• 21.01.2010 13:48

  • von Roman Wittemeier

Bradl-Interview: Die Ziele, der Plan

Stefan Bradl berichtet im Interview mit 'Motorsport-Total.com' über seinen Schlachtplan auf dem Weg in die neue Moto2: "Tests starten erst Mitte Februar"

(Motorsport-Total.com) - Wenn es um die Kräfteverhältnisse in der Moto2-Serie geht, die ab 2010 die bisherige 250er-Klasse ablösen wird, dann stochern die Fans und Fachleute derzeit noch im Trüben. Viele neue Chassishersteller werden sich auf der neuen Bühne präsentieren, die Umstellung auf 600er-Viertaktmotoren sorgt für weitere Fragezeichen.

Titel-Bild zur News: Stefan Bradl

Entschlossen: Stefan Bradl hat sich für das erste Moto2-Jahr viel vorgenommen

Trotz der Ungewissheit gibt sich Stefan Bradl optimistisch. Der Zahlinger steigt gemeinsam mit seinem Kiefer-Team zur neuen Saison eine Stufe im Grand-Prix-Sport auf und will in der neuen Saison sofort vorne mitfahren. Kiefer setzt auf ein Suter-MMX-Chassis, welches im Dezember erstmals ausprobiert wurde. Welche Chancen sich Bradl ausrechnet, erklärte der 20-Jährige im Interview mit 'Motorsport-Total.com'.#w1#

Frage: "Stefan, wie hat für dich das Jahr 2010 begonnen?"
Stefan Bradl: "Ich war über die Feiertage und über Silvester daheim bei der Familie. Wir wollten eigentlich alle zusammen über den Jahreswechsel auf eine Schihütte, aber da waren wir zu spät mit unserer Buchung. So war ich also die ganze Zeit daheim."

"Leider hat mich zum Jahrswechsel eine Grippe erwischt, die mich ganz schön lange beschäftigt hat. Ich war bis vor wenigen Tagen noch krank. So gesehen bin ich nicht so gut ins neue Jahr gestartet. Aber jetzt geht es mir wieder gut, ich kann voll trainieren. Und nach diesem Start kann der Rest des Jahres nur besser werden."

Zehn Testtage bis zum Saisonstart

Frage: "Wie sieht denn deine weitere Vorbereitung auf die erste Moto2-Saison aus?"
Bradl: "Wir mussten leider den für 27. und 28. Januar geplanten Test mit unserer Suter verschieben. Wir fahren jetzt also am 15. und 16. Februar in Valencia und direkt danach in Barcelona. Den ersten echten Test mit der neuen Maschine haben eben erst dann. Danach kommen noch die IRTA-Tests. Insgesamt werden wir also fünf Tests von jeweils zwei Tagen haben, bevor es in das erste Rennwochenende geht."

"Der Kopf möchte natürlich fahren." Stefan Bradl

Frage: "Bezüglich Erfahrung und Gewöhnung mit der neuen Maschine ist die Verschiebiung vielleicht nicht ganz so gut, aber aufgrund deiner Krankheit dann eventuell doch?"
Bradl: "Ja, so kann ich ganz bestimmt sofort mehr Runden und längere Distanzen zurücklegen, weil ich wieder vollständig fit bin. Körperlich kommt es mir also vielleicht entgegen, aber der Kopf möchte natürlich fahren. Es ist schade, aber die Zeit vergeht schnell."

"Der Test wäre zweifellos möglich gewesen, aber der Grund für die Verschiebung liegt auch darin, dass wir im Februar sofort perfekt ausgerüstet sind. Wir haben dann auch alle Sturzteile dabei und so weiter. Dann können wir gleich auf der Strecke auch fahrerisch voll loslegen. Dann macht es nichts, wenn zum Beispiel mal ein kleiner Ausrutscher passiert."

Frage: "Beim ersten Test mit der Suter im Dezember musstest du dir ein Chassis mit Vladimir Leonov teilen. War das glücklich?"
Bradl: "Nein, das war etwas schwachsinnig, das muss man ehrlich sagen. Okay, ich hatte einen ersten Eindruck und konnte über die Feiertage etwas besser schlafen. Ich wusste dann, was auf mich zukommt. Es war auch spaßig, aber das war's dann auch."

"Zu zweit ein Motorrad teilen ist immer blöd, wenn man den Teamkollegen fahren sieht und man selbst steht an der Box herum. Dann ist auch noch das eingetreten, was wir uns nicht gerade erhofft hatten: Er hat das Ding in die Ecke gefeuert. Das war schade. Ich bin froh, dass ich ungefähr weiß, was auf mich zukommt. Richtig beginnen können wir dann im Februar."

Größere Kräfte auf der Moto2-Maschine

Frage: "Wie ist denn das Gefühl mit der neuen Maschine? Ein erheblicher Unterschied zur kleinen 125er?"
Bradl: "Das ist sicherlich ganz anders. Für mich ist das alles noch neu. Eine 600er-Maschine war ich vorher nur auf der Straße gefahren. Aber es macht schon Spaß, ein solches Bike mal im Renntempo auf der Strecke zu fahren. Die Anti-Hopping-Kupplung und viele andere Sachen muss ich erst einmal noch richtig kennenlernen."

"Auch die ganzen anderen Sachen sind viel extremer. Plötzlich hast du da einen 190er-Reifen hintendran. Sogar der Vorderreifen bei einer Moto2-Maschine ist noch größer als das Hinterrad bei der 125er. Das ist schon extrem anders. Auch die Kräfte sind heftig. Wenn du da am Hahn drehst, dann reisst es schon deutlich mehr. Die Ziehkräfte sind ganz schön groß."

"Wenn du da am Hahn drehst, dann reisst es schon deutlich mehr." Stefan Bradl

Frage: "Bereitest du dich auf die neuen körperlichen Anforderungen speziell vor?"
Bradl: "Es ist nicht so, dass ich jetzt jeden Tag in die Muckibude gehe. Ich will jetzt nicht die wahnsinnigen Oberarmmuskeln bekommen. Aber in gewisser Weise stimme ich mein Training schon darauf ab."

"Ich mache ein paar Übungen, weil man sich beim Beschleunigen deutlich mehr nach vorn ziehen muss, damit das Vorderrad nicht abhebt. Es ist nicht so, dass es dich hinten runterschmeißt, wenn du am Hahn drehst, aber es zieht schon ganz ordentlich. Wobei ich dazu sagen muss, dass ich vielleicht sogar noch mehr Power erwartet hätte."

Frage: "In dieser neuen Moto2-Klasse tummeln sich sehr viele Chassishersteller. Das geht von Bimota über FTR und Kalex bis zu Suter. Es gibt noch einige andere. Wie kann man da den Überblick behalten und sich richtig entscheiden?"
Bradl: "Ich muss ehrlich sagen, dass ich die Hersteller auch nicht alle auf dem Schirm habe. Es gibt sehr viele verschiedene Chassis und man kann es kaum einschätzen. Ich gehe fest davon aus, dass die alle sehr eng zusammenliegen. Ich schätze, dass es da maximal einen Unterschied von ein paar Zehntelsekunden bis hin zu vielleicht einer halben Sekunde gibt. Wir hatten mit Suter sofort ein gutes Gefühl."

"Auch die kommenden Testfahrten werden da kaum echten Aufschluss geben können, denn man kann die 600er-Motoren unterschiedlich stark tunen. Du kannst 150 PS herausholen und hast einen Motor, der nicht lange hält. Oder du fährst mit 135 bis 140 PS und bist auf der sicheren Seite. Auf dieser Grundlage kann man kaum das wahre Leistungspotenzial abschätzen. Erst im März bekommen wir für die offiziellen IRTA-Tests erstmals alle den Standardmotor für die Saison. Dann gibt es vielleicht ein realistisches Bild."

Suter-Chassis als richtige Wahl?

Frage: "Ihr habt euch früh für Suter entschieden und dein Kiefer-Team ist als erstes mit den Chassis beliefert worden. Genießt ihr einen Sonderstatus bei Eskil Suter?"
Bradl: "Ich weiß es nicht, ich denke aber eigentlich nicht. Die Sache ist nur die, dass wir als erstes Team bei Suter bestellt haben, wir haben als erstes Team die Rechnung bezahlt und somit werden uns auch zuerst die Bikes geliefert."

"Ich habe die Maschinen bisher noch nicht aus der Nähe gesehen. Aber ich habe erfahren, dass wir die Chassisnummern 003 und 004 bekommen haben. Also dürften wir tatsächlich als erstes eine Lieferung bekommen haben. Das ist auch normal, wenn du als erster bestellst und als erster zahlst. Alles andere wäre doch seltsam. Ich schätze mal, dass Eskil die ersten beiden produzierten Chassis bei sich behalten hat. Eine Sonderbahndlung oder einen speziellen Status für uns sehe ich nicht."

"Ich kann eine Honda ja nicht plötzlich 'Susi' nennen." Stefan Bradl

Frage: "Die Kräfteverhältnisse in der Moto2-Serie sind kaum einzuschätzen. Aber wen hast du rein fahrerisch auf der Rechnung. Wer wird vorne dabei sein?"
Bradl: "Ich gehe fest davon aus, dass die Jungs gut mitmischen werden, die aus der MotoGP herunterkommen. Toni Elias zum Beispiel. Solche Leute sollten das eigentlich ganz gut im Griff haben. Auch die Leute, die im vergangenen Jahr in der 250er-Klasse gut waren, die muss man auf der Rechnung haben. Mike di Meglio zum Beispiel, aber auch Julian Simon, der schon Erfahrung aus der 250er-Klasse hat."

Frage: "Welches Ziel hast du dir gesetzt?"
Bradl: "Natürlich muss man jetzt erst einmal etwas abwarten und die Tests absolvieren. Aber ich habe mir grundsätzlich zum Ziel gesetzt, am Ende der Saison in den Top-10 zu sein. Ich bin sicher, das ist machbar. Vielleicht braucht man zu Beginn der Saion noch etwas Anpassungszeit, aber danach sollten solche Platzierungen eigentlich möglich sein."

Frage: "Viele Motorradsportler haben eine ganz besondere Beziehung zu ihrem Bike. Wie ist das bei dir? Wird dein neues Moto2-Bike einen Namen bekommen?"
Bradl: "Nein, ich habe da noch nie irgendwie etwas Besonderes gemacht. Sie wird wahrscheinlich einfach Suter-Honda heißen, nehme ich jedenfalls an. Ich kann eine Honda ja nicht plötzlich 'Susi' nennen...(lacht)."