• 20.06.2013 19:36

  • von Roman Wittemeier

Audi vs. Toyota: Nur im Qualifying so eindeutig?

Audi überzeugt mit starken Rundenzeiten an der Sarthe, Toyota hofft auf gute Konstanz im Rennen: Beide Hersteller mit Siegchancen in Le Mans?

(Motorsport-Total.com) - Nach den Ergebnissen des Vortests und der ersten Sessions in Le Mans gilt Audi als klarer Favorit auf den Sieg beim Jubiläumsrennen an der Sarthe. Die Ingolstädter konnten die Konkurrenz von Toyota in allen Trainings um rund vier Sekunden distanzieren. "Die Zeiten sehen nett und eindeutig aus. Es gab gewisse Überraschungsmomente", freut sich Audi-LMP1-Projektleiter Chris Reinke im Gespräch mit 'Motorsport-Total.com'. "Wenn man sich die Zeiten mal im Vergleich zum Vorjahr anschaut, dann hatten wir das so nicht erwartet."

Titel-Bild zur News: Anthony Davidson, Sebastien Buemi, Stephane Sarrazin

Am Toyota mit der Startnummer 8 gab es am Mittwoch technische Probleme Zoom

2012 hatte der Abstand zwischen den beiden LMP1-Werksteams in den ersten Trainings bei rund zwei Sekunden gelegen. Audi konnte zulegen, Toyota blieb bezüglich Rundenzeiten nahezu auf der Stelle stehen. "Wir sind dort, wo wir uns erwartet hatten. Wenn ich von Überraschungen spreche, dann meine ich die Relation zum Wettbewerber. Der Abstand überrascht uns wirklich", betont Reinke noch einmal. Der erfahrene Ingenieur mahnt jedoch: "Die Standortbestimmung wurde bei durchwachsenen Wetterbedingungen gefahren."

"Wir müssen schneller sein, denn wir müssen häufiger zum Tanken. Eine bessere Performance ist die Grundvoraussetzung dafür, überhaupt in den Kreis der Siegkandidaten zu kommen", erklärt Reinke. "Wir sehen noch nicht das realistische Bild. Toyota ist erfahrungsgemäß im Rennen immer näher dran", ergänzt Lucas di Grassi. "Im Qualifying in Spa war ich beispielsweise drei Sekunden schneller als der beste Toyota. Im Rennen waren sie plötzlich dran. Das ist nichts Neues. Deren Hybridsystem hilft im Rennen, die werden auch schneller, wenn sich die Strecke entwickelt. Wir müssen das so hinnehmen. Wir müssen auf uns selbst schauen und zusehen, dass wir unsere Autos möglichst perfekt hinbekommen."

Durchbricht Audi die 3:20-Minuten-Marke?

In den Audis steckt offenbar noch mehr Potenzial. "Meine persönliche Erwartung ist, dass wir bei guten Streckenbedingungen noch etwas zulegen können", sagt Reinke vor den beiden letzten Qualifikationsdurchgängen. "Nur wenn die Strecke trocken und sauber, die Runde frei ist, dann darf man vielleicht mal von Rundenzeiten unter 3:20 Minuten träumen - aber wirklich nur dann, wenn alles passt." Die bisherige Bestzeit des Jahres hatte Loic Duval (Audi) am Mittwoch in 3:22.349 Minuten gesetzt.

Tom Kristensen, Allan McNish

Audi bestimmte das Tempo in allen bisherigen Sessions in Le Mans Zoom

"Im Rennen wird es sich ein bisschen verschieben", erklärt Toyota-Pilot Alexander Wurz. Im Lager der Japaner ist man nicht sorgenfrei, aber auch nicht panisch. "Audi hat im Vergleich zum Vorjahr etwa 20 Prozent höheren Verbrauch. Das haben sie in Leistung umgesetzt", sagt der Österreicher. Konsequenz: Audi muss öfter tanken als Toyota. "Das könnte sich im Rennen summieren. Ob es genug ist, dass wir für den Rennsieg in Betracht kommen, kann man jetzt noch nicht beantworten. Das wissen wir noch nicht."

"Audi ist Favorit, die haben einen Performancevorteil", stellt Wurz vor dem 90-jährigen Jubiläum des Langstreckenklassikers klar. "In den Kurven sind wir etwa gleich schnell, beim Bremsen haben wir leichte Vorteile, die Audis sind gut bei Richtungswechseln und über Bodenwellen. Unter dem Strich fehlt uns aber vor allem vom zweiten bis zum sechsten Gang die Beschleunigung. Da fehlt es an Motorleistung." Überraschend in diesem Zusammenhang: beim Top-Speed liegt Toyota nur rund zwei km/h zurück.

Zwölf Runden pro Stint: Möglich, aber auch sinnvoll?

"Vier Sekunden Abstand sind vielleicht etwas zu viel. Im Qualifying könnte der Abstand bei zweieinhalb bis drei Sekunden liegen. Im Rennen wird es interessant", sagt Toyota-LMP1-Entwickler John Litjens. "In Spa haben wir im Rennen gesehen, dass der Audi und unser 2013er-Toyota nahe beisammen waren. Da waren wir vielleicht sogar etwas schneller. Im Qualifying kann Audi womöglich ein Mapping fahren, das für ein ganzes Rennen vielleicht nicht geht. Der zweite Faktor sind die Reifen."

Die Japaner mit Standort in Köln (TMG) können das Rennen nicht über schieren Speed, sondern höchstens über Effizienz und Konstanz gewinnen. Es besteht die Hoffung, dass man nach der jüngsten Anpassung der Einstufungen (drei Liter mehr Benzin für Toyota) nun zwölf Runden pro Stint schaffen kann. "Das hängt auch von den Bedingungen ab", sagt Litjens. "Anfangs haben wir gedacht, dass drei Liter überhaupt nicht reichen werden."


Fotos: 24 Stunden von Le Mans


"Im vergangenen Jahr hatten wir 11,2 Runden, somit würde es also auch mit drei Litern mehr nicht für eine zwölfte Runde reichen. Wir können aber natürlich in den Sparmodus gehen. Dann verlieren wir allerdings Performance", so der Niederländer. "Das macht man über Mappings und über die Fahrweise. Das Gemisch wird etwas weniger fett, die Fahrer werden gebeten, mal etwas früher vom Gas zu gehen." Theoretisch sind zwölf Runden also möglich. Aber ist eine solche Fahrt auch sinnvoll und zielführend?

"Wir wissen immer noch nicht genau, welches der schnellere Weg sein wird", gibt Wurz offen zu. "Das müssen wir in den beiden letzten Zeittrainings klären. Dort werden wir nur Longruns fahren, um die entsprechenden Antworten zu bekommen. Wir haben noch kein klares Bild bezüglich Performance des Autos, Performance der Reifen und dem Spritverbrauch." Die letzten Antworten zu finden, wird womöglich schwierig, denn für die beiden verbleibenden Qualifyings ist Regen angesagt.