Wilson: "Viel hängt vom Promoter ab"

Kurz vor dem Saisonstart der neuen WRC-Saison nimmt Malcolm Wilson im Interview Stellung zu wichtigen Themen - Die FIA weiß genau, was sich die Hersteller vorstellen

(Motorsport-Total.com) - Die neue Rallye-Saison steht vor der Haustüre, doch noch gibt es einige Ungereimtheiten im Umfeld der WRC. Rein sportlich gesehen wird sich kommende Woche beim Auftakt in Monte Carlo das Duell zwischen Ford und Citroen fortsetzen. Ford hat sich nach dem Abgang von Mikko Hirvonen mit Petter Solberg verstärkt. Jari-Matti Latvala hat gegen Saisonende 2011 sein Talent untermauert. Malcolm Wilson, der Chef von M-Sport, hat sich im Vorfeld der berühmten "Monte" mit 'Motorsport-Total.com' unterhalten und zu wichtigen Themen Stellung genommen. Ford sieht der Brite für 2012 gut aufgestellt, aber die Situation der WRC ist nicht einfach. Viel hängt vom neuen Promoter ab.

Titel-Bild zur News: Malcolm Wilson

Malcolm Wilson hält viel von seinem Schützling Jari-Matti Latvala

Frage: "Speziell seit seinem Sieg in Wales ist Jari-Matti topmotiviert und strahlt Zuversicht aus. Er hat die Rallye du Var gewonnen und anschließend gab es Wintertests. Wie sind die Testfahrten und die Vorbereitungen für die neue Saison gelaufen?"
Malcolm Wilson: "Die Tests laufen derzeit noch. Jari testet heute (Donnerstag; Anm. d. Red.) erneut in Frankreich. Morgen wird Petter fahren. Generell sind die Tests sehr gut verlaufen. Speziell Jaris Form zu Saisonende war fantastisch. Wir bauen für beide Fahrer neue Autos für Monte Carlo auf. Es gibt zwar keine großen Veränderungen, sondern eher Detailarbeiten, die das Auto hoffentlich noch konkurrenzfähiger machen werden."

Frage: "Petter hat bereits getestet und er verfügt bekanntlich über sehr viel Erfahrung. Wie waren seine ersten Eindrücke vom Fiesta?"
Wilson: "Er hat einen sehr positiven Eindruck und meinte, dass der Motor sehr stark ist. Wir wollen, dass er die ersten beiden Rallyes mit dem gleichen Setup wie Jari fährt, damit er das Auto verstehen und kennenlernen kann. Dann werden wir darüber nachdenken, wie wir uns noch weiter verbessern können. Ich glaube, jetzt ist es wichtig, dass Petter einfach nur fährt und das Auto verstehen lernt, und wir nicht zu viele Änderungen vornehmen."

Frage: "Wie hat sich Petter ins Team integriert? Erst vor wenigen Wochen habt ihr ihn verpflichtet.
Wilson: "Wir sind sehr glücklich. Er war die letzten drei Tage in der Fabrik und hat alle Mitarbeiter kennengelernt. Er arbeitet gut mit allen zusammen und verfügt natürlich über viel Erfahrung. Hoffentlich sind wir vom Start weg in Monte Carlo ein starkes Team."


Fotos: Präsentation Ford Fiesta RS WRC


Frage: "Petter und Ford haben eine gemeinsame, kurze Vergangenheit. Das liegt aber schon mehr als zehn Jahre zurück. Jetzt beginnt ein neues Kapitel?"
Wilson: "Ich meine, das Leben geht weiter. Er war damals ein junger Fahrer. Seither hat er viel gelernt und auch einen Weltmeistertitel gewonnen. Er verfügt über viel Erfahrung, die er in unser Team einbringen kann."

Frage: "Im Vorjahr hat Ford lediglich drei Rallye gewonnen, aber ihr wart sehr oft knapp an weiteren Erfolgen dran. Der Abstand zu Citroen war oft sehr knapp. Habt ihr über den Winter etwas geändert, um Citroen und Sebastien Loeb zu schlagen?"
Wilson: "Wir sind stark in die Saison gestartet und haben beim Auftakt in Schweden das komplette Podium belegt. Wir waren immer konkurrenzfähig, aber es gab kleine Probleme und es gab auch Fahrfehler im Frühjahr. Es gab ein technisches Problem, an dem wir nichts ändern konnten bis wir die neuen Teile erhalten hatten. Als wir sie dann hatten, konnte jeder sehen, dass wir konkurrenzfähig sind."

"Im letzten Saisondrittel waren wir die schnellste Kombination. Hoffentlich können wir die neue Saison so starten, wie wir die alte beendet haben. Wir wissen, dass wir ein konkurrenzfähiges Paket und auch sehr schnelle Fahrer haben. Jari war im Vorjahr der schnellste Fahrer, denn er hat die meisten Prüfungsbestzeiten aufgestellt. Hoffentlich können wir die gewonnene Erfahrung aus dem Vorjahr gut umsetzen."

Situation der WRC für alle schwierig

Frage: "Wenn wir auf die nächste Woche blicken, dann gibt es noch viele Ungereimtheiten bezüglich des Promoters. Eurosport soll den Zuschlag bekommen haben, aber es ist noch nicht offiziell. Was denkst du über diese Situation?"
Wilson: "Es ist für alle eine schwierige Situation. Die Dinge entwickeln sich aktuell auch noch. Es scheint so, dass Eurosport sich um das Filmmaterial kümmern wird und die FIA wird viele der anderen Aspekte kontrollieren."

"Vier, fünf Wochen vor Weihnachten haben wir einen Fahrplan von North One Sports erhalten, mit dem alle Hersteller zufrieden waren. Die FIA weiß genau, was wir Hersteller uns vorstellen. Sie sind sehr bemüht, die Meisterschaft so schnell wie möglich dorthin zu bringen, wo sie sein sollte. Wir arbeiten mit der FIA zusammen und müssen sicherstellen, dass die WRC das bietet, dass sie bieten kann."

Petter Solberg

Petter Solberg ist der prominente Neuzugang im Ford-Werksteam Zoom

Frage: "Eurosport hat eine europaweite Fernsehplattform. Im Vorjahr wurden bei der Rallye Frankreich erstmals alle Prüfungen live im Internet übertragen. Welche Form der Übertragung hältst du für die Zukunft des Rallye-Sports für besser?"
Wilson: "Im Moment braucht die Weltmeisterschaft alles, weshalb es beide Formen benötigt. Ich glaube, mit dem Live-Streaming müssen wir noch warten. Es ist zunächst wichtig, dass die Bilder gemacht werden. Dann müssen wir alle Distributionskanäle nutzen, so wie sie North One hatte. Man muss natürlich auch die Kosten im Auge behalten, denn Live-Streaming ist sehr teuer. Je früher wir einen Promoter an Board bekommen, der bereit ist zu investieren - das ist meiner Meinung nach die Zukunft der WRC."

Frage: "Siehst du eine positive Zukunft für die WRC? In diesem Jahr wird in Argentinien an fünf Tagen gefahren. Viele Privatteams haben bereits angekündigt, dass sie dort nicht dabei sein werden, weil es zu teuer ist. Prinzipiell werden in Argentinien Ford und Citroen, sowie einige lokale Gaststarter antreten. Glaubst du, sind längere Rallyes ein Rezept für die Zukunft?"
Wilson: "Absolut nicht. Meiner Meinung nach ist das ein Rezept für ein großes Desaster. Keiner unserer Kunden will diese langen Rallyes fahren. Der Grund liegt einzig und allein in den Kosten. Wir müssen diesbezüglich vernünftig zusammenarbeiten. Die wirtschaftliche Situation ist nicht so wie früher. Wir müssen vernünftig sein und die Rallyes kompakter gestalten."

Frage: "Kris Meeke hatte vorgeschlagen, dass eine Rallye über zwei Tage gehen sollte und man auch die Nacht durchfährt, damit die Action kompakt und spektakulär ist."
Wilson: "Die aufregendste Rallye im Vorjahr war Jordanien und sie ist über zwei Tage gegangen. Das war einer der aufregendsten Rallyes überhaupt. Wir brauchen nicht den Langstreckenfaktor."

"Die aufregendste Rallye im Vorjahr war Jordanien und sie ist über zwei Tage gegangen." Malcolm Wilson

Frage: "Dafür gibt es die Dakar."
Wilson: "Ja."

Frage: "Du hast die Kunden von M-Sport angesprochen. Was könnte man tun, damit die Rallye-WM mehr Sponsoren anspricht und die finanziellen Probleme für Privatiers nicht so groß sind?"
Wilson: "Das hängt mit dem Promotor zusammen. Es steigt jetzt MINI ein und ab 2013 Volkswagen. Alleine das wird ein größeres Interesse generieren. Hoffentlich verbessert sich auch die ökonomische Situation und hoffentlich profitiert davon der Rallye-Sport."

Deutschland und Großbritannien in ähnlicher Situation

Frage: "Es gibt zwar die Rallye Deutschland, aber in der Öffentlichkeit ist Sebastian Vettel der große Star. Es gibt aber auch talentierte Nachwuchsfahrer, wie Hermann Gassner jun. zum Beispiel. Siehst du einen neuen Walter Röhrl kommen?"
Wilson: "Leider habe ich bis jetzt keinen gesehen. Wir haben in Großbritannien auch keinen neuen Colin McRae oder Richard Burns gefunden. Ich glaube, Deutschland befindet sich derzeit in einer ähnlichen Situation wie Großbritannien."

Frage: "Blicken wir auf die Rallye Monte Carlo in der nächsten Woche. Was erwartest du? Könnt ihr gewinnen?"
Wilson: "Aus unserer Sicht ist es wichtig, mit beiden Autos ins Ziel zu kommen und Punkte anzuschreiben. Wenn man ausscheidet, kann man nicht mehr in den Wettbewerb zurückkehren. Monte Carlo ist sehr knifflig, weshalb man sehr umsichtig sein muss. Es ist sicher nicht eine der Rallyes, wo wir den Sieg anpeilen. Dafür sind die übrigen zwölf Rallyes da. Monte Carlo muss man mit Respekt behandeln."

Frage: "Findest du es eine gute Idee, dass es in Monte Carlo keine SupeRallye gibt?"
Wilson: "Nein. Für die Privatfahrer ist das sehr schlecht. Wenn man einen Sponsor hat, kann man zumindest noch einige Punkte holen, oder zumindest ins Ziel kommen. Außerdem ist es auch schlecht für die Nachwuchsfahrer, die wir entwickeln wollen. Wenn man eine Rallye nicht zu Ende fahren kann, gewinnt man auch keine Erfahrung. In der WRC geht es um Erfahrung."