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  • 02.06.2013 23:50

  • von Pete Fink

"Detroit Crash City": Pagenaud mit Premierensieg

Siebtes Rennen, sechster Sieger: Simon Pagenaud gewinnt in Detroit vor James Jakes und Mike Conway - "Big One" als Höhepunkt einer wahren Crashorgie

(Motorsport-Total.com) - Simon Pagenaud (Schmidt-Honda) behält in einem hochturbulenten Crashfestival von Detroit den Überblick und gewinnt nach einer strategischen Meisterleistung sein erstes IndyCar-Rennen. Zweiter wird überraschend James Jakes (Rahal-Honda) vor einem stark drängelnden Mike Conway (3.), der in seinem Dale-Coyne-Honda die Anfangsphase bestimmte und bei seinem ersten Stopp den entscheidenden Boden verlor. Es war zudem ein Japan-Triumph im Schatten des General-Motors-Hauptquartiers: Mit dem Ganassi-Duo Scott Dixon (4.) und Dario Franchitti (5.) belegten am Ende gleich fünf Honda-Piloten die ersten fünf Plätze.

Titel-Bild zur News: Simon Pagenaud

Mittendrin statt nur dabei: Simon Pagenaud (77) gewinnt sein erstes IndyCar-Rennen Zoom

Der größte Jubel herrschte jedoch in der Box von Sam Schmidt: "Simon befand sich heute auf einer Mission", sagte der seit Jahren an den Rollstuhl gefesselte Teambesitzer. "Er wollte diesen Sieg unbedingt haben." Dies bestätigte der 29-jährige Franzose: "Heute war soviel los, das ist einfach unglaublich. Aber es fühlt sich super an und ich hoffe, dass da noch mehr kommt." In der Tat: Die erste Rennhälfte von Detroit gestaltete sich zu einem Überlebenskampf mit mehreren Unfällen und einer Massenkarambolage. Die vielen Gelbphasen führten zu vielen unterschiedlichen Benzin-Strategien, bei denen am Ende Pagenaud die Nase vorne hatte.

Doch der Reihe nach: Es war von Beginn an eine wahre IndyCar-Schlacht. A.J. Allmendinger (25.) musste nach seinem gestrigen Abflug mit einem Ersatz-Chassis und Schmerzmitteln für den lädierten Daumen ins Rennen gehen. Doch der 31-jährige Kalifornier kam nur zwei Kurven weit und setzte seinen Penske-Chevy übersteuernd in die Mauer. Kurz danach erwischte es Simona de Silvestro (KV-Chevrolet; 24.), die vermutlich nach einem technischen Defekt in Kurve 8 geradeaus in die Reifenstapel rutschte.

Gleich beim nächsten Restart gerieten Ed Carpenter (Carpenter-Chevy; 15.), Alex Tagliani (Herta-Honda; 21.) und Josef Newgarden (Fisher-Honda; 16.) aneinander, wobei sich Letzterer ein Getriebeproblem einfing. Dann rasselten erst Ryan Hunter-Reay (Andretti-Chevrolet; 18.) an der de-Silvestro-Stelle, und kurze Zeit später Takuma Sato (Foyt-Honda, 23.) im Allmendinger-Bereich in die Streckenbegrenzungen. Doch all dies sollte erst das Vorspiel sein.

Big One: IndyCar goes NASCAR-Style

Der Höhepunkt des NASCAR-Style-Racings von Detroit geschah in Runde 28: Sebastien Bourdais (Dragon-Chevrolet) drehte in der ersten S-Kurve den vor ihm fahrenden Will Power (Penske-Chevrolet) um. Dahinter brach das Chaos aus, in das insgesamt neun Autos (!) verwickelt wurden. "Früher war er mal ein Champion", kommentierte ein enttäuschter Power die völlig überflüssige Aktion des Franzosen. "Heute fährt er wie ein Dummkopf." Unter anderem Justin Wilson (Coyne-Honda; 22.), Ernesto Viso, James Hinchcliffe (beide Andretti-Chevrolet, 17. und 19.), Tagliani und auch Helio Castroneves (Penske-Chevy; 8.) waren involviert.

James Hinchcliffe

James Hinchcliffe war nicht der Einzige, den es in Detroit erwischte Zoom

Als sich nach all dem Chaos der ersten 30 Runden der Staub über der Belle Isle gelegt hatte, sah das Klassement komplett durcheinandergewirbelt aus. Zur der Hälfte der Renndistanz lagen gerade einmal noch 13 (!) der 25 gestarteten IndyCar-Piloten in der Führungsrunde: Tony Kanaan, Tristan Vautier, Franchitti, Bourdais, Marco Andretti, Charlie Kimball, Dixon, Conway, Pagenaud und Graham Rahal bildeten die Top 10. Dahinter fuhren Sebastian Saavedra, Jakes und Castroneves mit neuem Heckflügel. Ryan Briscoe (12.), der ebenfalls verwickelt wurde und dabei seinen Panther-Chevy abgewürgt hatte, folgte mit einer Runde Rückstand.

Direkt nach dem Restart in Runde 37 musste Auslöser Bourdais (11.) zu einer Durchfahrtsstrafe in die Boxengasse abbiegen, während der bisherige Renn-Dominator Conway in einem einzigen Umlauf von Rang acht auf drei nach vorne gefahren war. Conway und sein schärfster Verfolger Dixon hatten während der Big-One-Gelbphase getankt, während Vautier, Kanaan und Franchitti schon wesentlich früher beim Service waren. Allerdings gab es durch die diversen Gelbphasen natürlich jede Menge unterschiedliche Tank-Strategien.


Fotos: IndyCars in Detroit


Danach wurde es ruhiger. Conway, Kimball und Pagenaud setzten sich in der Folge ab. In Runde 46 drehte schließlich Kimball mächtig auf und griff erfolgreich Leader Conway an. Wenig später glückte Pagenaud ein ähnliches Manöver, doch im Gegensatz zur Konkurrenz fuhr der Franzose einen extrem langen Mittelstint, was ihm viele Führungsrunden einbrachte. Die gleiche Strategie legte Jakes an den Tag, der mit Respektabstand auf Rang zwei folgte. Dahinter tat sich eine große Lücke auf, aber das Spitzenduo musste noch einmal zum Service.

Pagenaud hat im Finale alles im Griff

In Runde 55 tankte Pagenaud und kam weit vor dem Kampfduo Franchitti/Conway auf die Strecke zurück. Der wieder einmal mit seinem Ganassi-Honda hadernde Schotte hatte den Samstagssieger offenbar lange genug aufgehalten, um Pagenaud einen satten Vorsprung zu überlassen. Und was machte nun Jakes? Der Rahal-Pilot drehte bei freier Fahrt derweil die schnellsten Rennrunden und bog seinerseits in Runde 57 an die Box zum Tanken. Doch es reichte nicht ganz: Pagenaud behielt seinen Vorsprung um ein paar Wagenlängen.

Simon Pagenaud

Kampfgruppe kurz nach Halbzeit: Pagenaud jagt Conway und Kimball Zoom

Die nunmehr strategiebereinigte Reihung lautete: Pagenaud, Jakes, Conway, Franchitti, Dixon, Andretti, Kimball, Rahal, Castroneves und Saavedra. Kanaan (12.) verlor eine bessere Platzierung durch einen späten Tankstopp, während sich Franchitti im Detroit-Finale im Spritsparmodus befand, weshalb er seinen vierten Platz recht kampflos an Teamkollege Dixon abgab. Vorne hatte Pagenaud jedoch alles unter Kontrolle und gewann sein erstes IndyCar-Rennen vor den beiden Briten Jakes und Conway, die sich am Ende einen beherzten Zweikampf lieferten.

Jakes setzte sich dabei hauchdünn durch und holte mit seinem zweiten Platz das mit Abstand beste IndyCar-Resultat seiner Karriere. "Das war heute extrem wichtig", atmete der Rahal-Pilot auf. "Nicht nur für mich, sondern für eine Menge Leute." Und: Nach wie vor konnte das IndyCar-Establishment um Roger Penske und Chip Ganassi noch keinen einzigen Saisonsieg einfahren. Dies obwohl die IndyCar-Saison 2013 bereits sieben Rennen alt ist. Im Gegenteil: Sechs Sieger in sieben Events zeugen von einer extremen Ausgeglichenheit im Feld.


Detroit: Die Höhepunkte von Rennen 2

Dies zeigt natürlich auch die aktuelle Punkteverteilung: In der Gesamtwertung reichte Marco Andretti sein sechster Platz, um mit Tabellenführer Castroneves gleichzuziehen. Die beiden IndyCar-Routiniers liegen nun mit jeweils 206 Punkten vor Hunter-Reay (201) und Dixon (186). Neuer Gesamtfünfter ist Detroit-Sieger Pagenaud (177). Bereits am kommenden Wochenende besucht der IndyCar-Tross das superschnelle 1,5 Meilen-Oval auf dem Texas Motor Speedway.