Wer letzte Nacht am schlechtesten geschlafen hat: Jonathan Rea

Fehlstart in die Superbike-WM-Saison 2024: Jonathan Rea muss zwei schwere Stürze verdauen und geht komplett leer aus, während Ex-Arbeitgeber Kawasaki jubelt

Liebe Freunde der Superbike-WM,

Titel-Bild zur News: Jonathan Rea

Jonathan Rea verlässt Australien mit Schmerzen statt WM-Punkten Zoom

das erste Rennwochenende der WSBK-Saison 2024 liegt hinter uns. Und was für einen Auftakt wir erlebt haben! Nachdem Weltmeister Alvaro Bautista im Vorjahr drei zum Teil ziemlich souveräne Siege feierte, ging es in diesem Jahr deutlich spannender und unvorhersehbarer zu. Oder hätten Sie vor dem Wochenende auch nur einen Euro darauf gewettet, dass Kawasaki-Pilot Alex Lowes als WM-Leader nach Europa zurückkehrt. Also ich definitiv nicht.

Man kann von den neuen Regeln der Superbike-WM halten was man will, aber selten habe ich einen spannenderen Auftakt in eine Rennsaison erlebt. Die knapp 50.000 Fans vor Ort sahen aufregende Rennen und viele tolle Überholmanöver. Mit Kawasaki, Ducati, Yamaha und BMW waren vier der fünf Hersteller in den Top 3 vertreten.

WSBK Fans Phillip Island

Positive Bilanz: 48.173 Superbike-Fans wurden beim Saisonauftakt gezählt Zoom

In der vergangenen Woche wurde ich häufig von Freunden oder Lesern auf die neue Saison angesprochen und sollte meine Einschätzung der Kräfteverhältnisse abgeben. Obwohl die Wintertests bei nahezu perfekten Bedingungen stattfanden, fiel es mir äußerst schwer, vor dem ersten Rennwochenende der neuen Saison eine aussagekräftige Prognose abzugeben.

Auf keinen Fall hätte ich gedacht, dass Kawasaki beim WSBK-Saisonauftakt zwei der drei Rennen gewinnt und mit Alex Lowes die Führung in der Fahrerwertung übernimmt.

Momentaufnahme oder Realität: Kawasaki führt die Meisterschaft an

Das neue technische Reglement hat den Ex-Champions von Kawasaki einige Freiheiten verschafft, um den Motor der ZX-10RR konkurrenzfähiger zu machen (was sich verändert hat). Im Vergleich zur Konkurrenz ist Kawasakis vergleichsweise langhubiger Motor nicht mehr "State of the Art".

Alex Lowes

Alex Lowes verlässt Australien als Gesamtführender Zoom

Auch die 500 U/min mehr, die Kawasaki bereits in der vergangenen Saison erhielt, waren sicher eine Hilfe dabei, den Topspeed und die Beschleunigung der in die Jahre gekommenen Ninja zu verbessern. Auf der Zielgeraden konnte Lowes aus dem Windschatten sogar an den Ducatis vorbeiziehen.

Aber Vorsicht: Phillip Island war in der Vergangenheit kein guter Gradmesser. Beim Europaauftakt sehe ich Kawasaki nicht mehr in der Favoritenrolle. Der MotoGP-Kurs in Katalonien bereitete der Kawasaki in der Vergangenheit immer wieder Probleme.

Alex Lowes; Alvaro Bautista

Alex Lowes bezwang Alvaro Bautista im zweiten Hauptrennen Zoom

Zudem muss man festhalten, dass Phillip Island eine absolute Paradestrecke von Alex Lowes ist. Bereits vor vier Jahren war der Brite in Australien siegreich, als er seinen ersten Sieg für Kawasaki sicherstellte und danach dreieinhalb sieglose Jahre erlebte. Es würde mich nicht wundern, wenn Kawasaki in Barcelona nur im Mittelfeld landet.

Was war bei Ex-Vizeweltmeister Scott Redding los?

Aber um die starke Form von Kawasaki soll es in der heutigen Kolumne nicht gehen. Wer verlässt Phillip Island als großer Verlierer? Nach dem ersten Wochenende der neuen Saison dürften einige Beteiligte im übertragenen Sinne schlecht geschlafen haben.

Scott Redding

Keine Punkte am Sonntag: Scott Redding verlässt Australien als WM-16. Zoom

BMW-Pilot Scott Redding zum Beispiel blieb deutlich hinter den Erwartungen zurück. Während Markenkollege Toprak Razgatlioglu das erste Top-3-Ergebnis mit BMW sicherstellte, verpasste Redding in allen drei Rennen die Top 10 und das teilweise sehr deutlich.

BMW M1000RR

BMW erlebte beim Start in die neue WSBK-Saison einige Höhen und Tiefen Zoom

Hat der launige Brite bereits die Lust verloren? BMW hat zweifellos das Potenzial für eine erfolgreiche Saison. Die kommenden Strecken sollten der M1000RR deutlich besser liegen als das Layout der Strecke auf Phillip Island. Australien war in den zurückliegenden Jahren kein gutes Pflaster für BMW.

Jonathan Rea erlebt verkorksten Saisonauftakt mit Yamaha

Noch schlimmer traf es allerdings Rekord-Champion Jonathan Rea, der beim Saisonauftakt komplett leer ausging und genau gesagt noch großes Glück im Unglück hatte. Die Bilanz der Australien-Reise fällt äußerst ernüchternd aus: Keine Punkte, zwei schwere Stürze innerhalb einer Woche, mehrfache Prellungen und Abschürfungen sowie ein komplett zerstörtes Selbstvertrauen (am Sonntag gab Rea ein Update zu seiner Verletzung).

Jonathan Rea

Jonathan Rea sorgte am Sonntag für einen Rennabbruch Zoom

Bereits beim Test am Dienstag lief es für die Startnummer 65 überhaupt nicht rund. Bei einem Sturz verletzte sich Rea am Bein, weil er in der Auslaufzone von seinem Motorrad getroffen wurde (was beim Test passiert war). Das Selbstvertrauen des erfolgsverwöhnten Ex-Champions erhielt einen Dämpfer. Und auch in den Trainings kam Rea nicht gut mit seiner Yamaha zurecht.

War der Wechsel zu Yamaha ein Fehler?

Schaut man sich die überraschend starke Form von Kawasaki beim WSBK-Auftakt an, dann kommt man zwangsläufig zu der Frage, ob Rea mit seinem Wechsel zu Yamaha einen folgenschweren Fehler gemacht hat.

Jonathan Rea

Jonathan Rea feierte mit Kawasaki sechs WM-Titel, erfüllte den Vertrag für 2024 aber nicht Zoom

Ich verstehe, warum Rea im vergangenen Jahr die Chance für einen Neuanfang ergriffen hat. Denn besonders in der WSBK-Saison 2023 wurde deutlich, wie weit Kawasaki im Vergleich zu Ducati und Yamaha über die Jahre zurückgefallen ist. Für Rea war Yamaha eine Art Hoffnung, weil er bei Kawasaki kein weiteres Potenzial sah.


Fotos: WSBK 2024: Saisonauftakt auf Phillip Island (Australien)


Bisher hat sich der Wechsel für Rea nicht ausgezahlt. Andererseits darf man das Wochenende in Australien, wie bereits zu Beginn erwähnt, nicht als Maßstab heranziehen. Dennoch bin ich mir sicher, dass sich Rea nach dem verkorksten Auftakt einige Fragen stellt und etwas wehleidig die starke Form von Kawasaki wahrnimmt.

Welche Probleme Jonathan Rea mit der Yamaha R1 hat

Doch warum war Rea mit der Yamaha auf Phillip Island zu keinem Zeitpunkt richtig konkurrenzfähig? Zu Beginn der Australien-Woche wollte der Nordire nicht so richtig mit der Sprache rausrücken und stellte sich hinter sein Team. Das ist die übliche Reaktion eines professionellen Sportlers, wenn es nicht rund läuft.

Jonathan Rea

Jonathan Rea harmonierte in Australien überhaupt nicht mit seinem Superbike Zoom

Nach der Boxenstopp-Panne am Samstag, die zu P17 führte, wurde Rea allerdings etwas präziser und beklagte Chattering am Heck seiner Yamaha. Offensichtlich gab es an Reas R1 ein grundlegendes Problem. Die Crew ließ nichts unversucht und stellte das Motorrad auf den Kopf. Am Sonntag lief es für Rea besser, doch der Sturz in Lauf zwei vereitelte ein gutes Ergebnis.

Warum es bei Jonathan Rea dennoch Grund für Optimismus gibt

Yamaha-Teamkollege Andrea Locatelli demonstrierte eindrucksvoll, dass die für 2024 leicht optimierte Yamaha R1 konkurrenzfähig ist. Wäre der Italiener nicht in der letzten Runde gestürzt, dann hätte er gute Chancen auf den ersten WSBK-Sieg seiner Karriere gehabt und wäre dann als WM-Führender nach Europa zurückgekehrt.

Jonathan Rea

Findet Jonathan Rea ab Barcelona zu alter Stärke? Zoom

Deshalb bin ich optimistisch, dass sich ein Wochenende wie das auf Phillip Island aus Sicht von Rea nicht so schnell wiederholt. Barcelona wird für Rea voraussichtlich ebenfalls kein einfaches Wochenende, weil die Yamaha auf den Geraden zu langsam ist. Aber spätestens ab Assen sollte man den sechsmaligen Weltmeister wieder auf der Rechnung haben.

Wer war aus Ihrer Sicht der Verlierer des WSBK-Saisonauftakts? Teilen Sie mir Ihre Meinung auf Facebook unter "Sebastian Fränzschky - Motorsport-Journalist" mit. Dort gibt es meine Texte, Insiderinfos, Meinungen und Einschätzungen zu aktuellen Themen. Und natürlich die Möglichkeit, diese Kolumne zu diskutieren!

Sportliche Grüße,

Sebastian Fränzschky