• 24.03.2009 17:06

  • von Britta Weddige

Longs wunderbare neue WRC-Welt

Simon Long, der Chef des neuen WRC-Promoters ISC, hat große Pläne: Mehr Fans, mehr Hersteller, mehr Action, mehr TV-Berichte und besseres Marketing

(Motorsport-Total.com) - Das Sportmarketingunternehmen International Sportsworld Communicators ISC steht vor einer Herkulesaufgabe: Von 2010 bis 2020 ist es zentraler Vermarkter der WRC und muss der Rallye-Weltmeisterschaft, deren Fundamente derzeit ziemlich bröckeln, zu neuer, noch strahlenderer Blüte verhelfen. ISC-Chef Simon Long hat entsprechend auch große Pläne. Doch ob diese auch alle so umgesetzt werden können, bleibt fraglich. Zu viel hängt dabei auch davon ab, inwieweit sich die FIA von seinen Ideen überzeugen lässt. Und davon, welche weiteren Entscheidungen der Weltverband in so wichtigen Fragen wie Technik und Kalender fällt.

Titel-Bild zur News: Jari-Matti Latvala, Rallye Zypern, Cyprus Rally

Die WRC soll mehr Fans begeistern, mehr Hersteller haben, mehr Action bieten

Die ISC halt derzeit die Fernsehrechte und vereinzelte Vermarktungsrechte an der WRC. Jetzt arbeite man in allen Bereichen, auch was Reglement, Sicherheit und Technik angeht, "Hand in Hand mit der FIA, den Organisatoren und den Herstellern" zusammen, sagte Long gegenüber 'wrc.com'. Seine Ziele: mehr Fans, mehr Hersteller, mehr Action, mehr Fernsehzuschauer und mehr Marketing in der WRC.#w1#

Von der Rolle der ISC als zentraler Promoter sollen unter anderem die Fans profitieren, so Long: "Egal ob man ein eingefleischter Enthusiast ist, der von Rallye zu Rallye reist oder ob man sich nur hin und wieder die Berichterstattung im Fernsehen anschaut - wir wollen, dass die Leute mehr von ihrem Lieblingssport sehen, dass sie ihn öfter, einfacher und mit mehr Action sehen."

"Abends sollte der Spaß richtig losgehen, mit viel Entertainment und Partystimmung." Simon Long

Für die Fans vor Ort wäre es wichtig, dass das Geschehen im Servicepark neu überdacht wird, erklärte Long: "Warum sollen wir nicht die besten Aspekte eines Open-Air-Rockkonzerts und etwas wie den 24 Stunden von Le Mans zusammenpacken und eine motorsportgeprägte Festivalatmosphäre schaffen? Wir könnten zum Mittagsservice ein Rahmenprogramm veranstalten, aber abends sollte der Spaß richtig losgehen, mit viel Entertainment und Partystimmung."

Das Ziel: Wieder 80 bis 100 Teilnehmer

Allerdings muss nicht nur die Party im Servicepark stimmen, sondern auch die Action auf den Rallyepisten. Dessen ist sich Long bewusst. Die derzeitigen Starterzahlen, die zum Teil gerade einmal knapp über 30 Crews liegen, sind zu niedrig. Der ISC-Chef wünscht sich ein Teilnehmerfeld von 80 bis 100 Startern. Entsprechend ist es auch wichtig, neue Hersteller für die WRC zu gewinnen, auch wenn Long darauf verweist, dass in der Geschichte der WRC meistens nur drei Hersteller pro Saison gefahren sind. Nun sind es mit Citroën und Ford aber nur noch zwei.

"Die gute Nachricht ist, dass wir mit anderen Marken positive Gespräche führen." Simon Long

"Subaru und Suzuki fehlen uns sehr, aber die gute Nachricht ist, dass wir mit anderen Marken positive Gespräche führen. Das beruht auf drei Dingen: der Ernennung eines zentralen Vermarkters, dem neuen technischen Reglement und einem Kalender, der sowohl für die Hersteller als auch für den Sport im Allgemeinen gut ist", fuhr Long fort. Es sei gut möglich, dass zu den existierenden Herstellern 2010 und 2011 weitere dazukommen: "Ich kann keine Namen nennen, aber wir sprechen mit mehreren." Long ist aber auch bewusst, dass Entwicklung der Wirtschaftslage in der Automobilindustrie dabei eine entscheidende Rolle spielen wird.

TV: Nicht nur Sport, auch Lifestyle und Reisen

Ein wichtiges Argument, wenn es darum geht, neue Hersteller zu gewinnen, ist auch die TV-Berichterstattung. Die soll laut Long ebenfalls umgekrempelt werden. "Unsere Berichterstattung fasst die Veranstaltungen meistens chronologisch zusammen, aber es gibt so viel anderes in der weiten Welt des Fernsehens: Freizeit, Sport, Musik, Reisen, Lifestyle und so weiter. Und das Schöne am Rallyesport ist, dass wir all diese Bereiche abdecken können. Im Oktober präsentieren wir ein neues Programm, mit dem wir dem bestehenden Fan tolle Berichterstattung bieten, aber auch ein weiteres Feld erschließen, das mehr in Richtung Lifestyle, Musik und Reisen geht."

Sébastien Loeb

Weltmeister Sébastien Loeb ist immer von TV-Kameras umringt Zoom

Gleichzeitig soll die Fernsehtechnik auf den neuesten Stand gebracht werden. Ein weiteres Thema ist die Liveübertragung von den Rallyes. Die IRC hat bei der Rallye Monte Carlo bewiesen, dass dies möglich ist. Long ist sich aber noch nicht ganz sicher, inwiefern das auch in der WRC umgesetzt werden kann: "Uns ist klar, dass man als Topsportart auch eine Live-Komponente haben muss. Deshalb suchen wir weiter nach Wegen, wie wir das umsetzen können."

Das nächste brennden Thema ist das Format der WM-Läufe. Die Organisatoren der Rallye Monte Carlo griffen in die Vollen, als sie in diesem Jahr von den Vorgaben des WRC-Korsetts befreit waren und stellten das Format völlig um. Und Long räumt ein, dass man sich in den vergangenen Jahren vielleicht ein bisschen zu sehr auf die "Kleeblatt"-Struktur versteift habe, bei der die Crews Prüfungen rund um einen zentralen Servicepark mehrfach durchfahren.

Es sei nicht schlecht, eine zentrale Anlaufstelle zu haben, so Long, "aber ich denke, wir sollten ein bisschen flexibler sein, um zum Wesentlichen der traditionellen WRC zurückzukehren, nämlich mobil zu sein, ins Land hinaus zu fahren und ganze Regionen zu durchfahren. Hier wird es eine Hochzeit von Alt und Neu geben - wir prüfen die Möglichkeiten, mehr Remoteservices einzuführen. Voraussgesetzt, sie finden in einer tollen Umgebung statt und die Zuschauer können dort hinkommen und teilhaben."

Heikel: Technikreglement und Kalender

Das sind viele Pläne, die die ISC in den kommenden Jahren umsetzen muss. Bei den Themen, die den Herstellern am wichtigsten sind, behält allerdings die FIA das letzte Wort und die Entscheidungsgewalt: beim technischen Reglement und beim Kalender. In diesen Bereichen hat die ISC als Vermarkter nur eine beratende Funktion.

"Jetzt im Moment wollen wir einfach die Meisterschaft retten und die Zahl der Teilnehmer maximieren." Simon Long

Das neue Technikreglement wurde vor Kurzem im Weltrat auf dem Weg gebracht - die Inhalte stießen aber nicht überall auf Begeisterung. Laut Long ist es derzeit wichtig, kurzfristig dafür zu sorgen, dass möglichst viele Hersteller bei kontrollierten Kosten in der WRC fahren können: "Wenn sich die Wirtschaft erholt, können wir uns dann Themen wie der Motorengröße, Turbos und KERS-Systemen wie in der Formel 1 widmen. Uns ist auch bewusst, dass wir an den Umweltschutz und alternative Kraftstoffe denken müssen. Aber jetzt im Moment wollen wir einfach die Meisterschaft retten und die Zahl der Teilnehmer maximieren."

Rotation steht auf der Kippe

Damit zum größten heiklen Thema in der WRC: dem Kalender. Hier ist noch keine Entscheidung gefallen, ob das Rotationssystem beibehalten wird, ob die Wintersaison eingeführt wird, wie künftig mit Klassikern verfahren wird und welche neuen Märkte erschlossen werden sollen. Vorschläge gibt es viele, die Hersteller drängen auf konkrete Beschlüsse. Die ISC kann den Kalender nur vorschlagen, die FIA muss grünes Licht geben. Das Thema Kalender müsse man sensibel behandeln, erklärte Long.

"Vielleicht geht daraus in Zukunft ein anderes Format hervor, vielleicht eine Mischung aus fixen Klassikern und etwas Rotation." Simon Long

"Viele Läufe im Kalender haben eine große Geschichte und wir denken seit Langem intensiv darüber nach, wie wir das richtige Gleichgewicht finden können zwischen den Veranstaltungen, die die Seele des Sports ausmachen - den Klassikern - und dem Interesse, globaler zu werden und neue Länder zu erschließen", erklärte der ISC-Chef. Mit den bisher zwölf geplanten Läufen ist das laut Long nicht zu schaffen, deshalb plädiert er dafür, eher 14, wenn nicht sogar 16 Rallyes pro Saison zu fahren. Alles hänge aber auch von der wirtschaftlichen Situation ab.

Eines deutete Long jedoch bereits an: Das Rotationsprinzip, das mit der aktuellen Saison 2009 eingeführt wurde, wird wohl nicht zwingend beibehalten. "Ich will nichts herausposaunen, aber man kann sagen, dass das Rotationssystem etwas ist, was wir uns ganz genau anschauen", verriet er. "Vielleicht geht daraus in Zukunft ein anderes Format hervor, vielleicht eine Mischung aus fixen Klassikern und etwas Rotation."

Änderungen könnte es bereits im 2010er-Kalender geben. Ein paar für das kommende Jahr geplanten Rallyes stehen noch unter Vorbehalt und könnten noch herausfallen. Long will für 2010 den bestmöglichen Kalender finden, "und wer weiß, vielleicht umfasst er eher 14 als zwölf Läufe. Wir gehen davon aus, dass sich das im Juni entscheidet."