• 05.07.2009 18:22

Sainz und Al-Attiyah: "Ein guter Test"

Doppelinterview mit den Doppelsiegern der Rallye dos Sertões in Brasilien, den VW-Werkspiloten Carlos Sainz und Nasser Al-Attiyah

(Motorsport-Total.com) - Bei der Rallye dos Sertões in Brasilien begeisterte ein packendes teaminternes Duell die Fans: Carlos Sainz und Nasser Al-Attiyah gewannen gemeinsam im Volkswagen Race Touareg alle zehn Etappen der härtesten und längsten Marathonrallye nach der Dakar. Im Ziel trennten die Werkspiloten nach 2.605 Prüfungskilometern lediglich 1:09 Minuten. Im Doppelinterview sprechen der Spanier Sainz und der Katarer Al-Attiyah über gewonnene Erfahrungen, Teamwork, gegenseitigen Respekt und zukünftige Ziele.

Titel-Bild zur News: Nasser Al-Attiyah und Carlos Sainz

Die Aushängeschilder von Volkswagen: Carlos Sainz und Nasser Al-Attiyah

Frage: "Carlos, haben Sie erwartet, dass Ihr neuer Teamkollege Nasser Al-Attiyah Ihnen bereits in der ersten Rallye so einen Druck machen könnte?"#w1#

Carlos Sainz: "Da war ich mir sogar ganz sicher. Schließlich ist Nasser nicht aus Zufall von Volkswagen für das Dakar-Programm verpflichtet worden. Er ist einer der schnellsten Rallyepiloten der Welt und jetzt im besten Team der Welt - das hat er von der ersten Minute an auch im Race Touareg bewiesen."

Frage: "Wie groß ist der Respekt voreinander?"
Nasser Al-Attiyah: "An Carlos respektiere ich eine Menge guter Dinge, die ein Rallyefahrer braucht. Er hat viel Erfahrung im Sprint- und Marathonrallyesport. Es ist eine große Freude für mich, im gleichen Team zu starten und mich mit ihm messen zu können. Von ihm kann ich noch viel lernen. Er ist eine echte Persönlichkeit - das beweisen auch die vielen SMS, die ich bekommen habe, seitdem bekannt ist, dass wir gemeinsam für Volkswagen starten. Jeder freut sich für mich. Und es ist für mich auch eine große Chance."

Sainz: "Ich versuche wie Nasser mir von jedem guten Fahrer etwas abzuschauen. An dem Tag, an dem man aufhört, sich weiterzuentwickeln, sollte man seine Karriere beenden. Wir sind bei Volkswagen auch dank Nasser ein stärkeres Team."

Frage: "Ihr Duell bei der Sertões hat die Fans begeistert, jeder von Ihnen hätte gewinnen können und Sie beide haben permanent Siegeswillen gezeigt. Was macht denn einen Vollblutracer aus?"

Sainz: "Nasser zum Beispiel hat die Charakterzüge eines Vollblutracers und ich denke, darin sind wir uns sehr ähnlich: immer gewinnen zu wollen, immer vorwärts zu denken und mit kalkuliertem Risiko das Maximale herausholen zu wollen. Unser Fahrstil ist unserer generellen Herangehensweise an den Sport gleich."

Frage: "Sie haben bei dieser Rallye erstmals unter Wettbewerbsbedingen mit neuen Copiloten gearbeitet. Wie fällt das Arbeitszeugnis dieses Cockpit-Teamworks aus?"

Al-Attiyah: "Wenn man einen neuen Copiloten an der Seite hat, muss man sich neu abstimmen, muss gemeinsame Erfahrungen machen und die Kommunikation täglich im Detail verbessern. Da ist auch ein bisschen Geduld gefragt. Nicht nur Beifahrer können Fehler machen und den Weg nicht finden, auch der Fahrer kann sich in der Wahl des Tempos versehen. Mir ist immer sehr daran gelegen, dass man sich an Bord gut versteht. Mit Timo Gottschalk habe ich auf Anhieb einen guten Weg der Kommunikation gefunden. Das stimmt mich für die Silk-Way-Rallye im September und für die Rallye Dakar im Januar optimistisch."

Sainz mit neuem Beifahrer zufrieden

Sainz: "Ich muss Nasser da aus meiner Sicht zustimmen und kann dasselbe über die Zusammenarbeit mit Lucas Cruz Senra sagen. Wir hatten hier eine großartige Chance uns unter verschiedensten Bedingungen auszuprobieren und abzusprechen. Jeder Tag bei dieser Rallye verlief anders, führte über ein anderes Terrain. Es braucht Zeit, bis die Abstimmung zwischen Fahrer und Beifahrer perfekt ist. Bei der Sertões haben wir auch in dieser Hinsicht große Schritte nach vorn gemacht. Gerade hier hatten die Beifahrer mit einer ganz anderen Art von Roadbook einen schwierigen Job. Lucas hat ihn sehr gut gemeistert."

Frage: "Der Zeitunterschied zwischen Ihnen war nach der Rallye winzig: nur 1:09 Minuten. Wurmt die knappe Niederlage nicht, Herr Al-Attiyah?"

Al-Attiyah: "Für mich ist das Ergebnis nicht so entscheidend wie für die Medien. Ich bin hier angetreten um viel zu lernen, um viele Kilometer im Auto zu absolvieren und mich mit Timo abzustimmen. Ob ich Erster oder Zweiter werde, hat für mich keine Rolle gespielt, denn ich habe noch eine weitere Vorbereitungsrallye vor der Dakar im Kalender. Da sieht die Sache sicher schon anders aus. Ganz ehrlich: Wichtig ist doch nur, dass Volkswagen den teilweise erwarteten Doppelsieg souverän eingefahren hat. Es geht um das Team. Ich fühle mich ganz und gar nicht als Verlierer. Wenn Carlos gewinnt, bin ich auch ein Gewinner. Schließlich fahren wir für das gleiche Team."

Sainz: "Wie bei jeder Marathonrallye war das Terrain, das Roadbook eine Herausforderung für Fahrer und Beifahrer. Die Sertões ist die härteste Rallye nach der Dakar - deswegen sind kleinere Rückschläge ganz normal, sie gehören zum Sport dazu. Ganz besonders in unserem Fach. Diese Rückschläge haben sich aber alles in allem ausgeglichen, das zeigt auch das Ergebnis. Ich denke, Nasser und ich sind auf dem gleichen Niveau gefahren und auch unsere Beifahrer hatten den gleichen hohen Level. An einem Tag hat Nasser, am anderen habe ich etwas Zeit verloren. Die Umstände und das Glück waren für beide Paarungen aber ausgeglichen."

Frage: "Was war das Spezielle an der Rallye dos Sertões?"

Sainz: "Um hier schnell zu sein, muss man technisch sehr gut beschlagen sein. Um normalerweise Offroad schnell zu sein, helfen ein gutes Auto, das wir mit dem Race Touareg sicher haben, und ein bisschen Erfahrung. Aber um bei der Sertões schnell zu sein, muss man vor allem eines haben: Fahrzeugbeherrschung in allen Situationen."

Al-Attiyah: "Genauso ist es. Diese schmalen Schotterwege ähnelten eher einer klassischen Sprintrallye und die Trialpassagen und Wasserdurchfahrten haben den Anspruch an das Fahrkönnen weiter erhöht. Ein echt guter Test für die Dakar."

Frage: "Was waren denn die Lernziele bei der ersten Rallye im Volkswagen-Werksteam?"

Al-Attiyah: "Auf jeden Fall die Rallye zu beenden und viel Erfahrung zu sammeln. Ich bin aus einem anderen Team zu Volkswagen gestoßen. Volkswagen hat ein ganz anderes, viel professionelleres technologisches Niveau. Sich hier zu beweisen war natürlich auch ein Ziel. Ich habe jede Minute und jede Kurve im Auto genossen."

Dakar als großes Ziel

Carlos Sainz

Carlos Sainz konnte die Rallye dos Sertões knapp für sich entscheiden Zoom

Frage: "Wenn man nach den Zielen für die Zukunft fragt, dann bekommt man sicher von Ihnen die gleiche Antwort..."

Sainz: "Das denke ich auch - jeder möchte die Dakar gewinnen. Das gilt aber nicht nur für Nasser und mich, sondern auch für unsere Teamkollegen Giniel de Villiers und Mark Miller, alle Fahrer bei X-raid-BMW und Robby Gordon im Hummer. Jeder Fahrer möchte immer nur das eine: gewinnen."

Frage: "Es kann aber nur einen Sieger geben. Inwieweit arbeiten Sie gemeinsam für das große Ziel, den Dakar-Erfolg aus dem Januar zu wiederholen?"

Sainz: "Sagen wir es einmal so: Wenn man im besten Team fährt, kann man sich auch sicher sein, dass man die allerstärksten Teamkollegen hat. Das ist bei Volkswagen der Fall. Und alle zusammen bringen das gesamte Paket mit jedem Kilometer Erfahrung ein Stück vorwärts. Das gesamte Team entwickelt sich so immer weiter."

Frage: "Lassen Sie uns über das Team reden, dass hier in Brasilien ebenfalls vor eine große Herausforderung gestellt wurde. Was kann man als Fahrer tun, um den Technikern den Job zu erleichtern?"

Al-Attiyah: "Ich bemühe mich immer, eine große Nähe zu meinen Mechanikern zu pflegen. Dazu gehören viele Einzelgespräche, um die Situationen zu erläutern, die beim Service mehr Arbeit bedeuten. Gerade diese Rallye hat für viele Karosserieschäden gesorgt, weil die Pfade extrem schmal waren. Aber die Jungs können sich immer sicher sein: Wir tun immer unser Bestes, das Auto ohne Schrammen ins Ziel zu bringen. Aber manchmal gibt es Situationen, die unvermeidlich sind. Das versuche ich zu vermitteln."

Frage: "Welchen Tipp würden Sie sich gegenseitig geben?"

Al-Attiyah: "Ich kann Carlos sicher keine guten Tipps geben, ich möchte vielmehr von ihm lernen. Aber vielleicht kann er beim nächsten Test in den Dünen etwas abschauen. Dort habe ich ein bisschen Erfahrung..."

Sainz: "Genau darum geht es. Nur im Austausch wird das gesamte Team und jede Fahrerpaarung immer besser. Jede Lösung, die ich finde, stellen wir dem Team zur Verfügung, und umgekehrt ist es bei jedem der anderen Fahrer bei Volkswagen genauso. Nur so können wir unsere Ziele erreichen."