• 25.04.2010 23:00

  • von Pete Fink

Nur Zentimeter: Harvick gewinnt Talladega-Krimi!

Zwölf Tausendstelsekunden entschieden das Aarons 499 von Talladega: Kevin Harvick gewinnt vor Jamie McMurray und Juan Pablo Montoya

(Motorsport-Total.com) - Der Bann ist gebrochen: Seit dem Daytona 500 der Saison 2007 konnte Kevin Harvick kein Sprint-Cup-Punkterennen mehr für sich entscheiden. Diese Negativserie ging am Sonntagabend in Talladega zu Ende. Und wie beim Daytona-Finish vor über drei Jahren war es auch dieses Mal eine hauchdünne Entscheidung: Um winzige zwölf Tausendstelsekunden hatte der gelb-rote Childress-Chevrolet mit der Startnummer 29 die Nase vorne!

Titel-Bild zur News: Kevin Harvick, Jamie McMurray

Kevin Harvick gewann in Talladega hauchdünn vor Jamie McMurray

Der Leidtragende war der aktuelle Daytona-Sieger: Jamie McMurray verpasste um Haaresbreite seinen zweiten Superspeedway-Erfolg der laufenden Saison. Sein Earnhardt/Ganassi-Chevrolet kam in der allerletzten Runde noch als Führender aus der vierten Kurve heraus. Harvick klebte McMurray jedoch an der Stoßstange, brachte die Startnummer 1 ganz leicht ins Schlingern und schlüpfte innen durch.#w1#


Fotos: NASCAR in Talladega


Rang drei ging an den zweiten Earnhardt/Ganassi-Chevy von Juan Pablo Montoya, der gemeinsam mit McMurray ein beeindruckendes Teamwork zeigte. Beide waren im Talladega-Finale die bestimmenden Figuren, nachdem sie dreiviertel der Renndistanz im hinteren Mittelfeld zugebracht hatten. Doch als es um die Wurst ging, war das Duo zu Stelle. Die exakt gleiche Strategie führte übrigens auch Sieger Harvick vor.

Neben der Talladega-typischen Windschattenschlacht entwickelte sich das Finale auch zu einem handfesten Benzinkrimi, denn alle drei möglichen Green-White-Chequered-Verlängerungen über jeweils zwei fliegende Runden waren nötig, um einen Sieger zu bestimmen. Zuvor gab es jeweils im vorletzten Umlauf eine Kollision, die das Feld wieder neutralisierte.

Stunk zwischen Jeff Gordon und Jimmie Johnson

Kasey Kahne, Elliott Sadler, Ryan Newman, Marcos Ambrose, Joey Logano, Brad Keselowski

Ganz normal: Talladega sah am Sonntagabend insgesamt zwei "Big Ones" Zoom

Das Aarons 499 war ein waschechter NASCAR-Klassiker, der den typischen Spannungsbogen bot. Bis etwa 50 Runden vor dem Ende wogte das Renngeschehen zwar hin und her, etwas Entscheidendes geschah nicht. Zu diesem Zeitpunkt gab es in Runde 145 die letzten Green-Flag-Stopps, bei denen das Siegertrio zum letzten Mal an die Box fuhr. Mit anderen Worten: Harvick, McMurray und Montoya schafften es tatsächlich, 55 Talladega-Umläufe mit nur einer Tankfüllung zu bestreiten.

In Runde 176 begann dann das Pokerspiel: Es kam zu einer Gelbphase, in der dieses Trio - genau wie Greg Biffle, David Ragan und Carl Edwards (alle Roush-Ford) - nicht in die Boxengasse abbog. Der Rest des Feldes holte sich noch einmal neue Reifen und Sprit. Kurz darauf kam es zu einem Kontakt zwischen den beiden Hendrick-Teamkollegen Jimmie Johnson und Jeff Gordon, was Letzterem viel Schwung kostete.

Das sollte sich rächen: Prompt wurde Gordon im Mittelfeld von Jeff Burtons Childress-Chevrolet abgeschossen. Der vierfache NASCAR-Champion sah - genau wie vor einer Woche in Texas - in Johnson den Schuldigen, was er nach dem Rennen auch lautstark kommentierte. Herrscht nun endgültig dicke Luft zwischen den Hendrick-Zwillingen?

Dieser Unfall bedeutete gleichzeitig Verlängerung Nummer eins. Doch das Feld kam nach dem Restart keine Runde weit, als sich Ryan Newman (Stewart/Haas-Chevrolet) und Gibbs-Youngster Joey Logano beharkten. Im Finale von Talladega wurde zu Viert nebeneinander gefahren, was in diesem Fall nicht gut ging. Es war bereits der zweite "Big One", nachdem in der Anfangsphase des Rennens schon Johnny Sauter (TBR-Chevrolet) auf der Start-/Zielgerade quer über die Strecke rutschte.

Earnhardt/Ganassi wild entschlossen

Juan Pablo Montoya

Juan Pablo Montoya trat in Talladega in ungewohnten schwarz-blauen Farben an Zoom

Zu diesem Zeitpunkt lagen McMurray und Montoya in Front, gefolgt von Biffle und Harvick. Im Biffle-Lager gab man sich angesichts der Spritmenge im Roush-Ford extrem skeptisch, ob die Startnummer 16 nicht noch einmal zum Tanken fahren sollte. Bei Earnhardt/Ganassi hingegen war Montoyas Crewchief Brian Pattie wild entschlossen, dieses Mal volles Risiko zu gehen.

"Wir werden nicht an die Box kommen", lautete der Pattie-Funkspruch. "Wir fahren dieses Ding solange bis der Tank komplett trocken ist." Montoya hatte nichts dagegen: "Das sehe ich genauso." Doch die EGR-Probleme wurden nicht kleiner, denn auch die zweite Verlängerung führte noch nicht zu einer Rennentscheidung.

Nach dem Restart ging Biffle offenbar tatsächlich das Benzin aus. Der weiße Roush-Ford startete als erstes Fahrzeug auf der Außenbahn und fiel schnell durch das gesamte Feld zurück. Fast komplett, denn im Mittelfeld wurde er von Jimmie Johnson umgedreht, der ein Kommando seines Spotters falsch interpretierte. Der Kalifornier landete in der Mauer und wurde als 31. gewertet, während Biffle sein Auto zur Tankstelle schleppen konnte und immerhin noch 17. wurde.

Harvick trickst McMurray aus

Kevin Harvick, Jamie McMurray

Vor der entscheidenden Attacke: Kevin Harvick legt sich Jamie McMurray zurecht Zoom

So kam es zum dritten und letzten Restart, der die endgültige Entscheidung bringen musste, denn das NASCAR-Regelwerk sieht maximal drei Green-White-Chequered-Verlängerungen vor. Der führende McMurray wählte die Innenbahn und hatte Harvick an seiner Stoßstange. Außen herrschte die gleiche Situation mit Montoya und Denny Hamlin (Gibbs-Toyota).

Und die Kombination McMurray/Harvick machte Dampf. Schnell legte das Duo auf der kürzeren Innenbahn einige Wagenlängen zwischen sich und Montoya/Hamlin. Als die weiße Flagge die 200. und letzte Runde einläutete, schien der Kontakt der beiden Zweiergruppen abgerissen zu sein. Harvick schob McMurray die Gegengerade hinunter und klebte auch eingangs von Turn 3 an dessen Stoßstange - Montoya und Co. schienen geschlagen.

Ausgangs Turn 4 erhöhte Harvick den Druck noch einmal und brachte den McMurray-Chevrolet für einen Sekundenbruchteil ins Schlingern. Der Earnhardt/Ganassi-Pilot musste leicht korrigieren, und damit die Innenbahn um wenige Zentimeter freigeben. Harvick nutzte dies eiskalt aus und schlüpfte in einer Millimeterarbeit innen durch. Durch den größeren Schwung und die kürzere Innenbahn hatte er am Ende um winzige zwölf Tausendstelsekunden die Nase im Wind.

McMurray und Montoya holen auf

Juan Pablo Montoya

Tolles Talladega-Teamwork: Jamie McMurray und Juan Pablo Montoya Zoom

"Alles hat genauso geklappt, wie wir es geplant haben", jubelte der Sieger. "Wir wollten erst 50 Runden vor dem Ende angreifen und so haben wir das auch umgesetzt." "Ich erwartete seinen Angriff außen, es gibt halt nur eine Richtung", konstatierte McMurray, der seine Innenbahn eigentlich verteidigen wollte. "Ich dachte, ich würde immer noch weit genug unten fahren." In der Tat: Harvick berührte zwar mit seiner linken Fahrzeugseite die doppelt gezogene gelbe Linie zwar, aber er überfuhr sie nicht.

Mit diesem Sieg machte der Kalifornier in der Gesamtwertung einen Sprung von Platz vier auf zwei und rangiert nur noch 26 Punkte hinter Champion Jimmie Johnson. McMurray (17.) und Montoya (20.) gelang jeweils ein Riesensatz: Beide kamen um vier Positionen nach vorne. Der Rückstand des Kolumbianers auf die letzte Chase-Platzierung 12 beträgt nur noch 123 Punkte.

Am kommenden Wochenende gastiert die NASCAR auf dem 0.75 Meilen langen Short-Track von Richmond. War Talladega am Sonntagabend einmal mehr ein Superspeedway-Leckerbissen, so dürfte in einer Woche in Virginia die Luft erneut brennen: In Richmond ist für gewöhnlich nichts anderes zu erwarten, als klassischer Lackaustausch auf engstem Raum.