• 07.05.2013 10:23

  • von Roman Wittemeier

Wettrüsten in der WEC: Angeblasener Diffusor im Audi

Audi folgt einem Formel-1-Trend: Im herkömmlichen R18 wird der Diffusor angeblasen, im Langheck nicht - Toyota hat System getestet, aber verworfen

(Motorsport-Total.com) - Im Kampf um Erfolg auf der Langstrecke spielen drei Faktoren eine wichtige Rolle: Antriebseffizienz, Zuverlässigkeit und Aerodynamik. Die beiden Hersteller Audi und Toyota haben in diesen Bereichen über den vergangenen Winter viel Arbeit verrichtet. Der neueste Trend stammt aus der Formel 1. Audi agiert seit Jahresbeginn mit einem angeblasenen Diffusor. Die Abgase im R18 e-tron quattro werden im Heck seitlich auf die Bodenplatte geleitet.

Titel-Bild zur News: Audi R18 blown diffusor

Ein Foto, das für Aufsehen sorgte: Die Führung der Abgase zur Bodenplatte Zoom

"Es ist ein System, das jenem aus der Formel 1 ähnlich ist. Die Philosophie ist ein wenig anders, aber auch bei uns gibt es eine Entwicklung, bei der die Abgase für einen aerodynamischen Effekt genutzt werden", erklärt Audi-WEC-Projektleiter Chris Reinke. Der Abgasstrom soll den Diffusor quasi seitlich abdichten, um den Effekt im Zentrum zu erhöhen und die Luft unter dem Fahrzeug zu kanalisieren. Die große Frage ist, wie Audi den Abgasstrom im Schleppbetrieb zumindest ein wenig aufrecht erhält. Von offizieller Seite sind verständlicherweise keine Informationen zu Mappings und Details zu bekommen.

Vor allem in den Bremszonen, in denen die Rekuperation des Hybridsystems stattfindet, wäre ein konstanter Abtrieb an der Hinterachse äußerst wichtig. Sollte der Diffusor in solchen Phasen nicht mehr angeblasen werden, der Abtrieb am Heck also deutlich reduziert sein, würde dies eine verstärkte Nickbewegung des Autos nach sich ziehen - ein Effekt, den sich niemand wünscht. In Spa-Francorchamps war das System in den beiden herkömmlichen R18 verbaut (Startnummern 1 und 2), am neuen Langheck-R18 jedoch nicht. Der angeblasene Diffusor kommt offenbar nur abseits von Le Mans zum Einsatz.

Foto offenbart interessante Einblicke

Als im Rahmen des WEC-Wochenendes ein Foto die Runde machte, das den angeblasenen Diffusor im Heck des R18 zeigte, schaute die Konkurrenz von Toyota ganz genau hin. "Es ist nicht so, dass wir nicht auch so etwas hätten. Aus verschiedenen Gründen setzen wir es nicht ein", erklärt Alexander Wurz. "Wir haben mit einem solchen System seit dem vergangenen Jahr und im gesamten Winter viele Tests absolviert. Wir sind aber offenbar zu anderen Ergebnissen gelangt, oder wir haben andere Schlüsse daraus gezogen", ergänzt TMG-Technikchef Pascal Vasselon auf Nachfrage von 'Motorsport-Total.com'.

"Ich kann da nicht ins Detail gehen. Eine Kombination von verschiedenen Details hat uns dazu gebracht, wieder Abstand davon zu nehmen", meint der Franzose. In der Formel 1 hatten viele Teams mit Überhitzung von Bauteilen und einem erheblich erhöhten Verschleiß der hinteren Reifen zu kämpfen. "Die Zuverlässigkeit bekommt man in den Griff. Eines der großen Probleme ist, das passende Maß zwischen Zugewinn bei der Aerodynamik und der höheren Belastung für die Hinterreifen zu finden", sagt Vasselon.

R18 Langheck Auspuff

Im Langheck-R18 werden die Abgase seitlich nach oben weggeführt Zoom

Bei Toyota brachte der angeblasene Diffusor nicht den erwünschten Performance-Zuwachs, bei Audi offenbar schon. Darüber wundert man sich im Lager der Japaner. "Eigentlich müsste man annehmen, dass bei einem hochdrehenden Benzinermotor die Vorteile größer sind, denn es steckt viel mehr Energie in dem Abgasstrom", erklärt der TMG-Technikchef. Bei Toyota wurde im Rahmen von Tests mit einem solchen System unter anderem deutlich, dass der Verbrauch erheblich höher war.

In Le Mans kein angeblasener Diffusor

Genau dies scheint Audi kaum zu stören. Die Ingolstädter nehmen Nachteile bei der Verbrauchseffizienz in Kauf. Beispiel: In Silverstone 2012 konnte Audi mit einer Tankfüllung deutlich länger fahren als Toyota, in diesem Jahr war dies genau umgekehrt. Auch in Spa-Francorchamps mussten die R18 stets früher zum Stopp. "Unter dem Strich glaube ich nicht, dass es ein großer Schritt ist. Das größte Kompliment muss man der Motorenabteilung bei Audi machen. Die haben mächtig Power zugelegt", fasst Wurz zusammen.

In diesen Tagen dürfte der angeblasene Diffusor kaum im Zentrum des Interesses stehen. Das nächste Rennen ist Le Mans. Dort ist weniger Abtrieb, dafür umso mehr Topspeed gefragt - klare Argumente gegen ein solches System. Allerdings wird es bei den folgenden WEC-Rennen wieder ein Thema werden. Kein anderes System bietet so deutlichen Abtriebszuwachs ohne Erhöhung des Luftwiderstandes. Dies wird anhand von Zahlen aus der Formel 1 deutlich.


Fotos: WEC in Spa-Francorchamps, Girls


Wie ein erfahrener Aerodynamiker aus der Königsklasse gegenüber 'Motorsport-Total.com' erklärte, werden rund 20 Prozent des gesamten Abtriebs eines Formel-1-Autos allein durch den angeblasenen Diffusor generiert. "Ein gutes Auto hat heutzutage 500 bis 550 Abtriebspunkte. Über 100 Punkte kommen allein vom anblasen des Diffusors", sagt der Techniker, der nicht namentlich genannt werden möchte. Auf Strecken wie Interlagos, Austin, Bahrain und Co. wird Audi somit kaum auf das System verzichten können, möglicherweise wird auch Toyota noch umdenken.