• 27.12.2012 10:35

Fischer: "Wir konnten uns in allen Bereichen steigern"

Speedbrain-Teamchef Wolfgang Fischer lebt den Offroad-Sport - Im Interview blickt er auf die Herausforderung Dakar 2013 voraus

(Motorsport-Total.com) - Wolfgang Fischer ist im Offroad-Rennsport zu Hause, er ist mit Leib und Seele bei der Sache - und ein angesehener Experte. Dabei schlug er zunächst einen ganz anderen Weg ein: Fischer war einmal Segelsport-Profi. Ein schwerer Autounfall bedeutete jedoch das Ende seiner Karriere auf dem Wasser. Und so entschied er, seiner privaten Leidenschaft für Offroad-Motorräder auch beruflich nachzugehen.

Titel-Bild zur News:

Wolfgang Fischer (rechts unten) und seine Speedbrain-Truppe Zoom

Fischer arbeitete mehrere Jahre lang für verschiedene Teams, Hersteller und Zubehörhersteller. Er machte sich in der Enduro-Szene bald einen Namen, erhielt Einblicke in die Topteams und lernte die besten Fahrer der Welt kennen. Dann sah er die Zeit gekommen, einen weiteren Schritt zu machen. Die Chance dazu bot sich, als BMW-Motorrad den Aufbau eines eigenen Offroad-Projekts plante und dazu das passende Partnerteam suchte.

Gemeinsam mit zwei weiteren Experten gründete Fischer Ende 2005 mit Speedbrain sein eigenes Unternehmen, das 2006 zum BMW-Motorrad Offroad-Werksteam wurde und nun die Rallye-Einsätze von Husqvarna-Motorcycles betreut. Als Teamchef und Geschäftsführer ist Fischer der Mann, bei dem alle Fäden zusammenlaufen. Er verantwortet und überwacht zahlreiche Themenbereiche, seien es die Entwicklung des Bikes, die Logistik oder die finanziellen Aspekte.

Dabei arbeitet er eng mit dem Personal zusammen und hat auch immer ein offenes Ohr für die vielen verschiedenen Bedürfnisse der Fahrer. Und eines ist typisch für Fischer: die Leidenschaft, mit der er seinen Job macht, egal ob früher in der Enduro-Weltmeisterschaft, im deutschen und im europäischen Cross-Country-Sport und bei Extrem-Enduro-Veranstaltungen oder heute im Marathonrallye-Sport.

Frage: "Das Husqvarna Rallye-Team by Speedbrain startet in seine dritte Rallye Dakar - spürt man immer noch dasselbe Kribbeln wie bei der Premiere?"
Wolfgang Fischer: "Vor allem steht einmal viel Arbeit davor. Man hat eigentlich bis zur Rallye kaum Zeit, sich über das Rennen selbst viele Gedanken zu machen. Natürlich freut man sich, wenn man die Vorbereitungssaison abgeschlossen hat und diese gut gelaufen ist, umso mehr auf das Rennen. Doch die Vorbereitung startet eigentlich bereits schon mehr oder weniger am Tag der Heimreise von der vorherigen Dakar. Man muss knapp ein Jahr auf so eine große Veranstaltung hinarbeiten, und dieses Jahr vergeht sehr schnell."

Fischer: "Wie lautet die Zielsetzung des Teams für die Rallye Dakar 2013?"
Fischer: "Wir haben viele weitere Erkenntnisse gesammelt und konnten uns in allen Bereichen steigern, sowohl was die Technik, das Team und die Fahrer angeht. Dabei hat enorm geholfen, dass wir erstmals die komplette Saison in der Marathonrallye-Weltmeisterschaft bestritten haben. Diese Erkenntnisse und Verbesserungen möchten wir bei der Dakar in sehr gute Ergebnisse umsetzen. Da wir uns in allen Bereichen steigern konnten, rechnen wir uns gute Chancen aus, im Kampf um die vorderen Plätze ein gehöriges Wort mitreden zu können. Vom Sieg zu sprechen, wäre vermessen, doch natürlich ist zu gewinnen immer das höchste Ziel im Rennsport, das man hat."

Frage: "Wie wichtig ist die Werksunterstützung von Husqvarna und der BMW-Group?"
Fischer: "Sie ist für das gesamte Projekt sehr wichtig. Die BMW-Group unterstützt uns nun im dritten Jahr in Folge finanziell, unter anderem, um die Logistik mitzufinanzieren, die bei der Dakar sehr teuer und aufwändig ist. Von Husqvarna bekommen wir seit diesem Jahr die volle Unterstützung in der Motorenweiterentwicklung, was für uns ein enorm wichtiger Schritt war. Somit können wir das Paket richtig rund machen und unsere eigene Entwicklungsleistung, was das Chassis betrifft, noch einmal auf eine andere Stufe heben."

Das Speedbrain-Team setzt bei der kommenden Dakar vier Motorräder ein Zoom

"Dank der Unterstützung hatten wir die finanziellen Mittel, um die komplette WM-Saison zu bestreiten. Das war in der Vorbereitung auf die Dakar sehr wichtig, unter anderem, um den Erfahrungsvorsprung anderer Teams und Fahrer einzuholen. Davon haben nicht nur das Team und das Fahrzeug profitiert, sondern auch die Fahrer. Die Piloten, gegen die wir antreten, sind seit vielen Jahren in der Szene dabei und verfügen über eine Menge Erfahrung, die unsere Piloten erst noch sammeln müssen. Und so etwas kann man sich nicht kaufen, sondern man muss es sich im wahrsten Sinne des Wortes erfahren, indem man viele Rennen bestreitet."

Frage: "Was sind deine wichtigsten Aufgaben als Teammanager?"
Fischer: "Alles ist wichtig, denn Rallye ist die komplexeste Motorsportart überhaupt. Es gibt so viele Facetten, die stimmen müssen. Jedes Detail muss sitzen. Eine lose Schraube kann dich die ganze Arbeit und den Erfolg kosten. Deshalb ist es wichtig, alle Bereiche im Blick zu haben - vor allem aber auch, die Leute zu haben, die einem die Arbeit abnehmen. Die mit demselben Verantwortungsbewusstsein, derselben Genauigkeit und derselben Passion an die Sache herangehen. Das geht nur, wenn man es nicht als Job sieht, sondern das Thema Rallye als Herzensangelegenheit lebt."


Präsentation: Husqvarna by Speedbrain

Frage: "Was hat das Team bei den ersten beiden Auftritten dazugelernt?"
Fischer: "Wir haben in vielen Bereichen dazugelernt, zum Beispiel bei der technischen Vorbereitung und was die Renntaktik und Rennabläufe angeht. Man lernt zunächst, wie das Rennen überhaupt funktioniert, und was alles nötig ist, um bis ins Ziel zu kommen. Im zweiten Schritt lernt man dann, was nötig ist, um schnell ins Ziel zu kommen. Das alles kann man in einem Jahr nicht lernen. Wir gehen jetzt zum dritten Mal an den Start, und jetzt können wir versuchen, das Gelernte umzusetzen und auch einmal daran denken, zu attackieren."

Mischung aus Erfahrung & Jugend

Frage: "Das Team nimmt die Rallye mit vier Fahrern in Angriff: Joan Barreda, Paulo Goncalves, Alessandro Botturi und Matt Fish. Was zeichnet die einzelnen Fahrer aus, und wie stark sind sie als Team?"
Fischer: "Unser sehr starkes Team im Team bilden Paulo und Joan, die die gesamte Saison über zusammen die Weltmeisterschaft bestritten haben. Die beiden arbeiten wunderbar zusammen, Joan als eher junger Heißsporn und Paulo als der erfahrene Pilot, der bereits zum siebten Mal bei der Rallye Dakar startet. Trotz dieser Unterschiede harmonieren sie sehr gut. Sie arbeiten eng zusammen und tauschen sich aus, zum Beispiel wenn es darum geht, bei einem Rennen gemeinsam das Roadbook für den nächsten Tag durchzugehen."

"Es ist einfach schön, zu sehen, wie gut sich die beiden verstehen. Denn oft entsteht innerhalb der Teams eine sehr große Konkurrenzsituation. Der Teampartner ist immer der Erste, den es zu schlagen gilt. Draußen auf der Strecke fährt natürlich jeder sein eigenes Rennen und versucht, möglichst schnell zu sein. Dabei lagen die beiden von den Ergebnissen her oft sehr nah beieinander. Beide haben gute Resultate eingefahren, und man konnte sehen, dass sie sich vom Speed und der Konstanz her sehr ähnlich sind. Und dazu kommt eben, dass es menschlich zwischen den beiden sehr gut funktioniert."

"Matt war in Marokko zum ersten Mal bei uns dabei. Man hat schon gemerkt, dass er ein Mann ist, der bei Rallyes zeigen will, was er kann, und dass er ein sehr toller Teamplayer ist. Er denkt sehr gut mit und hat sich extrem schnell an neue Situationen angepasst, ist also sehr lernfähig. Es macht richtig Spaß, mit ihm zusammenzuarbeiten, und wir freuen uns, dass wir ihn im Team haben."

"Alessandro ist bei der Dakar neu bei uns an Bord. Seine Biografie zeigt, dass er ein sehr schneller Pilot ist, der in den USA alles, was Offroad- und Wüstenrennen betrifft, schon gewonnen hat. Er ist ein richtiger Champion, der bei der Dakar auf einem privaten Motorrad ohne Vorbereitung als Rookie auf Anhieb in die Top 10 fahren konnte. Er ist auf jeden Fall zukünftig einer der Kandidaten auf einen Podiumsplatz bei der Dakar."

Frage: "Der Teamgeist wird in deiner Mannschaft ohnehin großgeschrieben. Kann man von einer eingeschworenen Gemeinschaft sprechen?"
Fischer: "Der Großteil unserer Mannschaft ist von Anfang an dabei. Diese Leute sind mit viel Leidenschaft den Weg mitgegangen, den wir mit dem Projekt bisher hinter uns gebracht haben. Es gab Höhen und Tiefen, und es war am Anfang sicherlich nicht einfach, einen Schritt nach dem anderen zu gehen. Doch man ist eben nicht auf Anhieb vorn dabei."

Husqvarna

Der Motor der TE449RR ist in Zusammenarbeit mit Husqvarna entstanden Zoom

"Dazu kommen Verletzungen der Piloten und technische Hürden, die wir überwunden haben. Wir haben uns auch selbst immer weiterentwickelt und stehen nun eben da, wo wir stehen. Das Team ist sehr kompakt und kennt sich nun auch schon sehr gut, die Vertrauensbasis passt. Das ist viel besser, als wenn man Leute zusammenwürfelt. Dazu kommt, dass die Mitarbeiter lange Tage gemeinsam verbringen müssen, sie müssen zusammen arbeiten, essen und schlafen. Das ist für jeden Einzelnen, aber auch für den gesamten Teamgeist eine große Belastungsprobe. Und das funktioniert sehr gut bei uns."

Frage: "Die Husqvarna TE449RR by Speedbrain wurde nach der Dakar 2012 in allen Bereichen weiterentwickelt. Was waren die wichtigsten Modifikationen?"
Fischer: "Wir haben das Fahrwerk und die Gewichtsverteilung weiter verfeinert und optimiert. Zudem haben wir die Elektrik noch sicherer und einfacher gemacht und versucht, das Gesamtpaket noch kompakter und leichter zu gestalten. Ein großer Baustein war auch der Motor, bei dem wir in den Bereichen Zuverlässigkeit und Leistung einen guten Schritt nach vorn gemacht haben. Dies ist in sehr enger Zusammenarbeit mit Husqvarna geschehen."

"Wir betreiben die Entwicklungsarbeit zusammen, und Husqvarna stellt uns sehr gute Ressourcen mit Prüfständen und Laborentwicklung zur Verfügung. Mit Akrapovic haben wir einen neuen Auspufflieferanten, der die Nummer eins in diesem Geschäft ist. In die gesamte Entwicklung floss zudem immer das direkte Feedback der Fahrer ein, und so wurde das Motorrad immer wettbewerbsfähiger."

Frage: "Die Vorbereitung im Sommer ist hervorragend gelaufen. Wie lautet dein Fazit? Ist das Team in allen Belangen gut aufgestellt für die Rallye Dakar 2013?"
Fischer: "Ja, das kann man sagen. Es gab keine größeren Schwachstellen. Natürlich kann immer etwas passieren, es kann auch einmal ein technisches Problem geben. Doch generell sind wir auf einem sehr guten und zuverlässigen Stand. Wir können darauf vertrauen, dass es auch bei der Dakar so gut funktioniert wie bei den letzten Rennen, die mit harten Etappen sehr schwierig waren."


Höhepunkte der Marokko Rallye

Frage: "Die Route führt dieses Mal von Lima über die Anden nach Süden nach Santiago de Chile. Wie bewertest du die Route und was wird die größte Herausforderung?"
Fischer: "Es werden weniger Kilometer als Verbindungsetappen und mehr als Wertungsprüfungen gefahren. Vor allem die zweimalige Andenüberquerung könnte zur Herausforderung werden. Bei einer Etappe wird die Wertungsprüfung zwischen 3.000 und über 4.000 Metern Höhe ausgetragen. Das ist neu, denn in den vergangenen Jahren wurde in den großen Höhen nur auf Verbindungsetappen gefahren."

"Dies wird sicher für das Material und die Physis der Fahrer noch einmal eine Herausforderung. Ansonsten rechne ich damit, dass die Rallye von Anfang an von einem sehr harten Wettbewerb geprägt sein wird. Alle Piloten werden gleich sehr ergebnisorientiert fahren und versuchen, keine Zeit liegen zu lassen. Zudem warten unmittelbar nach dem Start die peruanischen Dünen. Man hat also keine Zeit, sich erst einmal warmzufahren, sondern es geht direkt in die Wüste. Bereits da wird sich die Spreu etwas vom Weizen trennen."

Frage: "Die Dakar ist bekannt als der ultimative Härtetest für Fahrer und Bike - ist es auch der ultimative Härtetest für Teammanager und Mechaniker?"
Fischer: "Mit Sicherheit. Zunächst hat man eine sehr lange Zeit der Vorbereitung, und dann wird man vor Ort ständig mit neuen Situationen konfrontiert, die man bestehen muss. Hier braucht man Improvisationstalent und muss zur richtigen Zeit die richtigen Entscheidungen treffen. Es sind 14 komplette Renntage in Folge, das entspricht in vielen anderen Motorsportarten einer kompletten Meisterschaftssaison."

"Hier ist in zwei Wochen kompakt alles zusammengepackt, was ein Team sonst in einer gesamten Saison erledigen muss, zum Beispiel den Service der Fahrzeuge. Das ist logistisch und auch mechanisch eine Herausforderung, bei der man natürlich möglichst keine Fehler machen sollte. Denn ein Fehler kann das gesamte Rennen zunichtemachen."

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