RLM zu erfüllen, entwickelt Daimler-Benz ab 1934 den Einspritzmotor DB 601 (M 74) mit bis zu 1.350 PS (993 kW).

Mercedes-Benz Rekordwagen T 80 ohne Motor und Verkleidung

Mercedes-Benz Rekordwagen T 80 ohne Motor und Verkleidung Zoom

Mit dem DB 601 werden im Juli 1937 auf dem IV. Internationalen Flugmeeting in Zürich bereits erste Flugrekorde erzielt. Zum Einsatz kommt der Motor in den Flugzeugen Messerschmitt Bf 109 und Dornier Do 17. Direkter Nachfolger des DB 601 ist ab 1941 bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs der von ihm abgeleitete DB 605 mit bis zu 2.000 PS (1.470 kW).

Den Namen DB 603 trägt zunächst das Konzept eines V12-Dieselmotors für Langstreckenflüge. Im Herbst 1936 schlägt Daimler-Benz vor, unter dem Namen einen 44,5-Liter-V12-Ottomotor mit rund 1.500 PS (1103 kW) Leistung zu entwickeln. Doch Ernst Udet stoppt am 15. März 1937 die Entwicklung, weil der für den DB 603 vorgesehene Bomber nicht sturzkampftauglich ist.

Flugmotor für den Kriegseinsatz

Der Rekordmotor des T 80 ist also zwar ein Flugmotor, darf aber 1939 nicht für den Einsatz in Flugzeugen weiterentwickelt werden. Erst im Januar 1940 lässt sich das Ministerium davon überzeugen, dass der DB 603 dem kleineren DB 601 in der Höhe nicht unterlegen und in Bodennähe sogar deutlich überlegen ist. So wird der Entwicklungsstopp im Februar 1940 aufgehoben. Daher will das Ministerium nicht auf den im T 80 eingesetzten DB 603 verzichten, und die Mercedes-Benz Rennabteilung gibt den Rekordmotor nach dem Ausbau aus dem Fahrzeug zurück.

Der DB 603 zeichnet sich gegenüber anderen Motoren durch seine Zuverlässigkeit bei gleichzeitig geringem Trockengewicht aus. Die Laufbüchsen werden mit Schrumpfsitz über Ringmuttern mit dem Kurbelgehäuse verschraubt. Die zwei Einlassventile und Auslassventile mit Natriumfüllung werden von der durch eine von einer Königswelle angetriebenen oben liegenden Nockenwelle gesteuert, die durch je einen Nocken nacheinander Ein- und Auslassventil über Schwinghebel betätigt.

Beim serienmäßigen Einsatz in Flugzeugen wie den Dornier-Typen Do 217 und Do 335, der Heinkel He 219, den Messerschmitt Me 309 und Me 410 sowie der Focke-Wulf Ta 152 erreicht der DB 603 in der Spitze 2.750 PS (2.200 kW). Nimmt man die Leistungssteigerung des DB 601 für die Flugrekorde 1938 und 1939 gegenüber dessen Serienversion als Beispiel, dann scheint eine mögliche Leistungssteigerung des DB 603 für den Einsatz im Rekordwagen T 80 auf bis zu 3.500 PS (2574 kW) realistisch, eventuell sogar 3.600 PS (2647 kW).

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