"Mit Gewalt für uns körperlich hart machen" - Rallye Dakar 2023 zu extrem?
Schon im Laufe der ersten Etappen scheiden Motorradfahrer mit Verletzungen aus - Auch bei den Autos haben einige Topfahrer Unfälle - 2023 ist die Dakar anspruchsvoll
(Motorsport-Total.com) - "Es ist definitiv die anspruchsvollste Dakar in Saudi-Arabien", hielt Matthias Walkner nach den ersten Tagen fest. Speziell die erste Woche stellte in allen Kategorien viele Fahrer vor große Herausforderungen. Mehrere Topfahrer und Sieganwärter mussten aufgeben.

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Der Audi von Carlos Sainz nach seinem Unfall auf der sechsten Etappe Zoom
Bei den Motorrädern verletzte sich Titelverteidiger Sam Sunderland (GasGas) gleich auf der ersten Etappe. Ricky Brabec (Honda) stürzte an Tag drei und musste verletzt aufgeben. Joaquim Rodrigues (Hero) brach sich in Etappe vier den linken Oberschenkel.
Bei den Autos hatten die Audi-Fahrer Stephane Peterhansel und Carlos Sainz im Laufe der sechsten Etappe an der gleichen Stelle Unfälle. Peterhansels Beifahrer Edouard Boulanger verletzte sich dabei am Rücken. Sainz schied nach einem Überschlag in Etappe neun endgültig aus
"Es war von Beginn an sehr hart", sagt Nasser Al-Attiyah. Der Toyota-Fahrer blieb von großen Problemen verschont und hat beste Chancen auf den Auto-Gesamtsieg. Waren die ersten Tage zu hart? "Nein, das ist die Dakar", findet Al-Attiyah. "Jeder Tag ist eine Herausforderung."
Im Biwak sind die Meinungen über das Schwierigkeitslevel speziell der ersten Woche geteilt. So sagt Hero-Teamchef Wolfgang Fischer im Gespräch mit 'Motorsport-Total.com': "Nach zwei, drei Tagen hat es sich angehört, als wäre schon die halbe Dakar durch."
"Von den Distanzen war es sehr viel, aber auch vom Geländeanspruch. Die ersten fünf Tage waren sehr knackig, aber sie waren von der Durchschnittsgeschwindigkeit nicht zu schnell." Trotzdem haben die Topteams der Motorräder allesamt Spitzenfahrer durch Verletzung verloren.
Absage einer Motorrad-Etappe richtig?
Für die Motorradfahrer wurde auch die siebte Etappe abgesagt. War es die richtige Entscheidung? "Wir werden es nie wissen", meint Honda-Teamchef Ruben Faria gegenüber 'Motorsport-Total.com'. "Der Veranstalter hat diese Entscheidung getroffen."

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Die zweite Etappe führte durch extrem steiniges Gelände Zoom
"Wir mussten das akzeptieren. Sie haben mir gesagt, dass am Vortag viele Amateurfahrer sehr müde waren. 30 Motorräder sind erst spät ins Biwak gekommen. Wenn wir über die Werksfahrer sprechen, dann wären sie die siebte Etappe gefahren. Daran besteht kein Zweifel."
Dirk von Zitzewitz, der erfahrene Beifahrer von Yazeed Al-Rajhi in einem Toyota, empfand die ersten Tage nicht als zu schwierig: "Der erste Tag war kein easy Warm-up, sondern es war schon ein richtiger Dakar-Tag. Er hätte für den Anfang vielleicht einen Tick softer sein können."
"Der zweite Tag war in Ordnung. Aber was danach so gekommen ist, da verstehe ich den Veranstalter nicht so ganz", übt der Deutsche im Gespräch mit 'Motorsport-Total.com' auch Kritik an der Routenführung.
Dirk von Zitzewitz kann Routenplanung nicht ganz nachvollziehen
Von Zitzewitz beschreibt: "Sie haben uns sehr viel querfeldein durch die Wüste geschickt. Nur durch hartes Terrain, was unheimlich auf den Körper und das Material geht. Man wollte es mit Gewalt für uns körperlich hart machen."
"Ich bin jetzt schon einige Dakars gefahren. Das ist jetzt meine 24. Ich möchte nicht sagen, dass es bis jetzt meine härteste war. Aber sie ist körperlich sehr anstrengend. Ich vermisse, dass der Veranstalter daran denkt, dass wir beim Wettbewerb auch ein bisschen Spaß haben möchten."

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Dirk von Zitzewitz bestreitet schon zum 24. Mal eine Rallye Dakar Zoom
"Natürlich gehört das härteste Gelände zur Dakar dazu. Absolut! Es soll auch an die Substanz gehen. Aber zwischendurch muss es auch Abschnitte geben, wo wir ein Lächeln auf den Lippen haben und sagen: 'Mensch, das macht jetzt super geil Spaß, hier entlangzufahren.'"
"Das vermisse ich in diesem Jahr ein bisschen. Im letzten Jahr gab es Beschwerden, dass die Dakar zu einfach, zu schnell war. Jetzt hat der Veranstalter, finde ich, auf die andere Seite übertrieben. Es ist etwas zu brutal vom Gelände her. Die Pisten sind schlecht, wenn überhaupt welche da sind."
Viele Amateure als Rückgrat der Rallye
Der mediale Fokus liegt bei der Dakar auf den Topfahrern und den großen Teams. Aber das Rückgrat der Rallye sind die vielen Amateure, die ein großes Abenteuer erleben. Veranstalter A.S.O. muss auch diesen Aspekt im Auge haben.
"Man muss bedenken, dass 90 Prozent der Fahrer Amateure sind", hält Faria fest, der 2013 als Motorradfahrer Zweiter geworden ist. "Nach manchen Dakars sagen die Fahrer im Ziel, dass sie nicht hart genug war. Wenn die Veranstalter sie schwierig gestalten, heißt es, dass sie zu hart war."
"In einem Jahr ist es schwierig, in einem anderen etwas leichter. In diesem Fall denke ich, dass das Wetter eine Rolle gespielt hat. Das ist meine Meinung. Die Dakar ist hart. Die Fahrer müssen sich darauf einstellen. Wir müssen verstehen, dass nicht alle Fahrer Profis sind."
Roadbook: Gefahrenstellen nicht gut verzeichnet
In den vergangenen Jahren gab es Kritik am Roadbook, das zu ungenau war und deshalb immer wieder für Konfusion gesorgt hat. Die Navigation und die Routenfindung war bisher in diesem Jahr deutlich besser. Aber perfekt ist das Roadbook immer noch nicht.
"Nicht ganz so happy bin ich mit der Einstufung der Gefahrenstellen", sagt von Zitzewitz. "Es gibt ab und zu Gefahrenstellen, die als große Gefahr markiert sind, aber sie nicht wirklich sind. Und andere Stellen sind nicht markiert."

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Reifenschäden kommen bei den Automobilen häufig vor Zoom
"Man lässt uns im offenen Gelände oft sieben bis 15 Kilometer ohne Information frei nach Kompassrichtung fahren. Das hat auch seinen Reiz. Aber dazwischen sind teilweise auch heftige Stellen. Ich finde, da sollte die Sicherheit vorgehen."
"Da müssten sie eine Information ins Roadbook einfügen. Denn wenn dort etwas passiert, kann das auch ganz böse ausgehen. Das ist auch der Punkt, wenn ich meine, dass sie es übertreiben mit zu viel hartem Gelände und mit zu wenig Hinweisen auf Gefahrenstellen."
Von Zitzewitz hält aber trotzdem fest: "Was die Wegfindung angeht, bin ich zufrieden. Ich bin bis jetzt gut damit zurechtgekommen." Die zweite Woche der Rallye Dakar findet hauptsächlich in der Wüste Rub al-Chali statt. Sand dominiert das Terrain. Regen wird keine Rolle mehr spielen.


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