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  • 29.03.2012 15:50

  • von Roman Wittemeier

Audi: Die wichtigen Hybrid-Erkenntnisse

Audi und der Test-Dauerlauf in Sebring: Fahrer stellen sich auf Hybridauto ein, Motorenchef würde gern noch einmal einen Benziner bauen

(Motorsport-Total.com) - Audi ist perfekt in das Rennjahr 2012 gestartet. Beim Debüt der neuen Langstrecken-Weltmeisterschaft (WEC) konnten die Ingolstädter auf Anhieb einen ungefährdeten Doppelsieg verbuchen. "Als ich am Rennende auf die Zielgerade einbog und endlich sicher war, dass wir gewinnen würden, da war es viel mehr als nur der Jubel über den Sieg in Sebring. Wir konnten damit endlich all die Probleme von 2011 hinter uns lassen", sagt Allan McNish im Videomagazin 'Shakedown'.

Titel-Bild zur News:

Audi absolvierte nach dem Sebring-Rennen einen ausgiebigen Test

Für den Schotten und seine Audi-Kollegen war die Arbeit nach der Triumphfahrt allerdings noch lange nicht erledigt. Das Sebring-Rennen bestritt man in einer überarbeiteten Version des 2011er-R18 TDI, am Montag nach dem WEC-Lauf ging die Testarbeit weiter, unter anderem mit dem neuen R18 e-tron quattro - dem Hybridauto aus Ingolstadt. Weitere vier Tage lang war der Hersteller in Florida unterwegs, man gewann wichtige Erkenntnisse.

Die Piloten hatten sich in den vergangenen Jahren immer wieder umstellen müssen. Der ACO hatte die kräftigen Diesel-Prototypen immer weiter eingebremst, was sich auch auf den erforderlichen Fahrstil auswirkte. Mit abnehmender Leistung mussten die Einsatzfahrer immer mehr auf einen Formel-3-Fahrstil zurückgreifen, also möglichst viel Tempo mit durch die Kurven nehmen. Mit der Hybridtechnik ändert sich dies womöglich wieder, denn es gibt ab Tempo 120 km/h kräftigen Extraschub.

"Nehmen wir mal Kurve 13 in Sebring", beschreibt McNish. "Das ist eine schwierige Ecke, weil man beim Anbremsen bereits etwas lenkt. Das Heck ist dadurch etwas entlastet. Dann geht es von Asphalt auf Beton und wieder zurück auf Asphalt. Zu Beginn hast du also Grip, dann fängt das Auto zuerst an der Front und dann am Heck an zu rutschen. Dann kommst du wieder auf den Asphalt und hast plötzlich Grip."

Der Fahrstil wird zackiger

"An der Innenseite ist ein teuflischer Randstein. Du musst innen den Grip mitnehmen, aber darfst den Randstein nicht treffen, weil das Auto sonst versetzt. Es passiert in dieser Kurve dermaßen viel", so der Schotte. "In dieser speziellen Kurve muss ich nun gerade anbremsen, stärker hineinziehen und eher wieder beschleunigen. Nur so kann ich den zusätzlichen Schub am Ende der Kurve vernünftig einsetzen. Sonst hat man immer versucht, möglichst viel Speed mit durch die Kurve zu nehmen."


Fotos: Audi-Testfahrten in Sebring


"Dies ist kein Maßstab, es gilt sicherlich nicht für jede Kurve auf jeder Strecke. Aber diese Erfahrungen zeigen einfach, welchen Lernprozess wir gerade durchlaufen", sagt McNish, der sich auch in diesem Jahr bei den großen Rennen das Auto mit Tom Kristensen und Dindo Capello teilen wird. "In Spa oder in Le Mans mag alles wieder anders aussehen, aber diese Erfahrungen haben wir erstmal in unseren Köpfen gespeichert."

Ob es im Rahmen des 12-Stunden-Dauerlaufs in Sebring, der unter anderem auf dem Programm stand, technische Probleme gab, ist nicht bekannt. Aber Beobachter liefern interessante Details. So soll der Hybrid-R18 auf eine Rundenzeit von 1:44.8 Minuten gekommen sein. Das wäre eine satte Sekunde schneller als die Pole-Position-Zeit von Lotterer/Treluyer/Fässler am Rennwochenende. Und beim Test war man ganz sicher nie im Qualifyingtrimm unterwegs.


Magazin Shakedown: Audi-Testfahrten in Sebring

Der neue R18 soll in beiden Versionen (mit und ohne Hybridsystem) schon in der Konfiguration für schnelle Strecken genauso viel Abtrieb generieren wie das Vorgängermodell im Trimm für maximalen Anpressdruck. Das Gewicht des R18 hat man nach eigener Aussage von 2011 auf 2012 noch einmal um 100 Kilogramm reduzieren können. Somit gibt es Spielraum für das Zusatzgewicht von KERS und Möglichkeiten bei der optimalen Platzierung von Ballast in der ultra-Version.

Was könnte ein Benziner?

Vor dem Renndebüt der beiden neuen Prototypen im Rahmen des WEC-Rennwochenendes in Spa-Francorchamps steht ein weiterer Test in Europa auf dem Programm. Dabei geht es um alle Bereiche: Mechanik, Aerodynamik und Motoreneinstellungen. "Grundsätzlich gibt es zwischen dem Motor im e-tron und dem im ultra keinen Unterschied. Die sind absolut gleich und wir fahren sogar die gleichen Mappings", sagt Audi-Motorenchef Ulrich Baretzky. "Der Unterschied liegt in der Einsatzstrategie."

Allan McNish

Sammelte viele Erfahrungen im neuen Hybridauto: Allan McNish in Sebring Zoom

Der Hybrid verschafft den Audianern neue Möglichkeiten, wenn es um das Thema Treibstoffsparen geht. "Im vergangenen Jahr hatten wir in Le Mans Peugeot im Nacken und uns ging beinahe der Treibstoff aus. Wir mussten dann den Verbrauch in ungeahnt niedrige Bereiche schrauben. So etwas wird durch das Hybridsystem natürlich in Zukunft etwas einfacher." Der Zusatzschub durch die Elektromotoren kostet null Treibstoff.

Bei der Weiterentwicklung des aktuellen V6-Diesel-Triebwerks legte man besonderen Wert auf optimale Verbrennung. "Ob ein Benzin-Direkteinspritzer oder ein Diesel - ganz egal: Man muss in kürzester Zeit das Gemisch von Treibstoff und Sauerstoff aufbereiten. Je feiner man das Spray hinbekommt, desto besser können Sauerstoff- und Treibstoffmoleküle zusammenfinden. Je besser dies funktioniert, umso sauberer ist die Verbrennung, umso effizienter ist sie. Man holt mehr Power oder mehr Effizienz heraus", so Baretzky.

Seit 2006 ist Audi auf der Langstrecke mit größtem Erfolg mit Dieselmotoren unterwegs. Von diesem Ansatz rückte man seither nicht mehr ab. Man ist von den besonderen Qualitäten überzeugt. Dennoch sagt Baretzky: "Bevor ich in Rente gehe, möchte ich noch einmal zurück zum Benziner-Direkteinspritzer. Mit all den Erfahrungen, die wir mit dem Diesel gesammelt haben, könnten wir einen riesigen Schritt beim Benziner mit Direkteinspritzung machen - einen riesigen, riesigen Schritt."