WRX-Champion Mattias Ekström: Das Weltmeister-Interview

WRX-Champion Mattias Ekström spricht im Interview über seinen Titelgewinn, die Party danach und erklärt, was die Rallycross-WM für ihn so besonders macht

(Motorsport-Total.com) - Nach zwei Meisterschaften in der DTM und Erfolgen in anderen Serien hat Mattias Ekström in dieser Saison mit dem Titelgewinn in der Rallycross-Weltmeisterschaft (WRX) seine Karriere gekrönt. Im exklusiven Interview mit 'Motorsport-Total.com' erklärt der Schwede, warum ihm dieser Titel so viel bedeutet und warum er nach dem Titelgewinn ausnahmsweise einmal zum "Feierbiest" wurde.

Titel-Bild zur News: Mattias Ekström

Mattias Ekström hat es geschafft: Rallycross-Weltmeister 2016 Zoom

Frage: "Mattias, Du warst zweimal DTM-Champion, jetzt bist du zum ersten Mal FIA-Weltmeister. Ist das etwas Besonderes für dich?"
Mattias Ekström: "Jeder, der mich kennt, weiß, wie viel Energie, Zeit, Geld und Ideen ich in den letzten drei Jahren da hinein gesteckt habe. Das war jede Menge Arbeit und daher auch sehr emotional. Wir haben das Zwischenziel nach drei Jahren erreicht, und das war eine große Freue und Erleichterung."

Frage: "Und dass die WRX eine FIA-Weltmeisterschaft ist, gibt das dem Ganzen für dich eine zusätzliche Bedeutung?"
Ekström: "Ich habe immer davon geträumt, dass ich einmal zu dieser FIA-Gala gehen darf. Als ich die Einladung von Jean Todt bekommen habe, hat mir das sehr viel bedeutet."

Frage: "Was bedeutet es, auch für dich, dass du auf dem Weg zum Titel nicht nur Konkurrenten geschlagen hast, von denen man weiß, dass sie gut Autofahren können, sondern auch richtige Legenden? Du hast unter anderem Sebastien Loeb und Petter Solberg in einem Rallyeauto geschlagen."
Ekström: "Es ist immer toll, gegen gute Fahrer zu fahren. Und die Gegner entscheiden ja auch darüber, was so ein Sieg wert ist. Hat man harte Gegner, hat der Sieg einen größeren Wert. Gegen schwache Gegner zu gewinnen, ist nichts Besonderes. Ich freue mich richtig, dass wir einen Loeb und Solberg bei uns haben, aber es gibt auch viele andere Fahrer, die sehr gut sind. Nicht nur die beiden."

Frage: "Wie war denn die WM-Party in Buxtehude? Man hört, dass du es da richtig hast krachen lassen?"
Ekström: "Es weiß wohl jeder, dass ich nicht der Partytyp bin. Aber ich habe eine Ausnahmegenehmigung bekommen, um dort zu fahren, und deshalb habe ich auch eine Ausnahme für die Party am Sonntagabend gemacht. Das gehört dazu zu diesem Ausnahmezustand."


Rallycross-WM 2016: Der Sasionrückblick

Ein Rückblick auf die zwölf Rennen der Rallycross-Weltmeisterschaft 2017 Weitere Rallye-Videos

Frage: "Wann bist du da ins Bett gekommen und erinnerst du dich noch an alles von diesem Abend?"
Ekström: "Ja, ja. Aber das war schon mehr, als ich jemals gemacht habe. Ich werde nie ein großer Trinker und Partylöwe sein, aber wenn es die Stimmung erlaubt, muss das schon sein."

"Ich werde nie ein großer Trinker und Partylöwe sein." Mattias Ekström

Frage: "Wo habt ihr gefeiert? Direkt an der Strecke?"
Ekström: "Wir waren in unserem Hotel."

Frage: "Und ist es beim Bier oder Wein geblieben oder ist auch ein Gläschen Schnaps dazugekommen?"
Ekström: "Ich habe die Sachen probiert, die mir alle angeboten haben, und damit war es auch erledigt."

Frage: "Ich werdet von Audi finanziell unterstützt, aber im Vergleich zu Peugeot Hansen zum Beispiel ist das eine relativ kleine Nummer. Bin ich da richtig informiert?"
Ekström: "Ich kenne die genauen Zahlen von ihnen nicht, aber Peugeot und Loeb haben das anders gemacht. Ich habe viel mehr von privater Seite investiert als die anderen Teams. Das habe ich von Anfang an akzeptiert und kann damit leben."

WRX-Projekt ohne private Investitionen nicht möglich

"Mit Geld kommt man sehr weit, aber alleine damit gewinnt man auch nicht. Ich habe großes Glück, dass ich so viele gute Menschen in meinem Team habe, von denen jeder in seinem Bereich sehr gut ist. Das ist auch sehr wichtig. Außerdem haben wir gute Partner, die uns mit anderen Dingen außer Geld geholfen haben. Eines steht aber fest: Ohne meine privaten Investitionen, wäre das auf keinen Fall möglich gewesen."

Mattias Ekström

Im Titelkampf schlug Ekström Legenden wie Sebastien Loeb und Petter Solberg Zoom

Frage: "Du sagst, dass einige Partner andere Dinge als Geld beigesteuert haben. Kannst du da ein Beispiel nennen?"
Ekström: "Es gibt Produktpartner. Ob sie nun die Teamkleidung liefern, damit man im Fahrerlage schick herumläuft, oder Komponenten, die die Leistung des Autos erhöhen."

Frage: "Du hast das Team vor allem aus Freunden und Leuten zusammengestellt, die du sehr gut kennst. Wie wichtig ist das deiner Meinung nach für den Erfolg des Teams?"
Ekström: "Die Einstellung ist das ein und alles. Wir haben Leute ausgesucht, die Weltmeister werden wollen, und die dafür auch jederzeit eine Stunde mehr arbeiten würden. Deshalb ist es auch etwas so Besonderes geworden. Meine Ansprüche an mich selbst sind hoch, aber meine Ansprüche an die Teammitglieder sind auch sehr hoch. Deshalb brauche ich Leute, die bereit sind, das zu machen."

Frage: "Du hast einmal gesagt, dass du nach deinem ersten Besuch mit deinem Vater beim Rallycross gemeint hast, dass dir dieses schmutzige Zeug gar nicht liegt. Deswegen bist du auf die Rundstrecke gegangen. Wann hat sich das geändert?"
Ekström: "Bis heute gar nicht. Schmutzig mache ich mich immer noch nicht gerne. Deshalb sind wir wahrscheinlich auch das sauberste Team im Fahrerlager. Ich fahre zwar gerne auf Schotter, mag es aber nicht, wenn es schmutzig und dreckig ist. Das wird sich nie ändern."

"Wir sind wahrscheinlich das sauberste Team im Fahrerlager." Mattias Ekström

Frage: "Wir würden dich im Rahmen dieses Interviews gerne auch ein wenig näher kennenlernen. Wie war deine Jugend mit einem Vater, der selbst Rallycross gefahren ist? Warst du ständig mit an der Rennstrecke?"
Ekström: "Nicht immer. Meine Schwester war einmal mit, dann wieder ich, bunt gemischt. Ich habe auch Fußball, Eishockey und Tennis gespielt, hatte aber auch andere Interessen. Irgendwann habe ich angefangen Go-Kart zu fahren, da war ich dann noch weniger mit vor Ort. Ich glaube, es war gut zu wissen, was das ist. Aber immer dabei zu sein, bringt auch nichts."

Rennfahren lange nur als Hobby

Frage: "Gab es in deiner Kindheit oder Jugend ein Schlüsselerlebnis, wo du gesagt hast: Jetzt will ich Rennfahrer werden?"
Ekström: "Ich habe nie gedacht, dass ich Rennfahrer werden kann, und anfangs war es ja auch nur ein Hobby. Als Profi habe ich mich erst gefühlt, als ich 2003 einen Vertrag als Werksfahrer von Audi bekommen habe. Ich war zwar schon viele Jahre für sie gefahren, aber ehe man einen offiziellen Vertrag mit Audi Sport und Dr. Ullrich (scheidender Audi-Motorsportchef; Anm. d. Red.) hat, ist man irgendwie nur ein halber Profi."

Frage: "Du bist ja schon viele Jahre Rennen gefahren, bevor du einen Werksvertrag bekommen hast. Gab es in dieser Zeit einen Plan B, von dem du gesagt hast: Das mache ich, wenn es mit der Profi-Karriere nicht klappt?"
Ekström: "Nein. Wenn man zwischen 18 und 20 ist, muss man ja nicht strategisch denken, sondern kann das Leben noch genießen."

Frage: "Interessant finde ich an deiner Karriere, dass du relativ früh in geschlossene Autos eingestiegen bist und im Gegensatz zu vielen anderen keine klassische Formelkarriere probiert hast. Wie kam das?"
Ekström: "Das ist relativ einfach: Wir hatten nicht die finanziellen Mittel dazu. Formelsport ist sehr teuer, da braucht man ein großes Budget, und diese Voraussetzung habe ich nicht gehabt. Deshalb habe ich gesagt: Wenn das nicht geht, ist mein Ziel, der beste Tourenwagenfahrer der Welt zu werden. So hat es dann angefangen."

Frage: "Das heißt, du hättest es grundsätzlich schon gewollt, aber es ging nicht?"
Ekström: "Nicht unbedingt. Ich war als kleiner Junge eher auf Rallyes fixiert und nicht auf Formelsport. Ich habe es 1994 probiert mit einer Schulung, aber es war nie mein richtiges Ziel. Und im Nachhinein muss man glaube ich sagen, war es besser so."

Frage: "Wenn man sich anschaut, was du schon alles gefahren bist, dann haben wir die DTM, jetzt bist du Rallycross-Weltmeister. Du warst beim Race of Champions sehr erfolgreich, NASCAR, 24 Stunden Nürburgring, V8-Supercars und dabei habe ich bestimmt noch etwas vergessen. Hat es dich nie gereizt, auch einmal ein Formel-1-Auto zu fahren? Und wenn dir jemand einen Test anbieten würde, hättest du Interesse?"
Ekström: "Das würde ich schon gerne probieren, aber ob das jemals stattfinden wird, ist die andere Frage."

Frage: "Hat es denn mal ein Angebot gegeben?"
Ekström: "Nein."

Frage: "Lass uns ein bisschen über die Entwicklung der Rallycross-WM sprechen. Ich war in diesem Jahr in Hockenheim, wo Rallycross gefühlt nur ein Beiwerk zur DTM war. Das ist bei anderen Events ganz anders, in Höljes zum Beispiel waren in diesem Jahr bis zu 80.000 Fans. Warum ist das in Deutschland nicht so?"
Ekström: "Weil es keinen deutschen Fahrer gibt. Ich glaube wenn Deutschland keinen Fahrer in der Formel 1 hätte, würde keiner wissen, was Formel 1 ist."

Mattias Ekström

Auch in der NASCAR-Serie schlug sich Mattias Ekström mehr als achtbar Zoom

Frage: "Aber du bist doch gefühlt ein halber Deutscher?"
Ekström: "Das finde ich nicht, denn die schwedische Fahne ist noch lange keine deutsche."

Frage: "Ich empfand in Hockenheim die Atmosphäre im WRX-Fahrerlager als ganz besonders. Da sind Peugeot, Audi und große Marken wie Monster vertreten, aber es ist trotzdem alles sehr familiär. Ist es nicht eigentlich das, was die Motorsportfans suchen?"
Ekström: "Ich glaube das hängt davon ab, wie man den Sport allgemein betreibt. Natürlich ist auch ein bisschen Politik im Spiel, weil die FIA mit im Boot sitzt, aber es sind viele Kleinigkeiten, die den Unterschied ausmachen und nicht eine große."

Fans schrauben am Auto des Weltmeisters

Frage: "In Lettland habt ihr im Rahmen einer Aktion zwei Fans als Mechaniker ins Team integriert. Wie muss ich mir das vorstellen? Arbeiten die dann voll am Auto mit?"
Ekström: "Bei Facebook gab es einen Wettbewerb, wo sich jeder mit einem Foto von sich mit einem Auto oder Werkzeug bewerben konnte. Und derjenige mit den meisten Likes hat den Platz bekommen."

"Der hat dann am Auto mitarbeiten dürfen, beispielsweise beim Reifenwechsel und die üblichen Arbeiten, die man an einem Rennwochenende hat. Natürlich nicht bei den Einstellungen des Motors oder Getriebes und so weiter, das ist etwas anderes. Sie durften also hautnah miterleben, wie das alles so läuft. Das haben wir zweimal gemacht, einmal in Norwegen und einmal in Lettland. Da unsere Autos recht seriennah sind, ist das auch gut zu machen. Es ist nicht eine Art Flugzeug wie ein DTM-Auto oder ein LMP."

Frage: "Sie durften also richtig mit anpacken?"
Ekström: "Ja, denn die Leute, die sich da beworben haben, hatten bereits einige Erfahrung mit der Arbeit an Autos und Leidenschaft für den Motorsport."

Frage: "Was mir in Hockenheim besonders gut gefallen hat, war der EKS-Friday (eine von Ekströms Team ausgerichtete Party; Anm. d. Red.). Ich mache sonst Formel 1, und da ist es vollkommen undenkbar, dass Leute von anderen Teams zu Partys von konkurrierenden Teams gehen. Gab es irgendjemanden von den anderen, der nie zum EKS-Friday da war?"
Ekström: "Keine Ahnung, das weiß ich nicht. Wir machen das eigentlich nur als Diskussionsforum und so. Ich finde, man muss trennen können zwischen Fahrerlager und Rennstrecke. Das eine gehört zu Arbeit, das andere nicht. Ich finde, das können wir im Rallycross ganz gut voneinander trennen."

Frage: "Auch das Racing ist in der WRX für die Fans sehr greifbar. Es geht direkt Motorhaube an Motorhaube zu, da wird auch richtig hart gefahren. In der DTM kritisieren die Fans oft, dass sie zu künstlich ist. Wie ist für dich als Fahrer das Racing im Rallycross im Vergleich zur DTM?"
Ekström: "Da ist ein gewaltiger Unterschied. Die Autos in der DTM setzen auf Leichtbau und halten nicht viel Berührung aus. Die Autos im Rallycross sind extra so gebaut, dass sie ein bisschen Kontakt aushalten. Dementsprechend fährt man ja auch."

Frage: "Am Wochenende von Buxtehude standest du ja vor der Wahl DTM oder WRX. Du hast dich dann für die WRX entschieden und das wohl auch nicht bereut. Wäre es ein Thema für dich, dich in den nächsten Jahren komplett auf die WRX zu konzentrieren?"
Ekström: "Da lasse ich mich überraschen, was kommt. Derzeit wird ja über die DTM und die Zukunft von Audi ja viel diskutiert. Momentan genieße ich es, Weltmeister zu sein. Die Entscheidung über meine Zukunft treffe ich ja nicht alleine, sondern zusammen mit Audi."

Frage: "Du hast schon angedeutet, dass sich in der DTM einiges verändert. Im nächsten Jahr gibt es beispielsweise nur noch 18 Autos. Ist deine Zukunft in der DTM für die nächsten drei Jahre sicher?"
Ekström: "Das kann man nie sagen, denn Audi entscheidet von Jahr zu Jahr, wer für sie fährt. Daher muss man immer um seinen Platz kämpfen. Deshalb gibt es keinen, der sicher dabei ist. Alles kann sich schneller ändern, als man denkt."