Von Zitzewitz über die "Mutter aller Rallyes"
VW-Navigator Dirk von Zitzewitz im Exklusiv-Interview über überraschende Aspekte und die vielen Tücken der Rallye Dakar in Südamerika
(Motorsport-Total.com) - Frage: "Was war für dich die bisher größte Überraschung der Rallye?"
Dirk von Zitzewitz: "Die größte Überraschung war, dass wir die ersten drei Tage sehr schnelle Pisten dabei hatten. Am ersten Tag habe ich noch damit gerechnet, da die voraussichtliche Höchstgeschwindigkeit mit 140km/h angegeben war. Aber auch an den Tagen danach ging es über sehr schnelle und breite Pisten. Das hatte ich nicht so erwartet. Ich dachte, wir würden kleinere Pisten fahren."

© Volkswagen
Dirk von Zitzewitz navigiert erfogreich durch die Tücken der Rallye Dakar
"Aber die doch allergrößte Überraschung sind die Menschen in Argentinien gewesen. Wie viele Fans dort an den Straßenrändern standen und uns zugejubelt haben. Und das überall, auch in den Prüfungen. Selbst in den Gebieten, in die du normalerweise gar nicht hinkommst. Mitten in der Pampa standen zwei, drei Geländewagen, Zelt aufgebaut - dazu eine Gruppe von zehn Leuten, die jubeln. Das Ganze nicht nur manchmal, sondern andauernd. Das ist wirklich toll und eine schöne Überraschung."#w1#
Frage: "Wie sieht es bei der Navigation aus? Ist sie schwerer bzw. anders als in Afrika?"
Von Zitzewitz: "Der erste Tag war einfach. Alle Etappen danach hatten ihre Herausforderungen. Am zweiten Tag war eine wirklich schwierige Passage dabei, auf der auch viele Fehler gemacht haben. Die weiteren Tage waren zeitweise sehr schwierig in der Navigation. Das Thema Navigation ist hier genauso wie in Afrika wirklich schwierig."
"Sie unterscheidet sich aber nur geringfügig. Die Merkmale der Landschaft sehen anders aus. Was neu war für mich, war am fünften Tag. Da hatten wir eine sehr hohe Bergpassage, über 2000 Meter hoch, und dort haben wir in Tälern Wege suchen und uns auch Wege machen müssen. Sich dort nur mit Kompasskurs zurechtzufinden und einzuschätzen, wo kannst du über eine Bergkuppe drüberfahren und wo nicht - das war schwierig und ungewohnt. Solche Passagen habe ich in Afrika noch nicht erlebt."
Der Freitag als schwarzer Tag
Frage: "Bist du mit dem bisherigen Verlauf der Rallye zufrieden?
Von Zitzewitz: "Ja, ich bin zufrieden wie es bisher gelaufen ist. Das heißt, ich war sehr zufrieden bis Freitag. Das war unser schwarzer Tag. Da ist ziemlich viel schief gelaufen - nicht bei Giniel oder bei mir, sondern technisch. Aber ich denke, so einen Tag mit Schwierigkeiten hat man einfach mal bei der Dakar. Dann ist es die große Kunst, diesen Tag so gut wie möglich zu bewältigen. Das ist noch das Positive gewesen, dass uns das gelungen ist. Wir haben das Auto ins Ziel gebracht und hatten damit eine sehr gute Ausgangsposition für den Rest der Rallye."
Frage: "Bist du überrascht, dass der Hauptkonkurrenz solche Fehler unterlaufen?"
Von Zitzewitz: "Ja, definitiv! Am meisten hat mich die Rolle von Stéphane Peterhansel in den Dünen überrascht. Diese Düne bei San Rafael ist sehr schwierig gewesen. Aber dass sich ein so erfahrener Mann wie Peterhansel zu einem Tempo hinreissen lässt, das diesen Überschlag zur Folge hat, hat mich überrascht. Das zeigt sehr deutlich, wie hoch der Druck an der Spitze ist und was dort für ein hohes Tempo gegangen wird."
Frage: "Zumal die Mitsubishi dafür bekannt waren, es am Anfang eher ruhiger angehen zu lassen..."
Von Zitzewitz: "Besonders Stéphane Peterhansel ist jemand, der einen sehr guten Instinkt dafür hat, wann es richtig ist zu attackieren und wann welche Geschwindigkeit die passende ist. Er hat es bis dahin auch hervorragend gemacht. Der Tag war eben auch der Tag zum Attackieren - da gebe ich ihm vollkommen Recht und das haben wir ja auch gemacht. Doch für mich sieht es aus, als ob er in dem Moment zuviel wollte."
Weiter volle Konzentration gefragt

© Volkswagen
Giniel de Villiers und Dirk von Zitzewitz im Dakar-Einsatz im Race Touareg Zoom
Frage: "Ihr seid jetzt drei VW ganz vorne in der Gesamtwertung. Wie sieht es bei euch im Team mit der Taktik aus?"
Von Zitzewitz: "Vom Team her sind wir in einer hervorragenden Position. Wir sind drei Autos vorne auf den ersten drei Plätzen. Sämtliche Gegner sind geschwächt und können nicht mehr voll attackieren. Das heißt, wir können uns voll und ganz auf die Herausforderung des Rennens konzentrieren."
"Trotzdem müssen wir unheimlich aufpassen, dadurch keine Fehler zu machen. Die Konzentration muss hoch bleiben. Man braucht die volle Konzentration und kann nicht spazieren fahren. Jeder für sich muss sehen, dass er da gut durchkommt. Da kannst du nicht aufeinander aufpassen. Sonst bist du mit den drei Autos plötzlich und ganz schnell nur noch Zehnter. Im Moment können wir nur verlieren. Die Konkurrenz ist zwar geschwächt, aber sie ist noch da!"
Frage: "Es scheint, dass die Überholmanöver der Autos gegenüber den Motorrädern immer gefährlicher werden. Muss sich der Veranstalter dafür eine Lösung überlegen?"
Von Zitzewitz: "Das Überholen ist hier heikler als in Afrika. Das liegt an der Beschaffenheit der Pisten - vor allem in den ersten Tagen. Hier ist viel mehr Vegetation und dadurch bist du mehr auf eine Spur eingeengt. Je mehr Autos darüber fahren, um so mehliger wird der Boden und um so mehr Staub kommt auf. Durch die Vegetation kann der Staub nicht wegziehen. Das heißt, weder die Motorradfahrer noch die Autos können ausweichen - weder dem anderen Teilnehmer noch dem Staub. Dadurch ist es teilweise sehr eng und gefährlich geworden. Der Veranstalter hat reagiert mit längeren Pausen zwischen Motorrad und Auto."
"Aber das reicht noch nicht. Ich denke, der Veranstalter muss sich dazu durchringen, weniger Motorradfahrer anzunehmen. Es sind, glaube ich, 230 Fahrer gestartet und wenn man ehrlich ist, sind nicht alle 230 qualifiziert für dieses Rennen. Wir fahren hier die Mutter aller Rallyes, die härteste aller Rallyes. Ich weiß selber, wie das ist. Wenn du zu Hause sitzt, sind die Schwierigkeiten nur noch halb so groß, wie sie noch vor Ort waren. Nach einem halben Jahr war alles noch leichter. Aber es ist nicht leicht. Die Dakar ist superschwer und das vergessen viele."

