Wie in alten Zeiten: Sebastien Bourdais siegt in Milwaukee

Sebastien Bourdais triumphiert in Milwaukee mit perfekter Strategie und irrem Tempo - Helio Castroneves von P24 auf P2 - Will Power stolpert über Ryan Briscoe

(Motorsport-Total.com) - Das IndyCar-Rennen auf der Milwaukee Mile wurde am Sonntag zur sicheren Beute von Sebastien Bourdais (KV-Chevrolet). Der viermalige ChampCar-Champion drückte dem Renngeschehen in der zweiten Hälfte der 250-Runden-Distanz unwiderstehlich seinen Stempel auf. Während der ersten Gelbphase in Runde 114 hatte der von Position elf gestartete Franzose die Führung übernommen, weil ihn KV-Teambesitzer und Rennstratege Jimmy Vasser anwies, nicht zum Boxenstopp hereinzukommen.

Titel-Bild zur News: Sebastien Bourdais

Milwaukee 2015: Erster Oval-Sieg für Sebastien Bourdais seit Milwaukee 2006 Zoom

Einmal an der Spitze, setzte sich Bourdais zügig von seinen Verfolgern ab und baute ein Polster für seinen nächsten Green-Flag-Stop auf. Die Konkurrenz war spritsparend unterwegs, weil man zu diesem Zeitpunkt spekulierte, mit einem Stopp weniger über die Distanz zu kommen. Bourdais hatte mit frischen Reifen leichtes Spiel. Nach seinem Green-Flag-Stop in Runde 172 benötigte er gerade einmal 16 Runden, um sich auf der Strecke von Platz zehn wieder auf Platz eins zu schieben.

Als Bourdais in Runde 213 zum letzten Green-Flag-Stop hereinkam, betrug sein Vorsprung auf die Konkurrenz eine komplette Runde und war damit groß genug, um die Führung auch nach dem Stopp zu behalten. Zittern musste Bourdais anschließend nur noch einmal: In Runde 222 verrauchte Justin Wilson der Honda-Motor im Heck seines Andretti-Boliden. Die dritte und letzte Gelbphase kam heraus. Während Bourdais auf der Strecke blieb, tauchten die Verfolger - angeführt von Helio Castroneves (Penske-Chevrolet) - noch einmal zum Boxenstopp ab, konnten in der Schlussphase aber trotz frischerer Reifen nichts mehr gegen Bourdais ausrichten.


Fotos: IndyCar in Milwaukee


Als Castroneves 13 Runden vor Schluss leichtes Übersteuern bekam, war der Käsekuchen in Milwaukee gegessen. Bourdais kreuzte nach 250 Runden als Sieger die Linie und feierte damit seinen ersten Oval-Sieg seit 2006. Damals hatte er ebenfalls auf der Milwaukee Mile triumphiert. In der Victory Lane fühlte sich der Franzose sofort an die alten Zeiten bei Newman/Haas erinnert. "Ein solches Auto, wie ich es heute hatte, hatte ich hier vor neun Jahren schon einmal erlebt. Unglaublich! Wenn auf dieser Strecke alles passt, dann macht sie wirklich Laune", sagte der 36-Jährige aus Le Mans, für den es der zweite Saisonsieg nach Detroit ist.

Helio Castroneves: Platz zwei nach Start von ganz hinten

Castroneves brachte Platz zwei ins Ziel und ist darüber nicht unglücklich. Schließlich errang er diesen, nachdem er das Rennen aufgrund eines Fauxpas seines Teams im Qualifying vom Ende des Feldes hatte aufnehmen müssen. "Das war ein hartes Stück Arbeit. Überholen war nicht einfach", so Castroneves' Urteil zum Racing mit den Aero-Kits. "Am Schluss habe ich alles gegeben. Es hat aber nicht ganz gereicht." Der Brasilianer schlug Kapital aus einem frühen ersten Boxenstopp und damit einer gegenüber der Konkurrenz abweichenden Strategie.

Platz drei ging an Graham Rahal, der einmal mehr mit aggressiver Fahrweise von sich reden machte. "Entspanntes Zurücklehnen bringt dich auf dieser Strecke nicht weiter", zuckte der Rahal-Pilot mit den Schultern und sprach von "einem weiteren guten Tag mit wichtigen Punkten, das ist die Hauptsache".

An Polesetter Josef Newgarden (CFH-Chevrolet) führte bis zur ersten Gelbphase in Runde 114 (Motorschaden am Schmidt-Honda von James Jakes) kein Weg vorbei. Während Newgarden die Chance zum Boxenstopp unter Gelb nutzte und zahlreiche weitere Piloten diesem Beispiel folgten, blieben Bourdais, Ryan Hunter-Reay (Andretti-Honda), Simon Pagenaud (Penske-Chevrolet), Justin Wilson (Andretti-Honda) und Ryan Briscoe (Schmidt-Honda) auf der Bahn.

Kapital schlagen konnte aus diesem strategischen Schachzug aber nur Bourdais, weil er anschließend als einziger in "Clean Air" unterwegs war, sprich niemanden vor sich hatte. Dies sollte sich beim ersten Rennen auf einem Ein-Meilen-Oval mit den Aero-Kits als entscheidender Vorteil erweisen.

Crash zweier Australier: Will Power stolpert über Ryan Briscoe

Will Power

Nächster Rückschlag für Vorjahres-Champion Will Power im Kampf um den Titel Zoom

Unmittelbar nach dem ersten Restart herrschte im Feld große Unruhe, die als Konsequenz möglicherweise eine erste Vorentscheidung im Titelkampf brachte - zu Ungunsten von Will Power. Der als Tabellenzweiter angereiste amtierende IndyCar-Champion wurde aus dem Rennen gerissen, als Ryan Briscoe sein Auto übersteuernd aus der Kontrolle verlor.

Power hatte beim Abflug seines australischen Landsmannes keine Chance auszuweichen. Briscoe wiederum war die Luft genommen worden, als die beiden frischbereiften Ganassi-Teamkollegen Tony Kanaan und Scott Dixon vor Turn 3 links und rechts an ihm vorbeipfiffen.

Der Penske-Chevy von Power und der Schmidt-Honda von James-Hinchcliffe-Ersatz Briscoe schlugen in der Mauer von Turn 3 ein: Feierabend für die beiden Australier. "Ich dachte, ich schaffe es noch vorbeizukommen. Leider hat das nicht geklappt", musste Power sichtlich frustriert konstatieren. In der Gesamtwertung ist der Titelverteidiger durch seinen Ausfall von Rang zwei auf Rang fünf abgerutscht.

Juan Pablo Montoya baut Tabellenführung weiter aus

Indes hat Powers Penske-Teamkollege Juan Pablo Montoya, der hinter Bourdais, Castroneves und Rahal Vierter wurde, seine Tabellenführung ausgebaut. Danach hatte es im Rennen zunächst nicht ausgehen, denn beim ersten Boxenstopp fing sich Montoya auf Rang zwei liegend eine Durchfahrtsstrafe für zu schnelles Fahren in der Boxengasse ein. "Ich habe den Knopf für den Speed-Limiter gedrückt, aber nichts passierte", wundert sich der Tabellenführer.

Juan Pablo Montoya

Juan Pablo Montoya reist mit 54 Punkten Vorsprung auf Scott Dixon nach Iowa Zoom

Mit abgewandelter Strategie (Auffüllen des Tanks am Ende der zweiten Gelbphase) kam Montoya anschließend wieder nach vorn und kämpfte in der Schlussphase sogar um die Podestplätze. Ohne die Durchfahrtsstrafe, so war sich der Kolumbianer sicher, "hätte ich auch ganz vorn mitreden können". Ob es allerdings gereicht hätte, Bourdais am Sieg zu hindern, steht auf einem anderen Blatt Papier.

Platz fünf ging an Polesetter Josef Newgarden, dessen CFH-Chevy im dichten Rennverkehr längst nicht so gut lag wie während der Solofahrt zu Beginn des Rennens. Scott Dixon beendete das 250. IndyCar-Rennen seiner Karriere auf Platz sieben hinter Ganassi-Teamkollege Tony Kanaan. Marco Andretti (Andretti-Honda/8.), der anfangs auf die gleiche Strategie wie Bourdais setzende Penske-Pilot Simon Pagenaud (9.) und Ed Carpenter (CFH-Chevrolet/10.) rundeten die Top 10 ab.

In der Gesamtwertung hat Juan Pablo Montoya vier Rennen vor Schluss der Saison 54 Punkte Vorsprung auf Scott Dixon, der nur noch fünf Zähler vor den punktgleichen Graham Rahal und Helio Castroneves liegt. Will Power fehlen nun schon 70 Punkte auf Spitzenreiter Montoya. Auch am kommenden Wochenende geht es auf einem kurzen Oval rund, dann in der Nacht von Samstag auf Sonntag auf dem Iowa Speedway.