• 28.02.2011 00:37

  • von Pete Fink

Von wegen Rente: Jeff Gordon siegt in Phoenix!

"Frührentner" Jeff Gordon ließ all seine Kritiker verstummen und gewann das zweite Saisonrennen von Phoenix in überzeugender Manier vor Kyle Busch

(Motorsport-Total.com) - 66 Sprint-Cup-Rennen sind seit dem 9. April 2009 vergangen, als Jeff Gordon (Hendrick-Chevrolet) auf dem Texas Motor Speedway zum letzten Mal ein NASCAR-Rennen gewann. Viele Kritiker unterstellten dem 39-jährigen vierfachen NASCAR-Champion deshalb, dass er nicht mehr den unbedingten Siegeswillen früherer Tage habe und sich vielleicht langsam aber sicher in die Frührente verabschieden sollte. Ein großer Trugschluss.

Titel-Bild zur News: Jeff Gordon

66 sieglose Rennen sind vorbei: Jeff Gordon gewann in Phoenix souverän

Denn was all diese Kritiker geflissentlich übersahen, war die Tatsache, dass Gordon in dieser sieglosen Phase nicht weniger als achtmal auf Rang zwei fuhr, und dabei in vier Fällen recht unglücklich und nur aufgrund schwacher finaler Restarts nicht die Oberhand behielt. Dies alles ist seit dem Subway Fresh Fit 500 (k) auf dem Phoenix International Raceway Geschichte: Jeff Gordon ist zurück in der Victory Lane! Und wie!


Fotos: NASCAR in Phoenix


138 der insgesamt 312 Runden lag der seit Saisonbeginn in weinrot gehaltene Hendrick-Chevy mit der Startnummer 24 in Front. Und als es ins Phoenix-Finale ging, zeigte der Kalifornier, dass er sehr wohl noch den Biss alter Tage hat. Er rang acht Runden vor dem Ende Kyle Busch (Gibbs-Toyota) in klassischer Short-Track-Manier nieder: Ein kleiner Schubser ausgangs Turn 4 sorgte dafür, dass Kyle Busch nicht optimal auf die Start/Zielgerade beschleunigen konnte. Gordon setzte sich auf der Innenbahn eingangs Turn 1 durch, der finale Kampf war entschieden.

Der Jubel war natürlich riesig. "Zwickt mich bitte", lautete der erste überglückliche Gordon-Kommentar nach der Zieldurchfahrt. "Das war eine sehr, sehr lange Durststrecke. Mir ist es völlig egal, auf welche Art und Weise ich in die Victory Lane zurückkomme. Hauptsache ich stehe jetzt hier." Ein wichtiger Grund für den Erfolg: "Es ist ein unglaublich tolles Gefühl, wenn du ein Auto hast, das so perfekt ist wie meines heute."

Jeff Gordon wie in alten Tagen

Jeff Gordon

Durststrecke beendet: Jeff Gordon bejubelt seinen Phoenix-Sieg Zoom

In der Tat: Schon am Freitag gab der Kalifornier zu Protokoll, dass er an seinem Hendrick-Chevrolet "so gut wie nichts" auszusetzen habe. Ein Kompliment auch in Richtung seines neuen Crewchiefs Alan Gustafson, dessen recht technische Herangehensweise dem nun 83-fachen NASCAR-Sieger sehr gut zu tun scheint. Im Rennen zeigte Jeff Gordon dann nahezu all die Qualitäten, die ihn zwischen 1995 und 2001 vier Meisterschaften gewinnen ließen.

Er ließ sich von einem frühen Mauerkuss nicht aus der Ruhe bringen, als er unschuldig in eine Rempelei zwischen Kyle Busch und Polesitter Carl Edwards (Roush-Ford) hineingezogen wurde. In Runde 73 übernahm die 24 zum ersten Mal die Führung und hielt sich seitdem schadlos. Auch die Restarts, 2010 noch die große Achillesferse des Hendrick-Piloten, funktionierten einwandfrei.

Gordon kontrollierte das Rennen fortan über weite Strecken und hielt seinen härtesten Verfolger Kyle Busch auf Distanz. In Runde 282 büsste er seine Führung beim letzten Stopp unter Grüner Flagge jedoch ein, als ihm der Penske-Dodge von Brad Keselowski (15.) in der Boxengasse in die Quere kam. Drei Umläufe später kam es nach einem Ausritt von Andy Lally (TRG-Chevrolet; 31.) zur achten und letzten Gelbphase.

In Führung lag zu diesem Zeitpunkt Tony Stewart, der sich mit nur zwei neuen Reifen nach vorne schmuggelte. Der Stewart/Haas-Boss sollte diesen strategischen Schachzug jedoch bitter bereuen, denn er wurde danach bis auf Rang sieben durchgereicht. Kurz nach dem Restart - 22 Runden vor Schluss - hatte Kyle Busch die Nase vor Jeff Gordon. "20 Runden vor dem Ende war mir klar, dass ich nun den Job erledigen musste", schilderte Gordon. "Ich wusste nicht, was mich erwarten würde, aber ich habe Kyle Busch geschlagen."

Kein Triple für den Bösewicht

Jeff Gordon, Kyle Busch

Kyle Busch hatte im Phoenix-Finale kurz die Nase vor Jeff Gordon Zoom

Runde um Runde knabberte die 24 eine Zehntelsekunde nach der anderen vom Vorsprung der 18 ab. Zehn Umläufe vor dem Ende hing Gordon dann direkt im Heck von Kyle Busch, es folgte das rennentscheidende Manöver vor Start und Ziel. "Jeff hatte heute das bessere Auto", gestand der Gibbs-Pilot. "Er hat kurzen Prozess mit mir gemacht und ich konnte ihn nicht daran hindern."

Nichts war es also mit dem zweiten Triple der NASCAR-Geschichte, denn Kyle Busch hatte in Arizona zuvor das Truck- und das Nationwide-Rennen gewonnen. Und seinem Ruf als NASCAR-Bösewicht machte er ebenfalls wieder alle Ehre, als er in Runde 59 mit Carl Edwards einen der ganz großen Phoenix-Favoriten aus dem Rennen nahm. "Das war mein Fehler und ich muss mich bei Carl entschuldigen", schlug der 25-jährige Heißsporn ungewöhnlich leise Töne an.

Der Pechvogel war sich dessen zunächst nicht sicher: "Ich habe es noch nicht gesehen, aber ich hoffe ganz einfach einmal, dass Kyle übersteuert hat", lamentierte Herbstsieger Edwards. "Es ist nur nicht besonders klug, so früh im Rennen so hart zu fahren." Was natürlich nicht nur für Kyle Busch galt, sondern auch für einige andere Sprint-Cup-Kollegen, die sich nur sieben Runden später in einer Massenkarambolage wieder fanden.

Ähnlich zum Fall Kyle Busch verlor auch Brian Vickers ausgangs Turn 2 die Kontrolle über seinen Red-Bull-Toyota. Das große Pech war, dass Vickers zu diesem Zeitpunkt auf Platz vier fuhr. Sein Quersteher weit vorne im Feld sorgte dafür, dass zwölf weitere Piloten zusammenrasselten. Unter anderem Clint Bowyer und Jeff Burton (beide Childress-Chevrolet), sowie Jamie McMurray (Earnhardt/Ganassi-Chevrolet). Bowyer bezeichnete den frühen Ehrgeiz der Kollegen kurz und knapp als "ekelerregend".

Jimmie Johnsons schnelle Heilung

Trevor Bayne

Runde 50: Das frühe Aus für Daytona-Sieger Trevor Bayne Zoom

Nachdem sich auch Daytona-Sieger Trevor Bayne (Wood-Ford) nach einem selbstverschuldeten Einschlag in Runde 50 früh verabschiedet hatte, waren im ersten Renndrittel nicht weniger als 23 der 43 Fahrzeuge von Kampfspuren gezeichnet. Nach fünf Gelbphasen in nur 67 Runden beruhigte sich das Renngeschehen zusehends, es schlug die Stunde von Jeff Gordon - und Jimmie Johnson.

Denn auch der NASCAR-Dauerchampion fand im Rennverlauf zu gewohnter Stärke zurück, nachdem er am Freitag und Samstag noch ungewöhnlich schwach auftrat. "Wir sind nicht dort, wo wir gerne sein würden", gab Johnson noch unmittelbar vor dem Rennstart offen zu. Doch nur 312 Runden später sah die Hendrick-Welt schon wieder ganz anders aus.

"In der ersten Rennhälfte haben wir sehr große Veränderungen am Auto unternommen", schilderte der Kalifornier, der in Runde 125 zum ersten Mal in den Top 5 auftauchte. Wenig später lag Johnson sogar zum ersten Mal in der noch jungen Saison 2011 in Front. In Gelbphase Nummer sieben warf ihn dann ein schlechter Stopp von Platz zwei auf neun zurück. Am Ende holte er sich Rang drei - nur Jeff Gordon und Kyle Busch waren an einem sonnigen, aber mit 12 Grad Celsius recht kühlen Phoenix-Tag zu stark.

Kevin Harvick (Childress-Chevrolet) und Ryan Newman (Stewart/Haas-Chevrolet) fuhren sich recht unauffällig auf die Plätze vier und fünf. Gleiches gilt für Red-Bull-Neuzugang Kasey Kahne, der mit seinem sechsten Platz jedoch andeutete, dass er sein "Bullenjahr" nicht nur als Übergang versteht, bevor es 2012 in Richtung Hendrick Motorsports geht. Hinter Tony Stewart wurde Kurt Busch (Penske-Dodge) Achter vor A.J. Allmendinger (Petty), dem besten Ford-Piloten.

Busch-Brüder als Spitzenreiter nach Hause

Kurt Busch, Kyle Busch, Las Vegas, Las Vegas Motor Speedway

Kyle und Kurt Busch gehen als Spitzenreiter ins heimische Las Vegas Zoom

Publikumsliebling Dale Earnhardt Jr. holte sich als Zehnter eine Top-10-Platzierung ab und untermauerte damit einen leichten Aufwärtstrend. Der Hendrick-Pilot und NASCAR-Superstar musste dabei eine Speeding-Penalty und ein loses Rad überkommen. Dieser Notstopp unter Grüner Flagge brachte ihm gegenüber der Konkurrenz einen Benzinvorteil, die achte und letzte Gelbphase tat das Übrige.

Juan Pablo Montoya hatte im Big One Riesenglück, als er dem Tohuwabohu vor seiner Kühlerhaube nur mit einem wilden Ritt über die Phoenix-Wiese ausweichen konnte. Sein Earnhardt/Ganassi-Chevy erlitt dabei einen leichten Streifschuss rechts vorne, war aber am gesamten Wochenende mit suboptimalem Handling nicht in der Lage, ganz vorne mitzumischen. Am Ende kam der Kolumbianer mit einer Runde Rückstand als 19. ins Ziel.

Zurück zur NASCAR-Normalität hieß das Phoenix-Motto nach der gigantischen Windschattenschlacht von Daytona. Wenn der flache Short-Track von Phoenix, der übrigens direkt nach dem Rennen einen neuen Belag bekommen wird, ein erstes Indiz für das aktuelle Kräfteverhältnis darstellen kann, dann kommen die Gewinner des Wochenendes eindeutig aus der Hendrick-Mannschaft.

Karrieresieg Nummer 83 für den vermeintlichen Frührentner Jeff Gordon zeigt, dass mit dem 39-Jährigen sehr wohl noch zu rechnen ist. Jimmie Johnson fand im Rennverlauf zu alter Stärke zurück - und dass Gibbs-Pilot Kyle Busch sauschnell fahren kann, ist nun wirklich kein Geheimnis. Neben Jeff Gordon können sich auch die Las-Vegas-Promoter die Hände reiben: In Gesamtwertung führt nun Kyle vor Kurt Busch und nächste Woche geht es nach Las Vegas. Dies ist bekanntlich das Heimrennen der Busch-Brothers.