• 22.10.2008 12:59

  • von Stefan Ziegler

Vorschau: WTCC in Okayama

In wenigen Tagen gastieren die Piloten der Tourenwagen-WM erstmals in Japan - 'Motorsport-Total.com' blickt voraus auf die Rennen in Okayama

(Motorsport-Total.com) - Der 'Okayama International Circuit' ist die vorletzte Rennstation der Tourenwagen-Weltmeisterschaft WTCC, welche 2008 zum ersten Mal einen Auftritt in Japan absolviert. Die Wahl fiel dabei nicht etwa auf die bekannteren Rennstrecken um Fuji, Motegi oder Suzuka, sondern auf den Kurs bei Okayama, der in Europa allerdings kaum bekannt ist -dabei war die Rennstrecke unter dem Namen 'TI Circuit Aida' einst sogar Teil des Kalenders der Formel 1. Die WTCC trägt in Japan die WM-Läufe 21 und 22 aus.

Titel-Bild zur News: Rennstart in Monza

In wenigen Tagen nimmt das WTCC-Feld erstmals Japan unter die Räder

Der 3,703 Kilometer lange 'Okayama International Circuit' wurde zu Beginn der 1990er-Jahren als 'Tanaka International Circuit Aida' erbaut und diente zunächst als Spielwiese für betuchte Japaner und ihre privaten Straßenflitzer. Eines der ersten Rennen auf der neugeschaffenen Piste bestritten allerdings ehemalige britische Rennfahrer, die das Gesicht des Kurses nachhaltig prägen sollten. So wurden die meisten Kurven der japanischen Rennstrecke nach englischen Piloten benannt, unter anderem stand Sir Stirling Moss Pate für eine Schikane.#w1#

Formel 1 zu Gast in Okayama

Der Kurs liegt inmitten einer weiträumigen Waldlandschaft und besticht in erster Linie durch viele enge Kurven, wohingegen die Piste lediglich zwei Geraden mit jeweils etwa 600 Meter Länge aufweist. Überhaupt scheinen Entfernungen bei dieser Rennstrecke das große Thema zu sein, ist der 'Okayama International Circuit' doch tief im japanischen Hinterland angesiedelt und ungefähr 60 Kilometer entfernt von der namensgebenden Großstadt.

Zwischen Hiroshima und Kobe gelegen, ist der Kurs nur über kurvenreiche Landstraßen zu erreichen und dem Tross der Tourenwagen-WM steht nach der Ankunft auf einem der umliegenden Flughäfen eine längere Anfahrt bevor. Scheinbar endlos wickeln sich die Serpentinen den Hang hinauf zur Rennstrecke, die sich auf etwa 1.000 Meter über Meereshöhe befindet und daher vor allem den Motoren der Rennfahrzeuge einiges abverlangen wird.


Fotos: WTCC in Monza


Vor über zehn Jahren war die japanische Piste weitaus mehr Motorsportlern ein Begriff, als sie es heute ist. 1994 und 1995 gastierte die Formel 1 auf dem 'TI Circuit Aida' und trug zweimal den Pacific-Grand-Prix auf dem kurzen Kurs aus. Bis zu 28 Formel-1-Boliden waren dabei auf der 3,703 Kilometer langen Schleife unterwegs, auf der sogar mehr Runden bewältigt werden mussten, als beim Klassiker in den Straßen von Monaco - 83.

Okayama 1994 erstmals im Formel-1-Rampenlicht

Über 100.000 Zuschauer kamen in den beiden Jahren an die Rennstrecke, um die Piloten der Formel 1 zu sehen. Sowohl 1994 als auch im Jahr darauf wurde dem Publikum prompt eine gute Show geboten: Williams-Pilot Ayrton Senna sicherte sich auf der kurzen Strecke die vorletzte Pole-Position seiner Karriere, ehe er zwei Rennen später beim Großen Preis von San Marino tödlich verunglückte. Den Pacific-Grand-Prix sollte der Brasilianer nicht gewinnen können.

Ayrton Senna und Nicola Larini

Auf Abwegen: Nicola Larini beendete 1994 das Rennen von Ayrton Senna Zoom

Dafür sorgten Mika Häkkinen (McLaren) und der heutige WTCC-Fahrer Nicola Larini (Ferrari), denn im Chaos der ersten Kurve räumten die beiden Konkurrent Senna aus dem Weg und ins Aus. Damit war die Bahn frei für Michael Schumacher (Benetton), der im zweiten Rennen der Saison 1994 bereits den zweiten Sieg einstrich. Mit auf dem ersten Aida-Podium standen Gerhard Berger (Ferrari) und erstmals Rubens Barrichello (Jordan).

1995 bildete das zweite Rennen auf japanischem Boden - ein Luxus, der bislang nur fünf austragenden Ländern zuteil wurde - das drittletzte Aufeinandertreffen der Konkurrenten um die Meisterschaft. Schumacher fuhr erneut die schnellste Runde und wenig später zum Sieg in Aida. Die beiden Williams-Fahrer David Coulthard und Damon Hill stiegen mit auf das Siegerpodest, auf dem der Deutsche ausgiebig seinen vorzeitigen Titelgewinn feiern konnte.

Nach diesem Rennen verschwand der Kurs allerdings von der internationalen Motorsportbühne und beherbergte fortan nur noch nationale Serien und Langstreckenrennen. 2003 wurde die Rennstrecke schließlich verkauft, erhielt 2005 den Namen 'Okayama International Circuit' und tauchte in den vergangenen Jahren wieder auf dem Motorsport-Radar auf. Die Tourenwagen-WM war auf der Suche nach einem Auftritt in Japan - und würde fündig!

Chevrolet, Engstler, N.Technology und Wiechers mit Gaststartern

Nicht auf die drei großen Kurse in Fuji, Motegi oder Suzuka zog es die WTCC, sondern auf die verwinkelte Rennstrecke nahe Mimasaka. Dort werden die Fahrer - neben einem zusätzlichen Test am Freitag - das übliche Trainingsprogramm abspulen, ehe die Qualifikation sowie die beiden Rennen über jeweils 14 Runden auf dem Programm stehen. Als besonderes Bonbon für die einheimischen Zuschauer sind auch einige Lokalmatadoren am Start in Okayama.

Manabu Orido, Yukinori Taniguchi, Takayuki Aoki

Japanisches Trio: Manabu Orido, Yukinori Taniguchi und Takayuki Aoki Zoom

Chevrolet Schweden setzt eigens für Manabu Orido einen vierten Lacetti ein, während Takayuki Aoki bei Wiechers im BMW 320si Rennwagen Platz nehmen kann. Den zweiten Honda Accord Euro R der italienischen N.Technology-Truppe wird Yukinori Taniguchi pilotieren. Alle drei Fahrer konnten sich bereits beim letzten Europaauftritt der WTCC in Monza mit ihren Fahrzeugen vertraut machen und erste Erfahrungen im WM-Umfeld sammeln. Außerdem setzt das Privatteam von Franz Engstler einen zusätzlichen Wagen ein, der von Debütant Masaki Kano pilotiert werden wird.

Die Verantwortlichen versprechen sich durch den Einsatz der Einheimischen nicht zuletzt einen noch größeren Besucheransturm. Die WTCC gilt in Japan als aufstrebende Serie - einzig ein namhafter Hersteller aus dem Land der aufgehenden Sonne fehlt noch zum perfekten Glück. Honda liebäugelt zwar hin und wieder mit einem Werkseinstieg, beließ es in den vergangenen Monaten aber beim Beliefern des Kundenteams N.Technology.

Heimvorteil für Aoki, Orido und Taniguchi

Unterm Strich ist die Rennstrecke in den Bergen Japans aber Neuland für alle Beteiligten, wie Privatier Franz Engstler gegenüber 'Motorsport-Total.com' betonte: "Japan ist wohl für alle gleich, da hat nämlich keiner Erfahrungen." Doch zumindest Nicola Larini (Chevrolet) sowie die vier Lokalmatadoren Aoki, Kano, Orido und Taniguchi dürften über einschlägige Kenntnisse verfügen, wenn auch unterschiedlich ausgeprägt.

"Es gibt außerdem einige ganz enge Kurven. " Takayuki Aoki

"Wenn man Okayama mit Monza vergleicht, dann erkennt man, dass die japanische Strecke deutlich größere Höhenunterschiede hat", hielt Wiechers-Gaststarter Aoki im Gespräch mit 'Motorsport-Total.com' fest. "Es gibt außerdem einige ganz enge Kurven. Der Asphalt ist insgesamt viel ebener und es gibt deutlich weniger Bodenwellen als in Monza. Zusammenfassend lässt sich wohl sagen, dass es sich von Monza deutlich unterscheidet."

Auch Honda-Fahrer Taniguchi kennt die knapp vier Kilometer lange Strecke wie aus seiner Westentasche: "Auf diesem Kurs war ich diesem Jahr schon bei drei Rennveranstaltungen unterwegs", meinte der 40-Jährige, "und hatte dort schon eine Menge Testfahrten. Die Rennstrecke ist beispielsweise viel breiter als Monza. Im ersten Sektor haben wir einige Hochgeschwindigkeitsabschnitte, wohingegen der letzte Abschnitt einige sehr enge Kurven beinhaltet."

Ausführlicher Medieneinsatz vor der ersten Ausfahrt

"Es gibt viele knifflige Ecken, die ich glücklicherweise schon kenne. Ich bin schon sehr gespannt, wie sich die anderen Fahrer dort schlagen", sagte Taniguchi abschließend. "In Monza muss man mit den vielen Kerbs klarkommen und dabei braucht es sehr viel Fahrgefühl. Ich hatte nicht genug Zeit, um mich komplett darauf einzustellen. In Okayama gibt es nicht ganz so viele Kerbs - aber die kenne ich dafür ganz genau."

"Der 'Okayama International Circuit' hat etwas von allem", fügte Chevrolet-Fahrer Orido an und ging näher auf die Streckencharakteristiken des 3,7 Kilometer langen Kurses ein: "Es gibt zwei ziemlich lange Geraden, die alleine schon ein Drittel des Kurses ausmachen. Dann hat es dort noch einige schnelle Ecken, eine enge Haarnadel und ein technisches Infield", erläuterte der Japaner, dessen Wagen - wie schon in Monza - von Chevrolet Schweden eingesetzt wird.

"Erst einmal musst du herauskriegen, ob die erste Kurve nach links oder nach rechts geht." Rob Huff

Für die Neulinge auf dem 'Okayama International Circuit' gilt also zunächst: lernen. "Eine schwierige Aufgabe", kommentierte Chevrolet-Pilot Rob Huff das Einstudieren der Rennstrecke. "Erst einmal musst du ein Computerspiel finden und dann herauskriegen, ob die erste Kurve nach links oder nach rechts geht. Das wäre schon einmal ein Anfang. Youtube ist dabei auch immer sehr nützlich." Der Brite reiste schon frühzeitig nach Japan, um sich an die Zeitumstellung zu gewöhnen.

"Am Donnerstag werde ich an der Strecke ankommen und werde dann mit meinem Ingenieur erst einmal einen Spaziergang um den Kurs machen", erzählte Huff. "Vielleicht werde ich auch mit dem Fahrrad einige Runden drehen, um den Streckenverlauf zu lernen. Wir haben am Freitag eine Extrasession, die uns natürlich sehr gelegen kommt. Wir wollen dort auf alle Fälle gut aussehen und ein paar Punkte machen."

TV-Tipp:

Der Fernsehsender 'Eurosport' überträgt die Qualifikation sowie die beiden WM-Läufe live - für Frühaufsteher und Tourenwagenfans ein absolutes Muss! Um 9 Uhr zeigt der Sportsender am Samstag das 30-minütige Qualifying, die Übertragung für die Rennen beginnt am Sonntag um 6.15 Uhr beziehungsweise um 7.45 Uhr. Alle Sessions können zudem im Livestream verfolgt werden.