• 22.06.2012 13:45

Treluyer: "Will ich nächsten Jahr ein drittes Mal gewinnen"

Audi-Pilot Benoit Treluyer schildert seine Gedanken und Gefühle auf dem Weg zu seinem zweiten Le-Mans-Sieg in Folge und die Freude danach

(Motorsport-Total.com) - Benoit Treluyer holte sich bei der diesjährigen Ausgabe der 24 Stunden von Le Mans gemeinsam mit seinen Audi-Teamkollegen Andre Lotterer und Marcel Fässler seinen zweiten Sieg in Folge beim Langstreckenklassiker. Für den Franzosen war der Triumph am Steuer des R18 e-tron quattro nicht nur angesichts des ersten Hybrid-Sieges an der Sarthe etwas Besonderes.

Titel-Bild zur News: Andre Lotterer, Benoit Treluyer, Marcel Fässler

Treluyer (Mitte) siegte mit Lotterer und Fässler nach 2011 erneut in Le Mans

Im Interview spricht Treluyer über seine Erlebnisse und Gedanken auf dem Weg zum zweiten Le-Mans-Sieg in Folge und die Freude, nachdem der Triumph unter Dach und Fach war.

Frage: "Benoit, mit welchem Gefühl kehrtest du in diesem Jahr nach Le Mans zurück?"
Benoit Treluyer: "Obwohl der Testtag im Vorfeld nicht zur Le-Mans-Woche an sich gehört, zählt er für mich dennoch zum Event. Ich war seit dem Sieg im Jahr 2011 nicht mehr an der Strecke, aber als ich das Gelände betrat, zitterte ich. Es war ein Zittern vor Freude. Ich hoffe, das wiederholt sich im Jahr 2013."

Frage: "Wie verlief die technische Abnahme am Montag vor dem Rennen?"
Treluyer: "Mir war vorher nicht klar, auf welche Art und Weise mich die Fans als einen der amtierenden Sieger begrüßen würden. Jetzt weiß ich, dass ein Le-Mans-Sieg einen großen Unterschied macht. Vorher war ich höchstens in Kreisen der Motorsportfans bekannt. Diesmal wurde mir eine wesentlich breitere Anerkennung zuteil. Ich hatte es vorher noch nie erlebt, dass die Fans meinen Namen skandieren. Ich mag die Verbindung zu anderen Menschen, zu den Fans. Mir liegt aber nichts daran, berühmt zu sein - im Gegenteil. Fernsehauftritte sind nicht meine Welt. Von so etwas habe ich nie geträumt. Es ist aber toll zu sehen, wie mich die Fans auf unterschiedlichste Art und Weise mit Zuschriften und Nachrichten unterstützen."


Fotos: Audi Sport, 24 Stunden von Le Mans


Frage: "Wie beurteilst du das Qualifying, in dem ihr die Pole-Position herausgefahren habt?"
Treluyer: "In diesem Jahr war die Aufteilung bei uns im Auto eine andere. Ich war für das Basissetup verantwortlich, bevor Andre der erste von uns war, der mit einem neuen Reifensatz auf die Strecke ging. Da er schnell unterwegs war, entschieden wir, ihn im Auto sitzen zu lassen. Im vergangenen Jahr fuhr ich die Pole-Runde. Diesmal wollte sich Andre das nicht nehmen lassen. Er liebt einfach das Qualifying und die Herausforderung, alles in die Waagschale zu werfen. Marcel und ich hatten nie Zweifel, außer vielleicht als Loic (Duval im Audi R18 ultra; Anm. d. Red.) seine Rundenzeiten nach unten schraubte. Zu dieser Zeit hatten wir nicht die richtigen Reifen drauf und waren etwas beunruhigt, denn er war sehr schnell. Natürlich ist die Pole-Position in Le Mans nicht das Wichtigste, aber im Eifer des Gefechts willst du natürlich haben, was du kriegen kannst. Schließlich erlagen wir der Verlockung."

Ruhe vor dem Sturm am Freitagabend

Frage: "Wie hast du die Stunden vor dem Rennen - die Ruhe vor dem Sturm - verbracht?"
Treluyer: "Am Freitagabend nach der Fahrerparade trafen sich alle Audi-Fahrer mit ihren Frauen und Kindern im Restaurant des Hotels. Das war ein sehr freundschaftlicher und toller Moment. Für eine kurze Zeit vergaßen wir sogar den Gedanken an das Rennen und genossen das Beisammensein. Dr. Ullrich saß am Nachbartisch. Ich glaube er war in diesem Moment glücklich, seine Fahrer als Komplizen zu sehen. Das Beisammensein passte perfekt zu seiner Philosophie und den Werten, die ihm im Rennsport wichtig sind. Es klingt vielleicht belanglos, aber für mich war dieser Moment einer der eindrücklichsten des gesamten Le-Mans-Events in diesem Jahr."

Frage: "Wie hast du das Prozedere vor dem Start am Samstag erlebt?"
Treluyer: "Die Mechaniker schoben die Autos auf die Strecke, während die Fahrer zum Gruppenfoto antraten. Dann wurden die Autos in ihre schrägen Startpositionen geschoben, was dieses nostalgische Gefühl aufkommen ließ. Schließlich gab es noch ein paar letzte Umarmungen und eine letzte Gelegenheit, die Kollegen aus den anderen Teams zu sehen. All das zusammen verleiht dir jedesmal eine Gänsehaut."

Sonntagmorgen-Stint entscheidend

Frage: "Wie verlief der Stint am Sonntagmorgen?"
Treluyer: "Das war der im Moment im Rennen, als ich wirklich alles gab. Bis dahin hatte ich mich an den Rat meines ehemaligen Teamchefs Henri (Pescarolo; Anm. d. Red.) gehalten, der da lautet, das Auto in einem guten Zustand seinen Teamkollegen zu übergeben. Während der Nacht stellte sich unsere Reifenwahl als etwas zu konservativ heraus, deshalb waren meine Rundenzeiten nicht die besten. Als ich dann am Morgen wieder ins Auto stieg, war es Zeit anzugreifen. Im vergangenen Jahr verfolgten wir exakt dieselbe Strategie und sie sollte sich auch diesmal als richtig erweisen. Als Allan (McNish im zweiten Audi R18 e-tron quattro; Anm. d. Red.) abflog, fragte ich mich kurz, ob ich es mit dem Attackieren wohl übertrieben hätte. Ich war sehr froh, als ich dann die Nachricht erhielt, dass er okay ist und der Audi mit der Startnummer 2 weiterfahren konnte."

Frage: "Was ging dir nach dem Sieg auf dem Podium durch den Kopf?"
Treluyer: "Im Jahr 2010 stand ich erstmals auf dem Podium. Genau wie in diesem Jahr war es damals ein Dreifachsieg für Audi. Ich war damals überglücklich, obwohl wir nur Zweiter wurden. Im Jahr 2011 schaften wir nach einem tollen Duell gegen Peugeot unseren ersten Sieg. Es ging auch da sehr emotional zu, war aber ganz anders als im Jahr zuvor. In diesem Jahr hatten wir wieder drei Audi-Teams auf dem Podest und wir standen auf der obersten Stufe. Die Freude ist immer noch genauso groß, vielleicht etwas weniger nach außen hin sichtbar."

"Trotz der Abwesenheit von Peugeot erlebten die Fans eine tolle Show. Das Duell, das bis zur Zieldurchfahrt andauerte, unterstrich den Sportsgeist bei Audi nachhaltig. Auf dem Podium dachten Andre, Marcel und ich auch an unsere Freunde Guillaume Moreau und Anthony Davidson, die bei der 80. Ausgabe die Brutalität der 'Alten Dame' zu spüren bekamen. Wir wünschen beiden eine schnelle Genesung und freuen uns schon darauf, sie bald wieder auf der Strecke zu sehen. Was mich betrifft, so will ich im nächsten Jahr ein drittes Mal gewinnen."