• 07.11.2009 00:19

  • von Maximilian Kroiss

Rossi-Interview: "Qualität, aber zu wenig Quantität"

Valentino Rossi im Interview: Der Superstar über seine Saison, was sich in der MotoGP ändern sollte und Michael Schumachers Leidenschaft für Motorradrennen

(Motorsport-Total.com) - Der 30 Jahre alte Superstar der Schräglagenzunft gewinnt nicht nur WM-Titel am laufenden Band und bricht ununterbrochen Rekorde, sondern er ist auch ein Meister im Dialog. Verständlich das die Zeit des "Doctor" an den Rennwochenenden sehr begrenzt ist, ist er doch der am meisten gefragte Gesprächspartner. 'Motorsport-Total.com' konnte sich dennoch mit Valentino Rossi ausführlich unterhalten.

Titel-Bild zur News: Valentino Rossi

Valentino Rossi: Zu Recht stolz auf seine neun Weltmeisterschaften

Frage: "Valentino, der neunte Titelgewinn ist im Trockenen. War es auch der schwierigste?"
Valentino Rossi: "Dazu möchte ich zunächst sagen, dass es eine große Errungenschaft ist, neun Weltmeisterschaften gewinnen zu können. Darauf bin ich wirklich stolz! 2009 war sicherlich eine schwierige Saison. Der Zweikampf mit meinem Teamkollegen Jorge Lorenzo war etwas Neues für mich."#w1#

"Ich habe dabei ganz besondere Erfahrungen gemacht. So zum Beispiel hat er mir immer wieder neue Grenzen aufgezeigt. Aber ich denke, auch meine vorherigen WM-Schlachten waren allesamt großartige Duelle, wie zum Beispiel vergangenes Jahr mit Casey oder 2004 in meinem erstem Jahr mit Yamaha. Aber auch jener 2001 mit Max Biaggi, im letzten Jahr mit den 500ern, war ein heroischer Fight."

Frage: "Wie kannst du deine Formschwankungen in dieser Saison erklären? Ein Rennen topp, beim nächsten wieder nicht. Gleiches gilt auch für Jorge..."
Rossi: "Meiner Meinung nach ist unser Bike ein großartiges Motorrad. Es ist unglaublich schnell. Jedoch ist es manchmal schwierig abzustimmen. Der Unterschied zwischen mir und Jorge liegt im Setup. Dieses unterscheidet sich etwas. In erster Linie, weil er etwas kleiner ist als ich und deswegen auch eine andere Sitzposition am Bike einnimmt. Hinzu kommt auch, dass er manchmal eine bessere Abstimmung ausarbeitet und ein anderes Mal wiederum ich."

Keine Planung über 2010 hinaus

Valentino Rossi

Völlig offen: Wohin führt Valentino Rossis Weg nach der Saison 2010? Zoom

Frage: "Muss man wegen dem Reifenmonopol mit Bridgestone andere Wege bei der Abstimmung des Motorrads gehen?"
Rossi: "Ja, ganz klar! Es ist jetzt um ein vielfaches schwieriger die Maschine abzustimmen. Man muss jetzt einen ganz anderen Weg erarbeiten. In der Vergangenheit war es so, dass man geringfügige Probleme mit einem anderen Reifen schnell ausbügeln hat können. Jetzt ist das nicht mehr möglich."

Frage: "Deine Erwartungen für 2010?"
Rossi: "2010 wird ganz bestimmt wieder eine sehr schwierige Saison werden. Ich erwarte wieder einen beinharten Kampf mit den gleichen Jungs: Dani, Jorge und Casey. So zumindest kann ich mir das gut vorstellen. Um an der Spitze bestehen zu können, muss ich hart an mir arbeiten, um fit zu bleiben und keinesfalls darf ich die Konzentration verlieren."

Frage: "Es ist hinlänglich bekannt, dass Valentino Rossi nicht allzu weit im Voraus seine Zukunft plant. Dennoch erlaube ich mir die Frage, ob du für die Zeit nach 2010 vielleicht etwas ganz Großes planst?"
Rossi: "Ganz ehrlich, ich weiß es wirklich noch nicht. Wie ich schon mehrmals sagte, muss ich zuerst die Entscheidung treffen, ob ich weiterhin Motorradrennen fahren werde - MotoGP meine ich damit - oder etwas anderes machen werde."

Sechs Motoren viel zu wenig

Valentino Rossi

Zuviel Elektronik: Valentino Rossi fordert eine billigere Moto-GP Zoom

Frage: "Wie denkst du über die momentane Situation in MotoGP: Nur 17 Bikes am Start, zu viel Elektronik. Was sollte man tun, um dem entgegenzuwirken?"
Rossi: "Für mich bietet MotoGP immer noch die beste Qualität, jedoch fehlt es an Quantität. Für die Zukunft müssen die Motorräder billiger werden. Weniger Elektronik, deren Entwicklung Unsummen kostet. Vielleicht sollten wir auch wieder zu den 1000ccm Bikes zurückkehren. In jedem Fall müssen sich private Teams solche Maschinen leisten können."

"Zum Beispiel sollten auch für Teams die Vorjahres-Werksmaschinen erhältlich sein. So wie meine 2009er M1, die dann in der nächsten Saison ein privates Team einsetzen kann. Die momentane Situation ist etwas verzwickt, denn MotoGP ist eine Prototypen-Rennserie und diese zu entwickeln und damit Rennsport zu betreiben, ist nun mal teuer. Um aber die Quantität zu steigern müssen wir einen Weg finden, so wie es auch schon in der Vergangenheit funktioniert hat."

Frage: "Was hältst du von der limitierten Motorenanzahl, so wie es momentan für 2010 geplant ist?"
Rossi: "Sechs Motoren für eine Saison sind viel zu wenig. Diese Anzahl birgt sehr viele Risiken in sich. Ich würde sogar sagen, dass es viel zu gefährlich ist. Ein Beispiel: In einem Training an einem Grand-Prix-Wochenende passiert ein harmloser Ausrutscher ins Kiesbett. Auf die Schnelle kann nicht geklärt werden, wie viel Schmutz oder Steine in den Motor gelangt sind. Und danach mit diesem Motor weiter zu fahren wäre viel zu gefährlich."

Julian Simon im Auge

Valentino Rossi

Valentino Rossi würde in Philipp Island lieber im Frühjahr fahren Zoom

Frage: "Was hältst du von der neuen Moto2-Klasse?"
Rossi: "Keine Ahnung, was zu erwarten ist. Zuerst muss man das ganze Umfeld verstehen. Jedenfalls wird es interessant werden, diese Klasse zu verfolgen. Ich denke es wird ein harter Kampf mit vielen Fahrern, die sich auf dem gleichen Level befinden und alle denselben Motor haben werden. Ich bin aber etwas unsicher, was die Schulung der Fahrer anbelangt, die in die MotoGP aufsteigen wollen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Moto2 so gut sein wird wie die 250er-Klasse."

Frage: "Blicken wir noch eine Stufe weiter nach unten. Welcher 125er-Pilot hat dich in dieser Saison am meisten beeindruckt?"
Rossi: "Ganz klar Julian Simon. Er hat sich den WM-Titel redlich verdient. Er ist jung und schnell zugleich. Ich glaube auch, dass er sich in der neuen Moto2-Kategorie durchsetzen wird und in der Zukunft auch den Aufstieg in MotoGP schaffen kann."

Frage: "Der Rennkalender für 2010 beinhaltet 18 Grands Prix. Ist das okay?"
Rossi: "18 Rennen sind meiner Meinung nach okay. Es ist aber auch die Obergrenze, mehr sollten es nicht sein. Das einzige Problem ist nach wie vor der Termin von Phillip Island. Mir wäre es recht, wenn dieser Grand Prix zu Beginn der Saison stattfinden würde. Aber da besteht keine Chance. Letztendlich hatten wir aber dieses Jahr mit dem Wetter Glück und hoffentlich auch 2010."

Frage: "In dieser Saison hatten wir auch zwei längere Pausen. Erschweren es solche Pausen, den Rhythmus halten zu können?"
Rossi: "Ja, in jedem Fall. Leider wurde das Rennen in Ungarn kurzfristig gestrichen. Die Pause im August um eine Woche zu verlängern wäre sicherlich gut. Aber keinesfalls sollten wir wieder zwei längere Unterbrechungen haben."

Ähnlich wie Michael Schumacher

Michael Schumacher

Für Michael Schumachers Motorrad-Ausflüge hat der "Dottore" Verständnis Zoom

Frage: "Kommen wir nochmals auf deinen WM-Titel zu sprechen. Du hast soeben zum siebten Mal die Königsklasse im Motorradrennsport gewonnen. Würdest du dich jetzt auf eine Stufe wie Michael Schumacher stellen?"
Rossi: "Dazu möchte ich gleich vorweg einbringen, meine WM-Titel in der 125er- und 250er-Klasse nicht zu vergessen: Ich habe bereits neun Weltmeisterschaften gewonnen! Ganz klar, Michaels und meine Karriere sind sich sehr ähnlich. Vor allem was unsere Erfolge betrifft, die Anzahl der gewonnenen WM-Titel und aber auch seine Arbeit bei Ferrari ist in etwa gleichzustellen meiner mit Yamaha. Daher kann man Vergleiche anstellen."

Frage: "Bleiben wir bei Michael Schumacher. Wie denkst du über seine Ambitionen, Motorradrennen zu fahren?"
Rossi: "Respekt! Michael hat den schwierigen Weg gewählt. Es ist um einiges einfacher, die Karriere mit Motorrädern zu beginnen, damit groß zu werden und danach in die Automobil-Szene zu wechseln als der umgekehrte Weg. Ein Auto zu fahren ist viel selbstverständlicher und wenn man nicht früh genug mit dem Motorradfahren begonnen hat, ist es mit 35 Jahren wesentlich schwieriger ein Motorrad beherrschen zu lernen. Sicherlich keine leichte Aufgabe für Michael."

Frage: "Teilst du die Meinung der vielen Schumacher-Fans, dass es viel zu gefährlich ist für ihn ist?"
Rossi: "Ich würde sagen, dass es von seinen Zielen abhängt. Fährt er nur zum Spaß in seiner Freizeit, dann nein! Aber wie wir wissen, packt Michael alles sehr ehrgeizig an. Er möchte sich auch mit dem Motorrad auf höchstem Level bewegen. Und dabei kommt eben der große Unterschied zwischen Auto und Motorrad zum Tragen. Passiert mit einem Auto ein Fehler, kommt es höchstens zu einem Dreher, jedoch mit dem Motorrad stürzt man. Aus diesem Grund ist Motorradfahren viel gefährlicher."

Frage: "Würde Michael die Entscheidung treffen, Motorradrennsport auf höchstem Level zu betreiben, und auf dich zukommen und um deine Unterstützung bitten, würdest du ihm helfen?"
Rossi: "Ganz bestimmt! Ich könnte ihm sicher einige Anweisungen geben, das Motorrad noch besser zu verstehen lernen. Aus meiner Sicht benötigt es aber viel Zeit und noch viel mehr Kilometer. Ich denke nicht der Schlüssel zu sein, um etwaige Probleme lösen zu können."