• 06.02.2009 12:26

  • von Pete Fink

Steiner-Interview: "Das große Gewitter wird vorbei gehen"

Ex-Red-Bull-Teamchef Günther Steiner hat mit der NASCAR abgeschlossen - und auch wieder nicht, denn der Südtiroler beobachtet die Szene nach wie vor genau

(Motorsport-Total.com) - Mit seiner aktiven Rolle als Teamchef in der NASCAR-Mannschaft von Red Bull hat Günther Steiner abgeschlossen, aber in den USA gefällt es ihm nach wie vor gut. Den Südtiroler zieht es derzeit also nicht in seine Heimat zurück. Auch das Geschehen in der NASCAR beobachtet der weiterhin in der Charlotte-Area lebende Steiner nach wie vor intensiv.

Titel-Bild zur News: Günther Steiner Red Bull

Günther Steiner lebt in Charlotte und beobachtet die NASCAR genau

Nun steht mit Daytona die Saison 2009 unmittelbar bevor, und NASCAR-Insider Steiner sprach mit 'Motosport-Total.com' über die Themen, die er im kommenden Jahr für wesentlich hält. Dabei geht es primär um einen Bereich, und der lautet in den aktuellen US-Krisenzeiten natürlich vor allem das liebe Geld.#w1#


Fotos: Daytona Media-Day


Frage: "Günther, du als Beobachter in der unmittelbaren NASCAR-Nähe. Unter welcher Hauptprämisse erlebst du den Saisonauftakt? Ist es die Krise?"
Günther Steiner: "Ganz klar - die Wirtschaftskrise ist auch in Charlotte spürbar und das wirkt sich natürlich auf die NASCAR aus. In der NASCAR eröffnet genau diese Krise jedoch auch Möglichkeiten für einzelne Teams. Das wird in Daytona passieren, denn im Moment sind es über 55 Autos, die sich qualifizieren wollen."

"Das ist die typische NASCAR-Mentalität. Wenn es solch eine Krise gibt, dann ergibt sich die Möglichkeit, günstig einzusteigen. Man kauft sich ein Auto von einem der großen Teams und setzt das ein. Denn schon mit dem Daytona-Preisgeld kommt man zwar vielleicht nicht ganz auf Plusminus Null, aber es ist eine sehr gute Einnahmequelle."

Zwischen 35 und 40 Autos

Bristol Boxengasse

Das Sprint-Cup-Starterfeld wird im Saisonverlauf 2009 stark abnehmen Zoom

"Daher sehen wir zu Saisonbeginn eine Menge Autos, aber nach drei oder vier Rennen wird das Feld schon drastisch schrumpfen, weil ganz einfach das Geld nicht mehr da ist. Ein paar Kandidaten werden auch ganz sicher auf die Nase fallen, weil das Risiko der Nicht-Qualifikation in Daytona auch extrem hoch ist."

Frage: "Glaubst du, dass es im Saisonverlauf immer zu einem 43-köpfigen Startfeld kommen wird, oder prognostizierst du geringere Teilnehmerzahlen?"
Steiner: "Es werden weniger Starter werden, diese Tendenz hat man schon 2008 beobachten können. Vor allem wenn es in Richtung Westen, also nach Kalifornien geht. Dann werden wesentlich weniger Autos teilnehmen. Da sind alleine die Reisekosten zu teuer. Ich glaube, es wird sich zwischen 35 und 40 Autos einpendeln."

"Konstant 43 Autos sehe ich nicht, denn vor allem den kleinen Teams wird irgendwann im Saisonverlauf das Geld ausgehen. Und so schnell wird sich die amerikanische Wirtschaft nicht erholen, so schnell kehrt das Geld daher auch nicht in den Sport zurück."

Frage: "Eine derartige Situation wäre doch auch für dich eine Gelegenheit, mit einem gekauften Auto und einer angemieteten Mannschaft in die NASCAR zurückzukehren. Verfolgst du solche Pläne?"
Steiner: "Nein, einen solchen Plan habe ich nicht. Natürlich verfolge ich, was so alles los ist, aber ich war die letzten 20 Jahre immer im Motorsport unterwegs und insofern bin ich auch einmal ganz froh, ein paar Jahre kein Rennteam zu haben und zu keinem Rennen zu gehen."

Der Mittelstand bricht weg

Dale Jarrett Travis Kvapil Michael Waltrip

Die größte Gefahr gibt es für Mittelfeldteams wie Waltrip oder Yates Zoom

Frage: "Sportlich gesehen haben wir nun das Phänomen vieler kleiner Teams, deren Qualität doch eher zweifelhaft sein wird. Erwartest du daher eine noch stärkere Tendenz der Machtkonzentration im Sprint-Cup?"
Frage: "Absolut. Die Starken werden noch stärker werden und was wegfallen wird, ist der komplette Mittelstand. Also die Teams, die zwar in den letzten Jahren konstant gearbeitet haben, die jedoch nicht den Erfolg hatten. Daher erwarte ich, dass die Distanz zwischen den sehr guten Teams und den Ein-Auto-Shows noch größer wird."

"Die kleinen Teams haben keinerlei Entwicklungsmöglichkeiten im Bereich Technik, ganz geschweige von Testprüfständen oder Ingenieuren. Es wird also einen größeren Klassenunterschied geben - vielleicht noch nicht einmal zu Saisonbeginn, weil sich die Kleinen ihre Autos ja von den Großen gekauft haben. Aber das wird sich im Saisonverlauf so ergeben. Die Großen wie Hendrick, Roush oder Gibbs werden absolut dominieren."

Frage: "Wie wird sich NASCAR in dieser schwierigen Situation verhalten? Wird NASCAR irgendwann insofern einschreiten, in dem man versucht, kleine Teams künstlich an den Start zu bringen oder wird man sich auf eine Beobachterrolle beschränken?"
Steiner: "Ich glaube, man wird sich ganz genau ansehen, welche der kleinen Teams Potenzial haben. Wer also gut arbeitet und wer auch die nötige Portion Glück hat, um vielleicht eines Tages in diese entstehende Lücke im Mittelstand hineinzustoßen - wenn das Geld wieder da ist."

Schnell runter, schnell wieder rauf?

Ist die US-Finanzkrise nur ein Unwetter, das sich bald wieder verziehen wird? Zoom

"Diese Teams werden zwar sicher nicht von NASCAR finanziell unterstützt werden, aber wenn ein Sponsor an sie herantritt und sagt, wir möchten in eure Serie einsteigen, dann wird NASCAR bestimmt dabei helfen, ein für die Zukunft vielversprechendes Team zu unterstützen. Direkt eingreifen werden sie aber nicht, dafür gibt es ja das Preisgeld."

Frage: "Ich habe immer den Eindruck, als würde man um NASCAR-Charlotte herum der Meinung sein, die aktuelle Finanzkrise sei nur ein Gewitter, dass sich rasch verziehen wird. Liege ich mit dieser Theorie richtig?"
Steiner: "Das Einzige was nicht stimmt, ist das Wort rasch. Es wird dauern, denn es ist schon ein richtig großes Gewitter. Typisch für Amerika ist aber, dass es schnell nach unten und schnell wieder nach oben geht. Die Teams haben reagiert. Es wurden viele Leute entlassen, weil das Geld nicht mehr da ist. Man hat zurückgesteckt, man hat sich dem Markt angepasst."

"Es ist wie in solchen Situationen immer: Die Leute, die noch einen Job haben, sind positiv eingestellt. Die Leute, die keinen Job mehr haben, sind sehr negativ. Die Wahrheit liegt in der Mitte. Es wird eine Zeit dauern, bis sich alles wieder normalisiert hat, aber es wird sich irgendwann auch wieder erholen."

Montoya wird es schwer haben

Juan Pablo Montoya

Juan Pablo Montoya geht im neuen Outfit in seine dritte NASCAR-Saison Zoom

Frage: "Als Favoriten gehen Carl Edwards, Jimmie Johnson oder Kyle Busch in die neue Saison. Hast du darüber hinaus noch einen Überraschungsmann im Visier?"
Steiner: "Nein. Ich glaube, dass die üblichen Verdächtigen vorne mit spielen werden. Vielleicht sollte man sich ansehen, wie die Childress-Autos funktionieren, ob vielleicht ein Kevin Harvick in dieser Liga mitspielen kann. Aber ansonsten sehe ich die normalen Kandidaten weit vorne."

Frage: "Wie siehst du die Chancen von Juan Pablo Montoya? Es gab die Fusion zwischen Ganassi und DEI, sie haben ab 2009 Chevrolet-Motoren. Ist es für Montoya in seiner nunmehr dritten NASCAR-Saison möglich in den Chase zu kommen oder wird er sich wieder mit Plätzen um Rang 20 herum zufrieden geben müssen?"
Steiner: "Ich hoffe es für ihn, aber es wird schwierig werden. Wenn sich zwei Einäugige zusammen schließen, kommt meistens ein Blinder dabei heraus und nicht einer, der sehr gut sieht. Beide Teams hatten finanzielle Probleme, es wird sicher interne Machtkämpfe geben, bis man ein Zusammengehörigkeitsgefühl entwickelt hat. Ich hoffe es und ich wünsche es ihm zwar, aber daran glauben mag ich nicht so recht."

Frage: "Mit anderen Worten: Die ganze Welle der Open-Wheeler und auch der Internationalität der NASCAR ist aufgrund der großen Probleme mittlerweile komplett auf Eis gelegt..."
Steiner: "Ja. NASCAR muss sich natürlich erst einmal um das kümmern, was gerade in Amerika passiert. Das bedeutet nicht, dass Open Wheeler nicht mehr willkommen sind, aber für diese Jungs bestehen ganz einfach keine Möglichkeiten mehr, weil das Geld nicht da ist. Zudem wollen die alteingesessenen StockCar-Fans und auch die Sponsoren lieber ihre alten Haudegen sehen und das müssen die Teams in ihren Entscheidungen natürlich berücksichtigen."