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Matthias Walkner im Interview: "Mit mir wird zu rechnen sein"

Exklusiv-Interview mit Matthias Walkner: Der Österreicher spricht über seine lange Rehabilitationszeit nach Verletzung und über seine Ziele für die Rallye Dakar 2017

(Motorsport-Total.com) - Zum dritten Mal stellt sich Matthias Walkner der Herausforderung Rallye Dakar. Bei seinen ersten beiden Versuchen in Südamerika zeigte der Österreicher seinen Speed, aber ins Ziel schaffte er es nicht. Im vergangenen Januar war in der siebten Etappe Schluss. Walkner brach sich bei einem Sturz den Oberschenkel und es folgte eine lange Rehabilitationszeit. Im Interview mit 'Motorsport-Total.com' spricht der KTM-Werksfahrer über den langen Weg zurück, seine Vorbereitungszeit und seine Ziele für die Dakar 2017. Für alle Walkner-Fans zeigt 'Red-Bull-TV' ab 27. Dezember eine Dokumentation über die Karriere des 30-Jährigen.

Titel-Bild zur News: Matthias Walkner

Zum dritten Mal stellt sich Matthias Walkner der Rallye Dakar Zoom

Frage: "Matthias, wie geht es dir einige Tage vor dem Start der Rallye? Körperlich bist du wieder in Topform?"
Matthias Walkner: "Mir geht es eigentlich recht gut, beim Oberschenkel merke ich nicht mehr viel. Das rechte Knie macht noch kleine Probleme, aber es ist nicht mehr so tragisch. Vor Weihnachten habe ich noch am Kitzsteinhorn ein Höhentraining absolviert. Ich fühle mich recht gut vorbereitet."

Frage: "War der Oberschenkelbruch und die lange Rehabilitationszeit die bisher schwierigste Phase deiner Karriere?"
Walkner: "Eigentlich schon, denn zum ersten Mal musste ich länger auf Krücken gehen. Auch der normale Alltag war eine Herausforderung, vom aufs Klo gehen, Zähne putzen, Auto fahren, Einkaufen und Kochen. Das ist einem gar nicht so bewusst, es war mühsam. Die Reha dauerte 26 Wochen. So eine lange Verletzungspause hatte ich zuvor noch nie."

Frage: "Lernt man in so einer Phase als Sportler auch andere Dinge zu schätzen? Du hast sicher viel Zeit zum Nachdenken gehabt."
Walkner: "Es öffnet einem schon die Augen, dass die Gesundheit das Wichtigste ist. Der sportliche Erfolg hat auch viel Bedeutung, aber das ist nebensächlich, wenn es einem nicht so gut geht. Da lernt man schon auch andere Dinge schätzen."

Frage: "Und wann konntest du zum ersten Mal wieder mit dem Motorrad fahren?"
Walkner: "Das war ungefähr nach 20 Wochen. Es hat sich gut angefühlt, aber es war am Anfang noch nicht so, wie ich mir das vorgestellt habe. Im Kopf spielt sich ein bestimmtes Programm ab, aber wenn der Körper noch nicht so ganz mitspielt, dann ist es schon schwierig. Es wurde aber immer besser. Das Fahren war für mich auch für den Alltag eine Therapie, weil der ganze Bewegungsablauf geschult wird. Dadurch habe ich auch im normalen Leben große Fortschritte gemacht, wie zum Beispiel Stiegen steigen."

Zwei Rallyes als Vorbereitung

Frage: "Wie viel bist du in der Woche ungefähr auf dem Motorrad gesessen?"
Walkner: "Da bin ich dann schon viel gefahren. Ich habe natürlich auf meine Verletzung achten müssen. Wenn der Fuß schmerzte, musste ich eine Pause einlegen. Trotzdem habe ich versucht, so viel wie möglich mit dem Motorrad zu fahren. Ich schätze, dass ich zwischen 150 und 170 Stunden gefahren bin, für diesen Zeitraum war es viel. Normal wären es etwa 300 Stunden gewesen, also war es doch etwas wenig."

Frage: "Dein sportliches Comeback hast du bei der Atacama-Rallye in Chile gegeben. Anschließend warst du in Marokko. In Marokko hast du einen Tagessieg gefeiert, also war es recht gut, oder?"
Walkner: "Das Comeback in Chile hat gepasst. Davor bin ich kaum mit dem Rallye-Motorrad gefahren. Ich hatte mir nichts erwartet und wollte vor allem wieder in den Rallye-Rhythmus hineinfinden. Das hat recht gut gepasst, ich habe aber gemerkt, dass es noch eine Lücke nach oben gibt. In meiner besten Etappe habe ich sechs, sieben Minuten auf die Spitze verloren. Aber auch damals bin ich zu 95 Prozent an meine Grenzen gegangen."

"Gut war Marokko. Ich dachte mir schon, dass ich ungefähr wieder bei 90 bis 95 Prozent meiner Leistung bin. Der Etappensieg hat dann auch bestätigt, dass mit mir wieder zu rechnen ist. An einem Tag habe ich mich ziemlich verfahren, weshalb das Gesamtergebnis nicht so gut war, aber die letzten drei Tage war ich im Spitzenfeld dabei. Das war schon richtig cool und gibt mir viel Selbstvertrauen."

Frage: "Im Vorjahr hast du gemeint, dass du noch an der Navigation arbeiten musst und diesbezüglich noch besser werden willst. Hast du das Gefühl, dass du im Vergleich zu vor einem Jahr Fortschritte gemacht hast?"
Walkner: "Ja schon. Wenn man sagt, man möchte die Navigation verbessern, dann kann man sich das nur schwer vorstellen. Die Herausforderung ist, dass man schnell Motorrad fährt und gleichzeitig richtig navigiert. Und das über fünf bis sieben Stunden lang. Man muss über diesen langen Zeitraum die Konzentration halten und die Informationen vom Roadbook verarbeiten. Diesbezüglich ist man nie austrainiert, man kann es immer präziser und schneller machen. Ich würde aber schon sagen, dass ich Fortschritte gemacht habe."


Die Route der Rallye Dakar 2017

Paraguay, Bolivien und Argentinien: Ein Blick auf die zwölf Etappen der Rallye Dakar 2017 in Südamerika. Weitere Rallye-Videos

Top 5 oder Podest im Optimalfall möglich

Frage: "Zweimal warst du bei der Dakar dabei, ins Ziel hast du es bisher nie geschafft. Haben dir diese Erfahrungen geholfen, dich jetzt besser oder anders vorzubereiten?"
Walkner: "Im ersten Jahr habe ich extrem viel gelernt und habe im zweiten Jahr viel anders und besser gemacht. Jetzt habe ich vielleicht fünf Prozent abgeändert, weil es beim letzten Mal bis zum Sturz schon super gelaufen ist. Man muss immer auf der Hut sein, auch wenn es einfach oder ungefährlich erscheint. Es kann immer etwas passieren."

Frage "Ist dein primäres Ziel diesmal die Zielankunft ohne dir ein konkretes Ergebnis vorzunehmen?"
Walkner: "Auf alle Fälle. Ich glaube, ich kann mich schon zu den sieben, acht Fahrern dazu zählen, die aufs Podium fahren können. Über die 9.000 Kilometer kann so viel passieren. Die Zielankunft ist sicher das Ziel. Wenn es einigermaßen reibungslos verläuft, könnten sich auch die Top 5 oder die Top 3 ausgehen."

Matthias Walkner

Die KTM des Österreichers trägt in Südamerika die Startnummer 16 Zoom

Frage: "Legst du dir eine bestimmte Taktik zurecht? Marc Coma ist oft in der ersten Woche nur mitgefahren und hat dann in der zweiten angegriffen."
Walkner: "Das hört sich gut an, aber es ist ein Für und Wider. Man kann seine Gegner nicht beeinflussen. Man macht vielleicht bei den einfachen Sachen einen Fehler und meistert dann die schweren Abschnitte gut. Meiner Meinung nach ist das Rennen zu lang, um zu taktieren. Mein Körper läuft besser, wenn ich gefordert bin. Ich werde schon schauen, dass ich in die Rallye gut hineinfinde. Das ist dann tagesabhängig. Wenn ich mich gut fühle, dann kann ich pushen. Fühlt es sich seltsam an, wäre Schadensbegrenzung angesagt. Wichtig ist, dass man kühlen Kopf bewahrt und auf seinen Körper hört."

Gegner: Goncalves der stärkere Honda-Fahrer

Frage: "Nimmt es Druck von deinen Schultern, dass dein Teamkollege Toby Price der Titelverteidiger ist und zu Beginn die Augen auf ihn gerichtet sein werden?"
Walkner: "Jeder der mich kennt weiß, dass ich mich auf die Sache akribisch vorbereite. In den letzten beiden Jahren ist es blöd zugegangen. Zuerst die Lebensmittelvergiftung und dann der Sturz, bei dem mich die Sonne so blöd geblendet hat. Ich hoffe, dass es diesmal einigermaßen reibungslos verlaufen wird. Druck in dem Sinne verspüre ich nicht. Es sind die Erwartungen, die ich selber an mich habe. Toby hat sicher die Favoritenrolle. Lieber wäre ich der Favorit, denn dann hätte ich die Rallye das letzte Mal gewonnen (lacht; Anm. d. Red). Aber man kann es nicht ändern, sondern muss sich gut vorbereiten und das Beste geben."

Frage: "Neben deinen Teamkollegen Price und Sunderland wird sicher auch Honda mit Barreda und Goncalves ein starker Gegner sein. Wie schätzt du die Konkurrenz ein?"
Walkner: "Barreda ist ein Fragezeichen. Er hat in diesem Jahr auf die Rallye-WM verzichtet. Ich weiß nicht, ob das eine gescheite Entscheidung war. Es ist etwas anderes, wenn man sich gegen die Schnellsten der Welt misst. Dass er schnell Motorrad fahren kann und für ein Podium gut ist, das ist sicher. Ich weiß aber nicht, ob seine Vorbereitung etwas gewagt ist. Aber schauen wir mal. Mit Goncalves ist sicher zu rechnen, er hat viel Erfahrung. Er ist sicher ein Mitfavorit und ich schätze ihn über die Distanz stärker ein als Barreda."


Rallye Dakar 2017: Die Favoriten

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Frage: "Euer KTM-Bike ist nur eine Weiterentwicklung in Details. Das heißt, du kannst dich voll und ganz auf dein Material verlassen?"
Walkner: "Davon gehe ich auch aus. Es funktioniert alles, das Material ist erprobt und ausgetüftelt. Von der Haltbarkeit kann uns sowieso keiner etwas vormachen. Also sind wir gut aufgestellt."

Etappen in Bolivien werden Herausforderung

Frage: "Wie gefällt dir die Route, die doch etwas anders sein wird? Worauf bist du am meisten gespannt und welche Etappen schätzt du als besonders schwierig ein?"
Walkner: "Schwierig werden sicher die Bolivien-Etappen, vom dritten bis zum neunten Tag. Wir sind etwa eine Woche auf einer Durchschnittshöhe von 3.800 Metern. Der Ruhetag in La Paz ist auf 3.700. Metern. Es gibt ziemlich viele Dünen und Flussbetten, die schwierig zum Navigieren sind. Das wird eine richtige Challenge. Marc Coma hat schon gesagt, dass es mit Sicherheit die härteste Dakar in Südamerika wird."

Frage: "Wobei man von den Veranstaltern in jedem Jahr hört, dass es die schwierigste Dakar sein wird. Man weiß dann nie, ob das wirklich der Fall sein wird."
Walkner: "Solange ich beim letzten Mal gefahren bin, kann ich sagen, dass es sicher nicht so zäh wie davor war. Aber wenn man sich jetzt die Eckdaten ansieht, dann liegt der höchste Punkt auf 5.000 Metern und wir sind sieben Tage lang auf fast 4.000 Metern. Das ist für die Regeneration schwierig, dazu kommen die langen Etappen. In Bolivien sind bei den Verbindungsetappen 90 km/h als Höchstgeschwindigkeit festgesetzt. Das werden richtig lange Tage."

"Am Rande habe ich mitbekommen, dass einige Leute im Vorjahr zu Marc höhnisch gemeint haben, dass es die einfachste Dakar seit langem war. Es war sein erstes Jahr als Rallye-Direktor. Ich glaube, jetzt wollte er sich das nicht nachsagen lassen. Wenn man mit ihm spricht, grinst er immer. Also denke ich schon, dass es richtig zäh wird. Dazu kommen auch Temperaturunterschiede von Minus zehn bis plus 45 Grad Celsius. Ich bin darauf eingestellt, dass es schon so sein wird, wie Marc das gesagt hat."

Frage: "Und abschließend die Frage: Was würdest du am 14. Januar am liebsten über dich in der Zeitung lesen?"
Walkner: "Walkner befindet sich gesund im Ziel! Das würde mir schon reichen."