• 10.11.2007 19:00

  • von Harry Miltner

NASCAR: Franchise oder nicht?

Das Franchising-System soll die NASCAR-Serie vor Langeweile retten - allerdings sind nicht alle Teameigner überzeugt

(Motorsport-Total.com) - Nachdem sich BAM-Racing-Pilot John Andretti nicht für die Dickies 500 auf dem Texas Motor Speedway qualifizieren konnte, flog er sofort nach North Carolina zurück. Bevor er abflog, räumte er noch seine Koffer halb leer um Platz für Ersatzteile zu schaffen, die dadurch mit dem Teamlaster aus Phoenix direkt mitgebracht werden konnten.

Titel-Bild zur News: Ray Evernham

Teambesitzer Ray Evernham fordert NASCAR zu raschem Umdenken auf

"Ich bezweifle, dass Hendricks Crews so etwas tun würden", lächelte Tony Morgenthau, zusammen BAM-Racing-Mitbesitzer, zusammen mit seiner Frau Beth Ann. Und Morgenthau hat natürlich recht, denn bei Hendrick Motorsports würde man sicher nicht die eigenen Koffer ausleeren um Fahrzeugteile darin mitzubringen. Vielmehr würden sie sie wohl in einem der Hendrick Firmenjets nach Charlotte stapeln.#w1#

NASCAR zu langweilig?

Dieses Beispiel vom Unterschied zwischen den Reichen und den Armen im Sport ist nicht wirklich neu. Aber in der NASCAR-Serie wird der Unterschied immer eklatanter, wobei gleichzeitig die Zahl der Reichen stetig abnimmt. Hendrick Motorsports gewann durch Jimmie Johnson und Jeff Gordon diese Saison die Hälfte der 34 Saisonrennen, beinahe 80 Prozent der Läufe von drei Teams. Die Meisterschaft ist auf ein Duell zwischen Johnson und Gordon reduziert worden.

Die Serie beginnt langsam aber sicher in Richtung Formel 1 abzudriften, wo seit Jahren fast immer nur zwei Teams um die Siege fahren. "Wenn die Serie zu einem Duell der Reichen wird, dann werden die Fans aufhören zu zu sehen. Im Moment ist das noch nicht so, aber es darf auch nie zu einem werden", warnt Teammitbesitzer Ray Evernham, der selbst drei Wagen im Rennen hat.

Zauberwort Franchising

Finanzen sind in NASCAR ein schwieriges Thema, besonders weil alle Teilnehmer, von den Piloten bis zu den Crew Chief, Einzelkontrakte haben. Gegenwärtig wird nun diskutiert die Idee des Franchisings einzuführen. Durch dieses System würde jeder Teambesitzer einen garantierten Startplatz haben und dadurch Sponsoren leichter lukrieren sowie vom NASCAR-Kuchen mitnaschen können. Aber Franchising ist teuer und schließt die aus, die die Startgebühren nicht zahlen können.

"Ich finde NASCAR hätte Franchising schon längst einführen sollen", fordert Richard Childress said. Erfolgreiche Teambesitzer wie Childress oder Joe Gibbs befürchten, dass die investierten Millionen, die heute Siege bringen, morgen aber schon nichts mehr Wert sein könnten. Rennställe müssen mit viel Geld immer an der Spitze gehalten werden.

"NASCAR hätte Franchising schon längst einführen sollen" Richard Childress

J.D. Gibbs, Besitzer von Joe-Gibbs-Racing, und Sohn des ehemaligen Washington Redskins Trainers, verriet, dass "wir schon früher versucht hatten, Franchising einzuführen. Aber es gibt einfach keinen guten Weg, dies zu tun." Wieso? Weil es zu viele offene Fragen gibt: Wieviele Franchise-Teams sollte es geben? Wer bekommt eines? Wer nicht? Wieviel sollen sie kosten? Beteiligt sich NASCAR an Teams oder nicht?

Laut Childress gibt es "Mittel und Wege NASCAR-Teambesitzer zu schützen und dennoch Wertsicherung zu betreiben. Aber das ist laut Chris Lencheski, ein Grünschnabel als Teambesitzer aber ein Marketing-Experte, "nur Teil der Gleichung". Er warnt man dürfe trotz aller Franchising-Vorteile die Fans nicht außer Acht lassen. Lencheski, Präsident der Sportmarketing Firma SKI and Co., glaubt Franchising würde die Dynamik des Sports verändern. "Die Fans würden sich zu fragen beginnen, ob das noch die NASCAR-Serie ist, die sie lieben."

NASCAR wartet zu

NASCAR hört sich nahezu alle Vorschläge an, hat aber derzeit keine konkreten Absichten ein Franchise-System einzuführen, bestätigt Steve O'Donnell, NASCARs Vizepräsident für Racing Operations. Man versucht vorläufig durch Kostensenkung, wie etwa der Einführung des standardisierten "Car of Tomorrow", der Ungleichheit Einhalt zu gebieten. "Unser Ziel ist es auch Piloten wie Alan Kulwicki eine Titelchance einzuräumen" so O'Donnell. Kulwicki ist der letzte Pilot, der als Teambesitzer die Meisterschaft einfuhr.

"Hendrick liegt derzeit zwar auf eins und zwei, aber da gibt es etwa einen Clint Bowyer, der gar nicht so weit weg ist. Vor ein paar Jahren dominierte Roush die Serie. Das verändert sich stetig. Mit dem Car of Tomorrow haben wir eine finanzielle Entlastung geschaffen, die sich erst in den nächsten Saisonen armotisieren wird."

"43 Wagen nebeneinander gibt's nur bei NASCAR" Steve O'Donnell

O'Donnell macht sich aber keine Sorgen, dass NASCAR zu vorhersehbar werden könnte. Er versichert, dass der Sport nicht mit der Formel 1 vergleichbar sei, denn man würde die Bedürfnisse aller Parteien - der Streckenbesitzer, der Teams, der Sponsoren und auch der Fans - mit einbeziehen. "Wenn wie bei uns 43 Wagen auf der Strecke Rad an Rad kämpfen, dann ist das einzigartig. Wir müssen uns darauf konzentrieren und unsere Fans bleiben uns immer erhalten."

Serie am Scheideweg

Evernham, der zugibt, dass die Teams sehr hohe Personalkosten haben, will zwar nicht bekennen, dass er gegen Hendrick, Gibbs und Roush aufgrund von weniger Dollars unterliegt, unterstützt aber NASCARs CoT-Initiative. Dennoch fordert er, dass die Serien-Offiziellen ebenfalls Personalfragen klären. "Es muss einfach Bestimmungen geben, die es verhindern, dass Leute um viel Geld weggekauft werden." Derzeit hat NASCAR keinerlei Kontrolle über Personalverträge, weil alle Beschäftigten Individualkontrakte besitzen.

"Man kann NASCAR nicht mehr so führen wie vor 30 Jahren. Das ist schade, denn es war sehr erfolgreich. Aber das ist in jedem Business so - auch in meinem. NASCARs Philosophie muss sich ein wenig anpassen, denn wir stehen bereits am Scheideweg", so Evernham.