DTM Kolumne: Und jetzt bitte einen echten Titelkampf!

Redakteur Ruben Zimmermann lobt die Vielfalt in der DTM, wünscht sich in der zweiten Saisonhälfte aber einen klassischen Kampf um den Meistertitel

Titel-Bild zur News: Jamie Green

Zählen Jamie Green und Edoardo Mortara zu den "echten" Titelkandidaten? Zoom

Liebe DTM-Freunde,

das Wochenende in Zandvoort markierte offiziell die Halbzeit der DTM-Saison 2016. Okay, streng genommen war bereits nach dem Samstagsrennen (Rennen 9 von 18) Bergfest, doch weil sich die DTM nun in eine fünfwöchige Sommerpause verabschiedet (zum DTM-Kalender), betrachten wir die ersten zehn Rennen einfach mal als erste Saisonhälfte. Und zu Beginn meiner Kolumne muss ich direkt einmal ein Lob aussprechen.

Denn vor der Saison haben die DTM-Offiziellen eine offene Meisterschaft versprochen, in der der Fahrer im Mittelpunkt stehen soll. Blickt man auf die erste Saisonhälfte zurück, ist dieser Plan absolut aufgegangen. In zehn Rennen haben wir neun verschiedene Sieger gesehen. Lediglich Edo Mortara konnte in Hockenheim und am Norisring gewinnen - wobei letzterer Sieg auch noch extrem glücklich war.

Das spiegelt sich logischerweise auch in der Meisterschaft wider. Die ersten vier Fahrer liegen lediglich 22 Punkte - also weniger als einen Rennsieg - auseinander. Auch die Piloten dahinter sind noch nicht so weit weg. Gary Paffett hat als Zehnter beispielsweise einen Rückstand von 53 Punkten auf Spitzenreiter Marco Wittmann. Bei noch maximal 200 zu vergebenden Punkten an den letzten vier Rennwochenenden kein aussichtsloser Rückstand.

Viele Köche verderben den Brei

Unter dem Strich lässt sich damit sagen: Ziel erreicht! Meiner Meinung nach ist es nun aber an der Zeit, dass sich langsam aber sicher die echten Titelkandidaten herauskristallisieren - Denn davon lebt eine gute Meisterschaft. Natürlich wäre es auch eine nette Story, wenn wir am Ende des Jahres 17 Sieger in 18 Rennen hätten. Doch ist das wirklich erstrebenswert? Und was wäre der Titel dann wirklich wert?

Ich persönlich finde, dass eine Rennserie - oder ein sportlicher Wettkampf generell - einen echten Titelkampf braucht. Das muss nicht unbedingt ein Duell zwischen zwei Fahrern sein, ein guter Drei- oder Vierkampf hat auch seinen Reiz. Bei noch mehr Piloten wird es dann meiner Meinung nach aber schon wieder kritisch. In erster Linie ist das nämlich auch für die Fans eine schwierige Situation.

Ich muss jedenfalls zugeben, dass ich beim Blick auf den Gesamtstand fast an jedem Wochenende wieder aufs Neue überrascht werde. Aktuell steht plötzlich ein Jamie Green mit nur sieben Punkten Rückstand auf Platz zwei. Der gleiche Jamie Green, der in den ersten drei Saisonrennen keinen einzigen Punkt holen konnte. Nicht nur ich werde mich daher nach Zandvoort gefragt haben: "Wo kommt der denn plötzlich her?"

Ein klarer Titelkampf macht vieles leichter

Das zeigt, wie schwierig es durch das enge Feld ist, den Überblick zu behalten. Da ist es zum Beispiel in der Formel 1 deutlich einfacher, denn dort gibt es ein klares WM-Duell zwischen Nico Rosberg und Lewis Hamilton. Natürlich ist es nicht gerade erstrebenswert, dass drei Jahre lang die gleichen zwei Teamkollegen den Titel unter sich ausmachen, aber darum geht es ja auch gar nicht.

Ich würde mir einfach wünschen, dass sich in den nächsten Rennen ein kleines Grüppchen herauskristallisiert, das den Titel dann unter sich ausmacht. Das erspart auch den Fans eine Menge Rechnerei, ob nicht der Zehnte der Meisterschaft nun plötzlich mit einem Sieg doch wieder Titelchancen hat. Insgeheim werden das übrigens auch die Hersteller so sehen, auch wenn sie es öffentlich nicht zugeben.


Fotos: DTM in Zandvoort, Sonntag


Denn eins ist klar: Je mehr Eisen ein Hersteller im Feuer hat, desto schwieriger wird es, sich auf einen Fahrer festzulegen. "Man kann sich eigentlich nur auf den falschen festlegen", hört man aus den Reihen der Teambosse immer wieder. Daran hat sich seit Saisonbeginn eigentlich nur wenig geändert. Und man sollte nicht vergessen, dass Pascal Wehrlein den Titel im vergangenen Jahr auch deshalb gewonnen hat, weil sich Mercedes früh auf ihn festlegte.

Hersteller in der Zwickmühle

Oder anders gesagt: Audi verlor den Titel 2015 möglicherweise deshalb, weil man eben nicht die Möglichkeit - oder den Mut - hatte, sich auf einen Piloten festzulegen. Das kann man als "Luxusproblem" bezeichnen und als Zeichen der Stärke des eigenen Fahrerkader interpretieren, wie es Audi-DTM-Leiter Dieter Gass stets betont und damit sicherlich nicht falsch liegt. Wenn dieses Luxusproblem dann aber am Ende den Titel kostet, dann wird es ärgerlich.

Ich möchte aktuell jedenfalls nicht mit Dieter Gass oder Mercedes-DTM-Teamchef Uli Fritz tauschen. Audi hat mit Green und Mortara momentan zwei ganz heiße Titelanwärter, und auch Nico Müller und Mattias Ekström könnten sich mit einem starken Wochenende noch einmal zurückmelden. Bei Mercedes schlägt das Pendel ständig zwischen Paul di Resta und Robert Wickens aus. Dazu präsentierten sich zuletzt auch Christian Vietoris und Gary Paffett in guter Form.


DTM in Zandvoort

Die ruhigsten Nächte dürfte aktuell BMW-Motorsportdirektor Jens Marquardt haben. Auch wenn er nach wie vor kein klares Bekenntnis zu Marco Wittmann abgeben möchte, scheint der Champion von 2014 im BMW-Kader relativ alternativlos zu sein. Zwar präsentierte sich zum Beispiel auch ein Timo Glock zu Saisonbeginn in starker Form, doch ihm fehlt es - wie vielen anderen - einfach an der nötigen Konstanz, die Wittmann mitbringt.

Der beste Fahrer soll gewinnen!

Noch einmal: Das ist genau das Szenario, das sich die DTM-Offiziellen vor der Saison erhofft haben. Insofern hat man alles richtig gemacht. Und in der ersten Saisonhälfte hat auch jeder ein Stückchen vom Kuchen abbekommen: Audi konnte fünf Rennen gewinnen, Mercedes drei und BMW zwei. Nun ist die Spielzeit allerdings vorbei, jetzt will ich sehen, wie die besten Fahrer um den Titel kämpfen!

Das ist übrigens auch den Piloten selbst zu wünschen, denn wenn wir am Ende des Jahres vier oder fünf Fahrer innerhalb von wenigen Punkten haben, dann wird schnell das Argument kommen, dass der Champion den Titel ja nur durch Glück gewonnen hätte, weil Fahrer xy in irgendeinem Rennen unglücklich Punkte verloren hat. Solche Diskussionen braucht kein Mensch. Nein, dann soll es doch lieber ein klassischer Titelkampf sein, den am Ende der beste Fahrer für sich entscheidet.

Immerhin in einer Hinsicht können wir uns jetzt schon fast sicher sein: Die Entscheidung in der Meisterschaft wird auch in diesem Jahr wieder erst beim Finale in Hockenheim fallen, denn das irgendein Fahrer in den kommenden drei Rennen einen Vorsprung von mehr als 50 Punkten herausfahren kann, halte ich für ziemlich unmöglich - und das ist auch gut so! In diesem Sinne: Auf eine spannende zweite Saisonhälfte und einen heißen Titelkampf!

Euer


Ruben Zimmermann


Ruben Zimmermann