• 05.06.2017 08:04

  • von Maria Reyer & David Emmett

Kurvenmitte & Fahrstil: Jorge Lorenzos große Schwachstellen

Jorge Lorenzo musste am Sonntag in Mugello zusehen, wie Teamkollege Dovizioso den Sieg einfährt, während er nur Achter wurde - Ducati sei "unlogisch" zu fahren

(Motorsport-Total.com) - Für Jorge Lorenzo hätte beim Grand Prix von Italien eine Sternstunde schlagen können, schließlich führte der fünffache Weltmeister in Mugello erstmals im roten Ducati-Rennanzug. Dank eines fulminanten Starts stürmte er kurzfristig an die Spitze, um sich dann ein Duell mit Ex-Teamkollege Valentino Rossi zu liefern, ehe er die Pace der Spitze nicht mehr fahren konnte. Während Teamkollege Andrea Dovizioso den ersten Ducati-Sieg 2017 holte, musste sich der Topstar auf der Desmosedici mit Platz acht zufriedengeben. "Man lernt eben keine neue Sprache in zwei Tagen", rechtfertigt er sich später.

Titel-Bild zur News: Jorge Lorenzo

Jorge Lorenzo verteidigt sich: "Sprache kann man nicht in zwei Tagen lernen!" Zoom

"Ich hatte einen guten Start und war Dritter in der ersten Kurve. Der Topspeed im sechsten Gang war viel schneller als bei allen anderen Bikes, daher konnte ich die Führung übernehmen", erklärt der Ducati-Neuling. Bereits im vierten Training habe er eine gute Pace gehabt, die wollte er im Rennen umsetzen. Doch dann kam ihm sein größter Rivale in die Quere: "Rossi hat es mir nicht erlaubt. Er hat mich überholt, speziell in der Kurvenmitte. Ich wurde gleich fünf oder sechs Mal in der Kurvenmitte überholt, was unüblich ist für mich", spricht er seine große Schwachstelle an. Er sei in den Kurven zu langsam und weit und damit ein gefundenes Opfer für seine Gegner.

"Ich war nicht schnell genug. Ich hatte mehr Topspeed und war mutig, aber ich war nicht schnell. Meine erste fliegende Runde war eine 1:48.8 Minuten, ziemlich langsam. Die nächste eine 48.6. Die Pace war also nicht so hoch", muss er sich eingestehen. Allerdings konnte auch Sieger Dovizioso auf der zweiten Ducati in der Anfangsphase nicht recht viel schneller fahren: In Runde zwei eine 1:48.7 Minuten, die Runde darauf eine 1:48.4.

Yamaha "natürlicher" als Ducati: Eine Frage des Fahrstils

"Das zweite Problem ist, dass auch wenn ich alles versuche bei der Abstimmung und dem Fahrstil, ich die Vorzüge des Bikes, speziell am Kurveneingang, nicht nutzen kann. Ich bevorzuge immer noch den Kurvenausgang, das kompensiert aber nicht die verlorene Zeit am Eingang. Dovi und Petrucci sind harte Bremser, in diesem Moment funktioniert das Bike für sie besser", ergänzt der Mugello-Vorjahressieger. Das Yamaha-Bike hätte sich für ihn eben "natürlicher" angefühlt - bereits in den ersten Rennen 2008. Die Ducati kommt ihm nicht entgegen. "Möglicherweise verlangt das Bike einen anderen Fahrstil im Moment", merkt er an.

Jorge Lorenzo

Jorge Lorenzo versucht alles, um die Ducati unter Kontrolle zu bringen Zoom

Lorenzo will jedenfalls nicht den Eindruck erwecken, er hätte seine Mission bereits aufgegeben. Er arbeite sehr hart mit Gigi Dall'Igna und den Ingenieuren, um die Kurvenschwäche des Bikes zu beheben. "Bis dahin wird es stark von der Strecke und dem Tempo abhängen, in dem ich meinen Fahrstil ändern kann. Ich versuche alles, um das Maximum aus dem Bike zu bekommen. Wir ändern die Position der Handschalthebel, der Hinterbremse und des Sitzes bei jedem Rennen. Wir schauen uns auch alle Daten der Ducati-Fahrer an, um zu sehen, wo ich verliere", betont der Ducati-Neuling sein Bemühen.

Den Wechsel zu den Italiener bereue er jedenfalls nicht und an Motivation fehle es ihm ebenfalls nicht. "Wir werden unsere Probleme in den Griff bekommen", ist er überzeugt. Allerdings erbittet er sich noch ein wenig Geduld von der Öffentlichkeit: "Wenn man 20 Jahre gleich fährt, kann man sich nicht vom einen auf den anderen Tag verändern."

"Das Bike muss man etwas unlogisch fahren"

"Dieses Bike muss man etwas unlogisch fahren, um konkurrenzfähig zu sein", glaubt Lorenzo. "Es ist das Gegenteil zur Yamaha." Derzeit seien seine Rennen durchschnittlich, nur das Podium von Jerez sticht heraus. "Wenn ich mich wieder selbstbewusst fühle auf dem Bike und es sich wie meines anfühlt, werde ich auch wieder exzellente Rennen fahren", glaubt er.


MotoGP in Mugello

Besonders bitter ist der achte Rang in Mugello angesichts des starken Ducati-Auftritts beim Heimrennen. Mit Dovizioso als Sieger und Danilo Petrucci auf Rang drei schafften es gleich zwei Markenkollegen Lorenzos auf das Podium. Erstaunlich ist auch die Leistung von Alvaro Bautista auf der GP16, mit der er auf den fünften Platz fahren konnte. "Ich bin nicht glücklich über mein Rennen", stellt Lorenzo klar, lobt aber seinen Teamkollegen: "Ich freue mich für ihn, er hat den Sieg verdient. Petrucci verbessert sich als Fahrer ebenfalls stark. Ich bin glücklich für das Team. Ich bin nur traurig, dass ich nicht schneller und konkurrenzfähiger sein kann."

Das hänge eben mit seinem Fahrstil und der Kurvenschwäche zusammen: "Auch wenn ich das Gas früher freigebe, bin ich in den Kurven nicht schneller als die anderen. Das ist ein bisschen frustrierend. Der Grip auf der Front ist anders im Vergleich zum Heck. Der Vorderreifen lässt mich kein Vertrauen aufbauen und nicht die maximale Schräglage fahren", fügt er an seine vorhin gegebene Erklärung noch an.

Dovizioso nicht überrascht von Lorenzos Problemen

Dovizioso ist jedenfalls nicht überrascht, dass Lorenzo Schwierigkeiten hat: "Jorge ist ein wirklich schneller Fahrer. Wenn er gut drauf ist, wie in Jerez, ist er sehr stark. Dieses Wochenende war unser Bike gut, aber in den anderen Rennen konnten wir nicht um den Sieg kämpfen. Wir müssen uns also noch verbessern. Er hat noch nicht viel Erfahrung mit all diesen Problemen, daher hat er Schwierigkeiten", lautet die Erklärung des Italieners.

Noch am Samstag nach dem Qualifying legte sich Lorenzo ein klares Ziel für das Rennen: "Mehr als ein Podium" sollte es werden. Nach dem Rennen muss er feststellen, dass er dieses Ziel klar verfehlt hat. Zumindest wollte er weniger Rückstand auf die Spitze aufreißen als beim Podium in Jerez. 14,767 Sekunden lag er in Spanien als Dritter zurück, am Sonntag in Italien wuchs sein Abstand auf den Teamkollegen auf 14,393 Sekunden an. Diese Vorgabe konnte er knapp erreichen. Trotzdem ist sein Blick bereits auf das Heimspiel in Barcelona am kommenden Sonntag gerichtet. "Ich bin sicher, dass ich nächstes Wochenende konkurrenzfähiger sein werde", glaubt Lorenzo.