24h Nürburgring 2017: Land-Audi gewinnt irres Regendrama

Ein dramatisches Finale auf der Nürburgring-Nordschleife beschert Land Motorsport einen unglaublichen Sieg - WRT verliert im Regen in der letzten Runde alles!

(Motorsport-Total.com) - Land Motorsport hat mit einem Coup den Sieg beim 45. 24-Stunden-Rennen auf dem Nürburgring geholt. Ein Regenschauer kurz vor Schluss rettete für die Mannschaft von Wolfgang Land ein Rennen, das 90 Minuten vor Schluss bereits verloren schien. Ein Wechsel auf Regenreifen beim letzten Splash-and-Dash brachte Connor de Phillippi, Christopher Mies, Markus Winkelhock und Kelvin van der Linde den Sieg ein. Es ist der vierte Sieg für Audi und der erste für Land Motorsport.

Titel-Bild zur News: Christopher Mies, Connor de Phillippi, Markus Winkelhock, Land-Audi, Zieldurchfahrt

Land Motorsport gewinnt in einem unglaublichen Finale auf der Nordschleife Zoom

Wieder einmal sorgte das 24h-Rennen auf der 25,378 Kilometer langen Kombination aus Nürburgring-Grand-Prix-Strecke und der Nordschleife für ein Drama, wie es der Langstreckenklassiker in 45 Ausgaben noch nicht gesehen hat. Land Motorsport schien das Rennen eigentlich schon verloren zu haben, als ein Elektronikproblem an einem Sensor für einen Zeitverlust sorgte, wodurch das Rennen eigentlich schon verloren schien. (Ticker-Nachlese zum 24h-Rennen auf dem Nürburgring 2017)

Kelvin van der Linde musste über eine kurze Runde für einen kurzen Service wieder an die Box kommen. Durch die zusätzliche Runde auf dem Grand-Prix-Kurs und den kurzen Boxenstopp gingen drei Minuten verloren. Ein Vorsprung von 90 Sekunden verwandelte sich in einen Rückstand von 90 Sekunden - eigentlich zu viel, um das aus eigener Kraft noch aufzuholen. Der WRT-Audi #9 (Müller/Fässler/Frijns/Rast) übernahm die Spitze.

Dicker Regenschauer stellt alles auf den Kopf

Als dann 30 Minuten vor Schluss der Himmel seine Schleusen öffnete, änderte sich die gesamte Situation schlagartig. Beide Audis mussten für einen abschließenden Splash-and-Dash an die Box. Während WRT den führenden Audi auf Slicks wieder rausschickte, was zu diesem Zeitpunkt wie die richtige Entscheidung aussah, entschied ein Missgeschick bei Land das Rennen zu ihren eigenen Gunsten. Weil der Nachtankvorgang nicht richtig funktionierte, wechselte das Team kurzerhand auf Regenreifen. Das war die letzte Chance, um noch irgendetwas zu reißen.

Das Risiko sollte sich auszahlen. Dreiviertel der 25,378 Kilometer langen Kombination aus Nürburgring-Grand-Prix-Kurs und Nordschleife standen auf einmal unter Wasser. WRT musste reagieren und schickte in der letzten Runde Rene Rast an die Box, wodurch der Land-Audi wieder die Führung übernahm. In der letzten Runde verlor WRT auch noch den zweiten Platz an den Rowe-BMW #98 (Palttala/Catsburg/Sims/Westbrook) im Bereich Adenauer Forst.

Land dominiert fast das ganze Rennen

Eigentlich hatte Land Motorsport das Rennen bereits frühzeitig im Griff. Als sich die Lage nach der hektischen Anfangsphase etwas beruhigt hatte, lag der Audi #29 quasi pausenlos an der Spitze. Für über 20 Stunden lagen Mies/de Phillippi/Winkelhock/van der Linde in Führung und sahen wie die sicheren Sieger aus. Verständlich, dass nach dem Problem zahlreiche Tränen an der Land-Box flossen. Doch im völlig verrückten Finale schlug das Pendel letztlich doch wieder zu Gunsten von Land aus.

WRT verlor schließlich auch noch den zweiten Platz in der letzten Runde, als Nick Catsburg im Rowe-BMW #98 an Rene Rast vorbeizog. Der BMW ging bereits beim allerersten Boxenstopp "off sequence". Das Rowe-Team nahm diesen schon nach drei Runden vor, um aus dem Verkehr zu kommen und sich eine günstige Track Position zu sichern. So fuhr der M6 während des Rennens immer wieder auf Rang drei und schlug ein gutes Tempo an, ohne aber die Audis jemals gefährden zu können.


Fotos: 24h Nürburgring, Rennen


Überhaupt war Audi die dominierende Fraktion bei der 45. Auflage des Langstreckenklassikers in der "Grünen Hölle" und trotzte auch erfolgreich den zehn Kilogramm Zuladung, die es vor dem Start noch gegeben hatte. Während der vier dramatischen Eröffnungsstunden, in denen eine ganze Reihe von Favoriten wegbrach, verloren auch die "vier Ringe" zwei siegfähige Autos: Der WRT-Audi #10 (Stippler/Rast/Vervisch/Müller) schied durch eine Kollision mit einem Renault Clio aus.

Und der Phonix-R8 #5 (Busch/Möller-Madsen/Rockenfeller/Stippler) sah nach einem Leitplankenkontakt mit anschließendem Reifenschaden die Zielflagge als 19. mit neun Runden Rückstand. Kurios: Das Team hatte ein Reserverad im Streckenabschnitt Breidscheid deponiert.

Es folgte eine erstaunlich ereignislose Nacht, in der sich an der Spitze kaum etwas veränderte. In den frühen Morgenstunden musste Land dann die #28 (Mies/de Phillippi/Haase/Kaffer) abschreiben, die in eine ganze Reihe von Problemen und Missgeschicke rannte. Von den fünf auf den Sieg angesetzten Audis kamen letztlich zwei durch - das reichte aus, um das Rennen zu gewinnen.

BMW muss Reifen schonen

BMW hielt sich im Rennen solide, konnte die Pace von Audi dauerhaft aber nicht gehen. Die BoP-Rochade von Anfang Mai, bei dem der M6 GT3 Leistung verlor und Gewicht eingeladen bekam, durchkreuzte die Jagd auf den ersten Sieg seit 2010. Nach dem Rowe-M6 lief der Schnitzer-Bolide #42 (Wittmann/Blomqvist/Tomczyk/Farfus) als zweitbester BMW auf Position vier ein. Mit dem Falken-BMW #33 (Dumbreck/Imperatori/Dusseldorp/Seefried) und dem Rowe-BMW #99 (Eng/Sims/Martin/Basseng) kamen insgesamt vier M6 GT3 in die Top-10.

Das Schubert-Team enttäuschte hingegen und schien nie mit Rowe und Schnitz mitgehen zu können. Beide Fahrzeuge kamen ohne Probleme durch, holten jedoch lediglich die Plätze elf mit der #20 (Krohn/Müller/Wittmer/Spengler) und zwölf mit der #19 (Müller/Edwards/Klingmann/Onslow-Cole). Einziger Abstrich in der riesigen BMW-Armada war der Schnitzer-M6 #43 (Farfus/Lynn/Da Costa/Scheider). Dieser kämpfte lange Zeit mit Rowe #98 um den Rang des besten BMWs, bis ein Unfall beim Überrunden am Sonntagvormittag das aus bedeutete. Angesichts des Regenchaos am Ende ging hier womöglich ein Sieg verloren.

Knackpunkt war, dass mit Ausnahme des Falken-Fahrzeugs alle M6 auf Michelin-Reifen rannten. Die Franzosen wurden durch das Musterreifen-Reglement hart getroffen und konnten keinen Reifen anbieten, der bei den heißen Bedingungen über einen kompletten Stint funktionierte. Die BMW-Piloten mussten vorsichtig agieren und konnten dadurch nicht durchgängig die Pace gehen, die sie eigentlich gehabt hätten.

Ferrari überrascht mit starker Pace

Für einen Farbtupfer in den Top 10 sorgte der Wochenspiegel-Ferrari #22 (Weiss/Kainz/Krumbach/Keilwitz) mit Endrang sieben. Der Michelooto-488er lief ohne Probleme über die Distanz, womit die wenigsten gerechnet hatten. Daniel Keilwitz fuhr die schnellste Runde des Rennens in 8:19.375 Minuten und empfahl sich nicht zum ersten Mal für einen Job als Werksfahrer.

Mercedes verliert heißestes Eisen viel zu früh

Mercedes konnte sich das ganze Rennen über nicht wirklich in Szene setzen. Das Vorzeigefahrzeug, der Dunlop-bereifte Black-Falcon-AMG #3 (Müller/Jäger/Engel/Seyffarth) kollidierte schon nach zweieinhalb Stunden mit dem Glickenhaus-SCG #704, als dieser für eine Code-60-Zone abbremste. Jäger nahm den Fehler auf seine Kappe. Der AMG sah als 24. die Ziellinie. Den zweiten Dunlop-Mercedes, den HTP-Boliden #47 (Asch/Baumann/Hohenadel/Mücke), erwischte es nach dreieinhalb Stunden durch eine Kollision - Aus nach nicht einmal einer VLN-Distanz.

Mercedes AMG GT3, Black Falcon

Mercedes brachte nur Michelin-Autos durch, die nicht konstant genug waren Zoom

Die Michelin-bereiften AMGs kamen nicht wirklich mit. Zu Beginn des Rennens konnten sie keine 8-Runden-Stints fahren und verloren dadurch Zeit. Am Ende kämpften sich die Vorjahressieger im Black-Falcon-AMG #1 (Engel/Christodoulou/Buurman/Metzger) auf Platz fünf nach vorn. Das Haribo-Team #8 (Alzen/Arnold/Götz/van der Zande) verlor zunächst Uwe Alzen, der sich einen grippalen Infekt zugezogen hatte. Als noch schlimmer erwies sich eine Zeitstrafe von 3:32 Minuten für Missachten von Flaggensignalen. Am Ende reichte es für Platz neun.

Der HTP-Mercedes #50 (Baumann/Buhk/Mortara/Sandström) lag lange Zeit aussichtsreich im Rennen, fiel in der chaotischen, regnerischen Schlussphase aber noch aus. Drei weitere Kunden-AMGs liefen auf den Plätzen 13 bis 15 ein, ohne jemals eine Rolle gespielt zu haben.

Glickenhaus im Pech

Der Scuderia Cameron Glickenhaus brachte die Pole-Position nur wenig: Zwar konnte Jeff Westphal in den ersten Runden die Führung verteidigen, doch nach zweieinhalb Stunden kam es zu jener verhängnisvollen Kollision mit dem Mercedes #3, die dem Fahrzeug #704 (Westphal/Mailleux/Simonsen/Laser) jegliche Siegchance raubte. James Glickenhaus reagierte frustriert: "Frank hat wegen doppelten gelben Flagge gebremst, was laut Reglement soweit ich weiß vorgeschrieben ist. Der Typ hinter ihm ist ihm voll drauf gefahren. Das war einfach schlecht."

Die Kollision bedeutete das Ende aller Sieghoffnungen für beide Parteien. Glickenhaus verlor 15 Minuten durch die Reparatur. Der SCG nahm das Rennen wieder auf, bis ein Unfall am Sonntagvormittag im Flugplatz das Rennen endgültig beendete.

Die zweite gelbe Flunder #702 (Mutsch/Piccini/Laser/Mailleux) litt das ganze Rennen über unter einem Defekt am Rückschlagventil der Tankbefüllung und konnte teilweise nur 4-Runden-Stints fahren. Aufgrund der zahlreichen Mehrstopps spielte das zweite Fahrzeug keine Rolle mehr. Es ist eine Frage von hätte, wäre, wenn: Der SCG003C fuhr Neun-Runden-Stints und Zeiten auf Audi-Niveau. Für die Sensation wäre alles angerichtet gewesen. Doch Traum Motorsport scheiterte an seiner zu kleinen Mannstärke mit nur zwei Autos.

Porsche und Bentley geschlagen

Für Porsche war das 24-Stunden-Rennen 2017 keine Reise wert: Die 911er hatten große Mühe mit den äußerst warmen Bedingungen. Die Michelin-bereiften 911er mussten sogar auf einen Kundensportreifen zurückgreifen, weil die Vignettenreifen an der Vorderachse keinen Stint gehalten hätten. Doch jener Reifen war langsamer, weshalb Manthey und Frikadelli sich nie wirklich in Szene setzen konnten.

Nach dreieinhalb Stunden wurde die Streitmacht gleich um 66 Prozent dezimiert, als fast gleichzeitig Jörg Bergmeister im Falken-Porsche #44 (Ragginger/Bergmeister/Werner/Vanthoor) im Bereich der Mutkurve zwischen Kesselchen und Klostertal abflog. "Der Überrundete hat mich einfach gar nicht gesehen", kommentiert Bergmeister die verhängnisvolle Kollision. Für die #911 war fast gleichzeitig Schluss, nachdem mehrere kleinere Berührungen beim Überrunden die Lenkung des Porsche 911 GT3 R beschädigten.

Michael Christensen, Klaus Bachler

Wenigstens einer kam durch: Frikadelli rettete Porsche das Ergebnis Zoom

Am Ende blieb Frikadelli Racing übrig. In dem Regenchaos am Ende fuhr sich die Profi-Frikadelle #31 (Christensen/Bachler/Siedler/Luhr) in dem Regenchaos noch bis auf die sechste Position vor und holte damit wenigstens noch ein halbwegs versöhnliches Resultat in einem Rennen, das Porsche am liebsten ganz schnell zu den Akten legen und die hinterste Ecke des Archivs schieben dürfte.

Auch Bentley litt unter den ungewöhnlich warmen Bedingungen in der Eifel. Die Yokohama-Reifen erwiesen sich zwar als haltbar, schmierten jedoch bei Asphalttemperaturen jenseits der 40 Grad. Die Continental GT3 konnte nicht im Entferntesten an die Leistungen aus den VLN-Läufen und vom Qualifikationsrennen anknüpfen. Am Ende wurde der Abt-Dampfhammer #37 (Brück/Menzel/Verdonck/Jöns) 16. Es blieb der Klassensieg in der SP9-LG für ältere GT3-Modelle. Der Werksfahrer-Bentley #36 (Kane/Smith/Soulet) kam auf Platz 21, der dritte Continental schied aus.

Es bleibt ein wiedermal unvergessliches 24-Stunden-Rennen mit offiziell 205.000 Zuschauern bei (größtenteils) einem Kaiserwetter über vier Tage hinweg, wie es das Rennen nur selten gesehen hat. Mit dem Saisonhöhepunkt in der Tasche konzentrieren sich die meisten Teams nun wieder auf die VLN, die am 23. Juni mit dem dritten Saisonlauf fortgesetzt wird.