• 02.05.2016 12:12

Porsche: Spannung vor der Le-Mans-Generalprobe

Vorfreude bei den Fahrer, gespannte Erwartung bei den Ingenieuren: Porsche will sich beim WEC-Lauf in Spa stark in Szene setzen

(Motorsport-Total.com) - Fahrer lieben ihre Kurven, Fans begeistert die Atmosphäre, Ingenieure verzweifeln an ihrem Streckenprofil: Auf der Rennstrecke von Spa-Francorchamps geht am Samstag, dem 7. Mai, die Langstrecken-Weltmeisterschaft (WEC) in ihre zweite von neun Runden. Das Sechsstundenrennen auf der spektakulären Naturrennstrecke gilt gemeinhin als Generalprobe für die 24 Stunden von Le Mans (18./19. Juni). Denn auch auf dem belgischen Kurs mit den langen Volllastpassagen wird mit wenig Abtrieb gefahren. Die aerodynamische Auslegung der Fahrzeuge spielt eine entscheidende Rolle und ist ein Zwitter zwischen den Auslegungen für Silverstone (hoher Anpressdruck) und Le Mans (minimaler Luftwiderstand).

Titel-Bild zur News: Timo Bernhard, Mark Webber, Brendon Hartley

Nach dem Sieg am grünen Tisch will Porsche in Spa auf der Strecke gewinnen Zoom

Beim Saisonauftakt in Silverstone hatte sich gezeigt, dass die Le-Mans-Prototypen der Klasse 1, zu denen der Porsche 919 Hybrid gehört, trotz acht Prozent weniger Kraftstoff pro Runde keineswegs langsamer geworden sind. Die schnellste Rennrunde von Neel Jani lag gut eine halbe Sekunde unter der Bestmarke des Vorjahres und sogar knapp zwei Sekunden unter der besten Porsche-Rundenzeit von 2015.

Das Porsche-Trio Romain Dumas, Jani und Marc Lieb reist als Tabellenführer in der Fahrer-Weltmeisterschaft nach Spa und will diese Position mindestens verteidigen, lieber noch ausbauen. Der Schwester-Porsche mit den amtierenden Weltmeistern Timo Bernhard, Brendon Hartley und Mark Webber war in England mit 45 Sekunden Vorsprung in Führung liegend durch einen Unfall ausgeschieden und will nun dringend aufholen.

"Beide Autos waren siegfähig", sagt LMP1-Leiter Fritz Enzinger, "aber bei beiden gab es Zwischenfälle auf der Strecke. In Spa wollen wir wieder ein so gutes Paket an den Start bringen. Dabei stellt der Kurs andere Ansprüche, wodurch sich die Konkurrenzsituation im Feld verschieben kann. Wir müssen das Potenzial des 919 Hybrid ausschöpfen, beide Autos ins Ziel bringen und möglichst viele Punkte mitnehmen."

Teamchef Andreas Seidl erklärt: "Die Fahrzeugauslegung für die gut sieben Kilometer lange Berg- und Talbahn in Spa ist immer ein Abwägen zwischen ausreichend Anpressdruck in den schnellen Kurven und geringem Luftwiderstand auf den langen Vollgasabschnitten. Bei unserem Dauertest im spanischen Aragon haben wir vergangene Woche erstmals die Aerodynamik für Le Mans ausprobiert und werden nun in Spa Komponenten davon einsetzen. Hinsichtlich Zuverlässigkeit und Mannschaftstraining verlief der 30-Stunden-Test positiv, sodass wir uns auch für den zweiten WM-Lauf gerüstet fühlen."


Der WEC-Saisonauftakt 2016 in Silverstone

Der vermeintliche Audi-Sieg, der unheimliche Abflug von Brendon Hartley (Porsche) und die Jubelszenen nach dem Rennen

Porsche-Stimmen vor dem Rennen in Spa:

Timo Bernhard: "Ich habe ein gutes Gefühl, auch weil unser Test in Spa im März sehr gute Ergebnisse brachte. Die Strecke ist toll. Die berühmteste Stelle ist natürlich Eau Rouge. Wenn man in diese Senke reinsticht, spürt man die Kompression und die Kurve baut sich wie eine Wand vor einem auf. Das ist Adrenalin pur auf jeder Runde. Fahrtechnisch mag ich den Mittelsektor ganz besonders. Dort muss man die Kurvenkombinationen richtig lesen, um das Auto optimal zu positionieren."

Brendon Hartley: "Ich freue mich sehr auf Spa. Erstens, weil ich die Strecke mag, zweitens weil sie unserem 919 liegt und drittens, weil ich dort die Chance habe, mit einer guten Leistung den Silverstone-Unfall abzuhaken. Auto Nummer 1 hat noch keine Punkte auf dem Konto. Aber ich bin zuversichtlich, dass unsere Titelverteidigung in Spa richtig ins Rollen kommt."

Mark Webber: "In Silverstone waren wir stark und hätten siegen können. In Spa ist jedoch eine deutlich andere Fahrzeugabstimmung gefordert, wir müssen sehen, wo wir dann im Vergleich zu unseren Gegnern stehen. Auch wird es wieder darum gehen, sich durch den Verkehr zu schlängeln. Spa hat sehr viel Charakter und ist einer meiner Lieblingskurse. Die Hügel um die Strecke vermitteln in einigen Passagen ein tolles Gefühl für die Geschwindigkeit. Die Runde ist lang und kann sehr unterschiedliche Bedingungen in verschiedenen Abschnitten parat halten. Das Wetter in den Ardennen, wo sich ein eigenes Mikroklima bilden kann, ist oft tückisch. Unter Umständen fährt man aus einer trockenen Boxengasse und trifft anderswo auf Regen."

Hartley

In Silverstone sorgte Brendon Hartley mit diesem Abflug für Schlagzeilen Zoom

Romain Dumas: "Im vergangenen Jahr haben wir den Sieg in Spa verpasst. Es wäre schön, das jetzt nachzuholen. Ich erinnere mich noch gut, wie schön es ist, in Spa ganz oben auf dem Podium zu stehen, auch wenn es jetzt schon 13 Jahre her ist, dass ich mit Marc Lieb den Gesamtsieg beim 24-Stunden-Rennen geholt habe. Wir müssen ganz ruhig unser Rennen durchziehen und dürfen uns keine Fehler erlauben. Das ist allerdings leichter gesagt als getan."

Neel Jani: "Unser Test in Spa im März war gut, aber da fuhren wir mit einem anderen Aerodynamikpaket. In Spa werden alle drei LMP1-Hersteller mit neuen Aero-Konfigurationen für weniger Abtrieb fahren, und das könnte die Karten komplett neu mischen. Da sind auch Überraschungen möglich, und das Feld lag schon in Silverstone sehr dicht beisammen."

Marc Lieb: "Ich kann meine Rennen in Spa kaum noch zählen. Ich hatte dort Klassen- und Gesamtsiege beim 24-Stunden-Rennen und anderen Einsätzen, 2014 haben wir dort die erste Pole-Position für den 919 Hybrid geholt, im vergangenen Jahr standen wir als Zweitplatzierte auf dem Podium. In Spa zu fahren, ist immer klasse. Die Strecke ist ein Knaller und für mich nach Le Mans das Saisonhighlight. Außerdem ist die deutsche Grenze sehr nah, und ich freue mich auf viele Zuschauer aus der Heimat."