• 08.08.2009 09:27

  • von Pete Fink

Wissel mischt die Formel-1-Stars auf

Max Wissel sorgt in der Superleague Formula für Furore: Nach seinem ersten Rennsieg hat der 19-jährige Deutsche eine Titelchance gegen Pantano und Co.

(Motorsport-Total.com) - Unerhörtes geschieht derzeit in der Superleague Formula. Der 19-jährige Deutsche Max Wissel mischt die durchaus prominent vertretene Elite ehemaliger Formel-1-Cracks gehörig auf. Enrique Bernoldi, Antonio Pizzonia und Giorgio Pantano fuhren zusammen insgesamt immerhin 63 Grands Prix, Pantano ist dazu nach wie vor der amtierende GP2-Champion.

Titel-Bild zur News: Max Wissel

Daumen hoch: Für Max Wissel läuft es in der Superleague derzeit so richtig gut

Youngster Wissel, der in der Superleague das Auto des FC Basel fährt, rangiert zu Saisonhalbzeit knapp hinter dem FC Liverpool auf Gesamtplatz zwei. Für den englischen Traditionsklub greift Adrian Valles ins Lenkrad, und der 23-jährige Spanier ist ebenfalls alles andere als ein Unbekannter in der Motorsportszene.#w1#

2005 endete Valles hinter Robert Kubica als Gesamtzweiter in der World Series by Renault. Ein Jahr später wechselte er zu Campos in die GP2 und wurde in der Folge Formel-1-Testfahrer beim Force-India-Vorgänger Spyker F1. Darüber hinaus tummeln sich in der Superleague 2009 mit Tristan Gommendy (Ex-ChampCar), den A1GP-erfahrenen John Martin und Ho Pin-Tung oder dem mexikanischen Supertalent Esteban Guerreri weitere prominente Gesichter.

Doch der eindeutige Shooting-Star der Superleague-Saison 2009 kommt aus Südhessen und gewann am vergangenen Wochenende in Donington sein erstes Rennen. "Die große Feier hat noch nicht stattgefunden, aber das kommt noch", grinst Wissel, der im anschließenden Superfinale mit Getriebeproblemen trotzdem Dritter wurde.

Den prominenten Teamkollegen im Griff

Max Wissel

Max Wissel hielt in Donington die versammelte Konkurrenz in Schach Zoom

"Ohne den notwendigen Getriebedruck konnte ich nicht mehr schalten", beschreibt der 19-Jährige, der zwangsläufig improvisieren musste. "Man kann das Getriebe zwar auf manuell umschalten und kann dann versuchen, die Gänge etwas früher einzulegen, aber das funktioniert bei zehn Versuchen nur fünfmal. Das hat mir im Superfinale einen relativ sicheren Sieg gekostet."

So entging Wissel die stolze Siegerprämie von 100.000 Euro, die anstelle dessen an den australischen A1GP-Piloten John Martin ging, der in der Superleague für die Glasgow Rangers fährt. Wissels Trostpflaster: Immerhin noch 35.000 Euro aus dem Topf des angolanischen Seriensponsors Sonangol, dem staatlichen Ölkonzern des afrikanischen Landes.

Trotzdem war Donington der bisherige Höhepunkt einer seit Saisonbeginn abzusehenden Entwicklung. "Ich hatte den absolut schnellsten Speed im ganzen Feld", ist der für das bayrische Team von GU Racing startende Wissel überzeugt. "Das waren die Lorbeeren für eine ganz starke Mannschaftsleistung."

Diese ist umso höher einzuschätzen, als sein GU-Teamkollege kein geringerer als Davide Rigon ist. Der Italiener ist der amtierende Superleague-Titelverteidiger und fährt 2009 das Auto von Olympiacos Piräus. Rigon ist aktuell Tabellenelfter. "Da war aber auch viel Pech dabei", verteidigt Wissel seinen Teamkollegen.

Kein Fehler zweimal

Max Wissel

Der Horrorcrash von Max Wissel (re.): In Jerez hob sein Auto bei 250 km/h ab Zoom

Die Kräfteverhältnisse verschieben sich derzeit also nicht nur in der Superleague, sondern auch im GU-Team gewaltig. "Eigentlich ist schon klargestellt, wer der Nummer-eins-Fahrer sein sollte", überlegt Wissel, dessen Punktevorsprung gegenüber Rigon fast 100 Zähler beträgt. "Andererseits gibt es für einen Sieg 50 Punkte. Wenn ich also zwei grottige Wochenenden erlebe, dann liegt er wieder vor mir."

Für Wissel ist es seine zweite Superleague-Saison im Panoz DP09, der viele Zutaten aus dem letzten ChampCar-Chassis, dem Panoz DP01, aufweist. Bis zu 750 PS werden aus dem V12-Triebwerk der englischen Motorenschmiede Menard abgerufen, da ein Boost-Button 30 bis 35 zusätzliche Pferdestärken zur Verfügung stellt. Er darf pro Rennen achtmal gedrückt werden und gibt diese Leistung im Anschluss 15 Sekunden lang ab. Danach sind die Zusatz-PS zwei Minuten lang gesperrt.

Wie erklärt sich der Youngster seinen gewaltigen Leistungssprung im Vergleich zu einem eher durchwachsenen 2008? "Wenn man, wie ich, mit 18 Jahren in so ein starkes Auto wechselt, dann ist man noch sehr jung. Trotzdem habe ich selbst - abgesehen von dem Unfall in Jerez - keine großartigen Fahrfehler gemacht."

Damals gab es ein GU-internes Missverständnis mit Stamatis Katsimis. Der Grieche lag unmittelbar vor Wissel und wollte genau zu dem Zeitpunkt in die Boxeneinfahrt abbiegen, als sein junger Teamkollege zum Überholen ansetzte. Die Folge: Wissels Auto stieg bei Tempo 250 auf und krachte hart in die Reifenstapel. Verletzt hat er sich dabei nicht, "aber so einen Fehler werde ich kein zweites Mal machen."

Mit 19 Jahren und 750 PS

Max Wissel

Max Wissel ist mit Abstand der jüngste Pilot der Superleague Formula Zoom

Zudem trainierte der drahtige 19-Jährige im Winter noch einmal fünf Kilo ab und legte trotzdem an Muskulatur zu, um das 750-PS-Monster der Superleague zu beherrschen. "Das Auto hat nun einmal keine Servolenkung, aber ich habe jetzt wesentlich mehr Kraft. Zudem mussten wir 2008 viele kleine Fehler beheben und können jetzt endlich ernsthaft am Auto arbeiten."

Außerdem kennt Wissel jetzt auch die Superleague-Strecken. "Es ist schon ein großer Unterschied, ob du mit einem Formel BMW, einem Formel Renault oder eben dem Superleague-Auto auf eine Kurve zufährst, denn da muss dein Bremspunkt wirklich ganz genau passen. Und da ich dem Auto jetzt richtig vertrauen kann, werde natürlich auch ich besser."

Denn der Sprung in den V12-Panoz war für den damals erst 18-Jährigen gewaltig. "Das kann man eigentlich nicht beschreiben. Im ersten Moment wurde mir fast schwarz vor Augen, als ich zum ersten Mal Vollgas gegeben habe. Damals habe ich mir nur gedacht, dass ich nun in der Liga angekommen bin, wo sich wirklich die Spreu vom Weizen trennt. Das war ganz sicher eine Art Kulturschock." Jetzt fährt er "750 PS, die auf 750 Kilo verteilt sind und mit Carbon-Bremsen bestückt sind."

"2008 war ich unter den Piloten der kleine Bub, denn die anderen kannten sich ja alle aus der Formel 1 oder der GP2", lacht Wissel. "Nach meinem dritten Platz von Zolder und am Wochenende in Donington kamen fast alle zu mir und haben mir gratuliert." Die Hackordnung in der Superleague ändert sich - auch mental. "Ich weiß was ich kann, und ich weiß was das Auto kann. Man agiert einfach angriffslustiger."

Titelkandidat Wissel

Max Wissel

Kein Zweifel: Max Wissel und der FC Basel fahren 2009 um den Titel mit Zoom

Die Folge: "Ich fahre jetzt um den Titel mit", weiß er und rechnet vor: "Selbst wenn ich in allen anderen Rennen Fünfter werde, dann lande ich am Ende auf Gesamtplatz drei. Und bei der Konkurrenz, bei den großen Namen ist das ein sehr anständiges Ergebnis." Aber: "Warum soll unser Lauf nicht noch eine Weile weitergehen?"

Mitterweile kennt Wissel das Auto "in- und auswendig. Ich mache mir auch keinen großen Kopf. Mein Speed ist da, das habe ich bewiesen." Was ihm in der Formel BMW und in der Formel Renault noch nicht zu 100 Prozent gelang. Er glaubt den Grund dafür zu wissen: "Mein Ingenieur sagte mir damals immer, ich hätte das Auto überfahren. Jetzt fahre ich ein viel stärkeres Auto und das liegt mir einfach."

Als nächstes steht Estoril an. Dort hatte die Superleague im Vorjahr 25.000 Zuschauer, in Jerez waren es sogar deren 35.000. Monza hingegen ist für Wissel Anfang Oktober eine noch unbekannte Strecke. "Rigon und Pantano kennen Monza natürlich aus dem Eff-Eff", überlegt er. Die Entscheidung über den Superleague-Titel fällt dann Anfang November im spanischen Jarama. Mit Kandidat Wissel.

Seine persönlichen Ziele für die Zukunft: "Dieses Auto gehört eigentlich nach Amerika", urteilt er über den Panoz DP 09. "Und wenn ich hier mit diesem Auto zurechtkomme, dann komme ich damit auch in Amerika zurecht. Aber ich hätte auch nichts dagegen, noch fünf Jahre in der Superleague zu fahren. Mit 19 Jahren bin ich zwar nicht in der Formel 1, aber ich bin trotzdem angekommen."