• 31.12.2011 09:23

Fischer: "Man hat nie Zeit zum Durchatmen"

Wolfgang Fischer hat als Teamchef des Husqvarna-Teams by Speedbrain bei der Rallye Dakar alle Hände voll zu tun - Im Interview spricht er über die Herausforderungen

(Motorsport-Total.com) - Wolfgang Fischer ist der Mann, bei dem im Dakar-2012-Projekt alle Fäden zusammenlaufen. Als Teamchef und Geschäftsführer des Husqvarna Rallye Teams by Speedbrain ist der Bayer für zahlreiche Themenbereiche verantwortlich: Er überwacht die Entwicklung des Bikes, die Logistik und die finanziellen Aspekte, er arbeitet eng mit dem Personal zusammen und kümmert sich um die unterschiedlichen Belange der Fahrer.

Titel-Bild zur News: Wolfgang Fischer

Wolfgang Fischer liebt die Rallye Dakar mit all ihren Herausforderungen

Manch einer bezeichnet ihn ob dieser Vielseitigkeit als "Schweizer Messer". Vor allem aber ist er ein Mann, der seinen Job mit großer Leidenschaft ausfüllt. In seinen bisher sechs Jahren als Geschäftsführer war Fischer überall zu finden: in der Enduro-Weltmeisterschaft, im deutschen und im europäischen Cross-Country-Sport, und bei den größten Extrem-Enduro-Veranstaltungen der Welt. In den vergangenen beiden Jahren hat er sich allerdings vor allem auf das Rallye-Team konzentriert.

Frage: "Wie kam es, dass du damals Teammanager wurdest?"
Wolfgang Fischer: "Ende 2005 habe ich mit zwei Partnern mein eigenes Unternehmen gegründet, um mich für das neue Offroad-Team von BMW zu bewerben und deren Werksteam zu leiten. Ich war zuvor bereits einige Jahre im Offroad-Rennsport sowie für mehrere Teams tätig und sah die Zeit gekommen, einen weiteren Schritt nach vorn zu machen und diese Chance zu ergreifen."

Frage: "Dieser Job beschäftigt einen 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche, oder?"
Fischer: "Mehr als das. Man führt ein Leben, in dem man viele schöne Momente erlebt, viele Opfer bringen muss und nie Zeit zum Durchatmen hat. Wenn ich diesen Job nicht lieben würde, könnte ich ihn nicht über längere Zeit machen."

Frage: "Welcher Teil des Jobs ist der anstrengendste - und welcher ist der schönste?"
Fischer: "Der anstrengendste Part ist, wenn man die vielen Aufgaben - Forschung und Entwicklung, Tests, Produktion, Logistik - innerhalb eines beschränkten Zeitraums mit einem limitierten Budget erledigen und sich auf das Wesentliche konzentrieren muss. Der schönste Part ist, wenn ein Fahrer mit einem breiten Lächeln vom Testen neuer Entwicklungen zurückkommt, und wenn wir dann ein erfolgreiches Rennen haben."

"Das Schönste an unserer täglichen Arbeit ist, dass wir professionelle und effiziente Mitarbeiter haben, die in einer entspannten und familiären Atmosphäre Spaß an ihrem Job haben. Wir haben neun verschiedene Nationalitäten im Team. Von daher ist die Kommunikation sehr wichtig. Neben Englisch sind bei uns auch Portugiesisch und Spanisch Teamsprachen. Das ist bei der Dakar und in den wachsenden südamerikanischen Motorradmärkten sehr hilfreich."

Das Podium in Lima wird angepeilt

Frage: "Was ist das große Ziel des Husqvarna Rallye Teams by Speedbrain?"
Fischer: "Unser Ziel ist natürlich, im Ziel in Lima auf dem Podium zu stehen, hoffentlich auf der obersten Stufe ..."

Frage: "Es scheint, dass Sie ein sehr ausgeglichenes Team haben. Und das einzige mit zwei starken Südamerikanern. Wie schätzen Sie Ihre fünf Fahrer ein?"
Fischer: "Zunächst einmal sind alle sehr gute Fahrer und großartige Persönlichkeiten. Und sie verstehen sich untereinander sehr gut. Sie haben zwar vielleicht nicht die großen Erfolge auf ihrem Konto, verglichen mit Fahrern anderer Teams. Aber wir sind alle mehr als motiviert, uns gemeinsam eine Zukunft aufzubauen und die Piloten zu wahren Dakar-Helden zu machen. Die Motivation, im Team einen künftigen Champion aufzubauen, ist einfach größer, als wenn man ihn irgendwo einkauft.

"Alle fünf Fahrer haben ihr Potenzial bereits unter Beweis gestellt. Nun liegt es an ihnen, die Leistung auf den Punkt zu bringen und eine konstante Rallye zu fahren, mit guter Navigation, ohne Fehler und Unfälle, und dabei das Material zu schonen. Barreda und Goncalves zum Beispiel trainieren das Navigieren zusammen in Europa, genau wie es Ze Helio und Klaumann in Brasilien tun. Es ist eine Teamleistung, bei der Dakar ein gutes Ergebnis zu holen. Und unsere Stärke könnte vielleicht sein, dass wir alle gemeinsam daran arbeiten."

Straffes Entwicklungsprogramm

Frage: "Kannst du den Begriff 'werksunterstützt' genauer erklären?"
Fischer: "Sobald wir nach unserer ersten Dakar 2011 unser neues Rallyebike und unser Projekt präsentiert haben, hat Speedbrain von BMW und Husqvarna finanzielle Unterstützung erhalten, um sich auf die Dakar 2012 vorbereiten zu können. Wir bekommen zudem technische Unterstützung, um die Motoren weiter zu entwickeln. Die komplette Entwicklung des Chassis und der rallyespezifischen Komponenten haben wir als Rennteam gemeinsam mit den Fahrern geleistet."

"Unser Hauptaugenmerk haben wir dabei darauf gelegt, ein Full-Linkage-Hinterrad-Federungssystem zu integrieren, und ein Rallye-Rennmotorrad zu entwickeln, das besonders leicht und sowohl in schnellen als auch technisch schwierigen Abschnitten einfach zu kontrollieren ist. Ein Fahrer möchte in sein Bike Vertrauen haben. Dies ist uns gelungen."

Frage: "Wie gelangst du als Teammanager jeden Tag vom Start zum Ziel einer Etappe?"
Fischer: "In der Vergangenheit war es üblich, zu fliegen. Aber ich ziehe es vor, mit einem Geländewagen über die Begleitroute zu fahren. Denn so bin ich näher an der Rennaction und kann den Tag mit meinen Mitarbeitern verbringen. Wir fahren 5.700 statt der 8.400 Rennkilometer."

Frage: "Wie lautet deine Strategie gegen Schlafmangel, Hunger und Dehydration?"
Fischer: "Die Teammitglieder haben es bei der Dakar in Südamerika wesentlich einfacher als in den alten Zeiten in Afrika. Der Großteil der Begleitroute ist asphaltiert, Hunger und Dehydration sind auch kein Thema, da wir im Biwak Vollpension haben. Genug Schlaf zu bekommen, ist immer ein Problem. Man muss sich einfach selbst dazu zwingen, jede Gelegenheit dazu zu nutzen."

Frage: "Deine Familie muss sehr verständnisvoll sein und dich unterstützen ..."
Fischer: "Das ist, was mich persönlich angeht, der wichtigste Teil. Ohne die Unterstützung, das Interesse und das Verständnis meiner Frau - und auch unserer 13-jährigen Tochter - wäre es nicht möglich, diesen anstrengenden Job über längere Zeit zu machen."