"Natürlich sind wir besorgt" - Ducati über den Stillstand bei den Japanern

Ducati erntet aktuell die Früchte der harten Arbeit, während sich bei Kawasaki, Yamaha und Honda wenig tut: Die Lage besorgt die Superbike-Weltmeister

(Motorsport-Total.com) - Ducati befindet sich sowohl in der MotoGP als auch in der Superbike-WM voll auf Kurs, die WM-Titel aus dem Vorjahr erfolgreich zu verteidigen. Weniger erfreulich sieht die Situation bei den Japanern aus, die in den zurückliegenden Jahren etwas den Anschluss an die europäische Konkurrenz verloren. Der sportliche Abstieg von Honda, Yamaha und Kawasaki besorgt auch die Verantwortlichen bei Ducati.

Titel-Bild zur News: Toprak Razgatlioglu; Alvaro Bautista; Jonathan Rea

Toprak Razgatlioglu (54) und Joanthan Rea (65) haben einen schweren Stand gegen Alvaro Bautista (1) Zoom

Wir haben exklusiv mit Ducati-Technikkoordinator Marco Zambenedetti gesprochen, der aktuell mit Alvaro Bautista und dem Ducati-Team die Superbike-WM dominiert. Von den bisherigen 21 Rennen gewann Ducati 17. Die Panigale V4R ist die Benchmark in der WSBK.

Die Superbikes von Kawasaki und Yamaha hingegen sind in die Jahre gekommen. Vom Konzept ist die Honda Fireblade das modernste der japanischen Superbikes, doch seit dem werksseitigen Wiedereinstieg von HRC vor dreieinhalb Jahren hat sich das Projekt kaum weiterentwickelt.

Nachfrage nach japanischen Superbikes stark zurückgegangen

Die Absatzzahlen der Superbikes sind zurückgegangen. Für ein japanisches Superbike in der Preisregion der Ducati Panigale V4R (44.000 Euro) gibt es keinen Markt, argumentieren die Verantwortlichen von Honda, Kawasaki und Yamaha. Deshalb fühlen sie sich benachteiligt (was HRC-Teammanager Leon Camier kritisiert).

Marco Zambenedetti sieht das anders: "Ducati und einige andere europäische Hersteller haben ihre Marken über die Jahre gestärkt, indem sie ständig investiert haben, um den Kunden bessere Produkte und bessere Erlebnisse anbieten zu können. Dadurch haben die europäischen Hersteller die Möglichkeit, sehr viele Motorräder abzusetzen."

Marco Zambenedetti

Marco Zambenedetti mit Superbike-Weltmeister Alvaro Bautista Zoom

"Ehrlich gesagt verstehe ich nicht, warum die japanischen Hersteller aufgehört haben, konstant in diese Art von Motorrädern zu investieren", grübelt der Italiener und sieht Potenzial: "Ich bin nach wie vor davon überzeugt, dass es einen Markt gibt, wenn man gute und schöne Motorräder anbietet."

Fehlende Investitionen der Hersteller wirken sich auch auf die WSBK aus

"Doch wenn vor zehn Jahren die Entscheidung getroffen wurde, nicht mehr richtig in die Entwicklung dieser Motorräder zu investieren, dann wird es schwierig, das Interesse der Kunden aufrechtzuerhalten. Wenn man dann das Interesse der Kunden verloren hat, dann ergibt es noch weniger Sinn, zu investieren", schildert Zambenedetti im Gespräch mit 'Motorsport-Total.com'.

Kawasaki ZX-10RR

Kaum Entwicklungsarbeit: Kawasaki hat die ZX-10RR nur in Details verbessert Zoom

"Es ist eine Abwärtsspirale. Das ist nicht gut. Es spiegelt sich in dieser Meisterschaft wider. Man sieht, ob ein Hersteller investiert oder nicht", erklärt der Ducati-Ingenieur. "Natürlich haben alle Beteiligten das Interesse, dass alle an Bord bleiben. Doch andererseits muss man die Arbeit der Hersteller respektieren, die konstant in ihre Renn- und Serienmotorräder investieren und sie weiterentwickeln."

Yamaha R1

Das Konzept der aktuellen Yamaha R1 geht bis auf 2016 zurück Zoom

"Diese Hersteller haben dann in der Meisterschaft Motorräder, die schneller sind, sich einfacher fahren lassen und besser aussehen. Das muss man respektieren. Natürlich besorgt uns die Situation. Doch wir können für die Japaner nicht die Entscheidungen treffen", erklärt Zambenedetti.

Wie sehr sollte man den japanischen Herstellern helfen?

Mit Hilfe von Änderungen am Regelwerk soll den Teams geholfen werden, die Motorräder von japanischen Herstellern einsetzen. Zudem gibt es das flexible Drehzahllimit, das eine Dominanz eines Herstellers verhindern soll. Doch zu stark darf man die Balance of Performance nicht herumdoktern, warnt Zambenedetti.

Ducati Panigale V4R

Die Ducati Panigale V4R wurde in der laufenden Saison bereits um 500 U/min limitiert Zoom

"Unterm Strich ist es Sport. Und im Sport ist es wichtig, dass am Ende der Schnellste und der Stärkste ganz oben steht. Es muss der belohnt werden, der im Werk und auf der Strecke am besten gearbeitet hat. Der beste Fahrer, die besten Ingenieure und das beste Motorrad müssen sich am Ende durchsetzen", betont der Italiener.

WSBK Start

Ducati gibt in der Superbike-WM aktuell das Tempo vor Zoom

"Wir müssen fair bleiben, aber andererseits müssen wir auch sportlich bleiben und die Regeln des Sports respektieren. Wir müssen versuchen, alle an Bord zu halten, doch der Beste muss am Ende gewinnen", nennt der Ducati-Technikkoordinator den Kompromiss, der gefunden werden muss.

Ducati kann sich vorstellen, dass BMW bald an den Japanern vorbeizieht

In der kommenden Saison verliert Yamaha seinen Spitzenfahrer an BMW. Toprak Razgatlioglu hat sich im Mai dazu entschieden, das Yamaha-Werksteam nach vier gemeinsamen Jahren zu verlassen und eine neue Herausforderung anzunehmen.

BMW M1000RR

BMW M1000RR: Die Formkurve zeigt nach oben, die Aussichten für 2024 sind vielversprechend Zoom

Schaut man sich die Entwicklung der japanischen Hersteller an, dann könnte BMW bereits im kommenden Jahr zur zweiten Kraft aufsteigen. Hinter den Kulissen wird eifrig daran gearbeitet, die M1000RR zu verbessern. BMW strukturiert die Rennabteilung um und installiert ein Testteam (mehr Informationen dazu).

Marco Zambenedetti

Marco Zambenedetti hofft, dass auch in Zukunft alle Hersteller die Chance haben, in die Top 5 zu fahren Zoom

Auch bei Ducati rechnet man damit, dass BMW langfristig der größte Herausforderer sein wird. "Absolut!", bemerkt Zambenedetti, der sich gleichzeitig wünscht, dass alle momentan aktiven Hersteller erfolgreich sind: "Ich hoffe, dass alle Hersteller in den Top 5 vertreten sein werden, auch die Japaner."

Ducati erkennt auch positive Signale bei den Japanern

Auch wenn die technische Entwicklung bei Kawasaki, Yamaha und Honda aktuell stagniert, so erkennt Zambenedetti auch positive Anzeichen. "Ich mag das Programm von Yamaha, jungen Fahrern den Weg nach oben zu ebnen", lobt er die Nachwuchsarbeit und fügt hinzu: "Wir bei Ducati versuchen, ein ähnliches Programm zu schaffen mit unserem Supersport-Team."

Seit der Regeländerung in der Supersport-WM zum Start der Saison 2022 nimmt auch Ducati an der Meisterschaft teil und setzt zusammen mit Aruba ein eigenes Team ein. Nicolo Bulega pilotiert eine Ducati Panigale V2 und empfiehlt sich für den Aufstieg in die Superbike-WM. Es wird vermutet, dass Bulega im Werksteam den Platz von Michael Rinaldi übernimmt.