• 24.05.2010 00:58

  • von Pete Fink

Bump-Day-Wahnsinn: Sato und Kanaan in - Tracy out!

In einem unglaublichen Finale bugsierten sich Tony Kanaan und Takuma Sato ins Indy 500 - Glückspilz Sebastian Saavedra, Riesenpech für Paul Tracy

(Motorsport-Total.com) - Der Bump-Day von Indianapolis steht jedes Jahr für ein echtes Motorsport-Drama und 2010 war es nicht anders. In den letzten 30 Minuten der sechsstündigen Session überschlugen sich die Ereignisse minütlich. Am Ende schafften es Takuma Sato (KV; 31.), Tony Kanaan (Andretti; 32.) und Sebastian Saavedra (Bryan Herta Autosport; 33.) ins Feld, während sich Jay Howard (Sarah Fisher Racing) und Paul Tracy (KV) durch Strategiefehler selbst aus dem Rennen nahmen.

Titel-Bild zur News: Tony Kanaan

Los geht's: Tony Kanaan in seinem alles entscheidenden Quali-Versuch

Der Clou an der ganzen Sache: Saavedra erfuhr von seiner nicht mehr für möglich gehaltenen Qualifikation via Telefon, weil er sich gerade zum Check im Methodist Hospital von Indianapolis befand. Der erst 19-jährige Kolumbianer lag mit einer Zeit von 2:40.978 Minuten auf Platz 33 und crashte sein Auto etwa 70 Minuten vor dem Ende. Deshalb musste sein Team eigentlich tatenlos mit ansehen, wie die Konkurrenz diese Marke in schöner Regelmäßigkeit bezwang.#w1#


Fotos: Indy 500, Qualifikation


Doch die Bump-Day-Regel besagt: Wer einen zweiten oder dritten Versuch beginnt, der gibt alle seine vorherigen Zeiten auf. Daher rutschte Saavedra immer wieder ins Feld - und blieb tatsächlich bis zum Ende drin. "Das war das größte Bump-Day-Drama, das ich in meiner Karriere jemals erlebt habe", versuchte der aufgelöste Saavedra-Teamchef Bryan Herta seine Gefühle in Worte zu fassen. Der fünffache Indy-500-Teilnehmer feierte übrigens am Bump-Day seinen 40. Geburtstag. Gibt es ein schöneres Geschenk?

Junqueira mit bärenstarkem Auftritt

Bruno Junqueira

Von 0 auf 25: Bruno Junqueira zeigte am Sonntag eine Klasse-Leistung Zoom

Aber der Reihe nach: Mit Bruno Junqueira (25.; FAZZT; 2:39.530), Alex Lloyd (26.; Dale Coyne; 2:40.154), John Andretti (28.; Andretti; 2:40.344), Sarah Fisher (29.; Fisher; 2:40.403) und Vitor Meira (30.; 2:40.437) konnten sich fünf Piloten in Sachen Rennteilnahme schon früh am Sonntag recht sicher sein. Vor allem seitens Junqueira war dies eine bärenstarke Leistung, denn der Brasilianer saß am Bump-Day zum ersten Mal in seinem FAZZT-Dallara.

Dahinter klaffte ein Zeitenloch. "Das wird nicht reichen", kommentierte Paul Tracy seinen zu diesem Zeitpunkt 30. Platz mit einer Zeit von 2:40.792 Minuten. Hinter Tracy lagen noch Jay Howard (Fisher; 2:40.841), Mario Romancini (Conquest; 2:40.855) und eben Saavedra. Takuma Satos erster Anlauf war mit 2:42.439 nicht mehr als ein "erster Versuch, das Vertrauen ins Auto wieder aufzubauen", wie der Japaner nach seinem Samstagscrash bemerkte.

Schnell wurde klar, dass Milka Duno (Dale Coyne) und Jaques Lazier im zweiten Foyt-Dallara keine Gefahr darstellen würden. Lazier drehte am Sonntag seine ersten Indy-Runden, nachdem A.J. Foyt IV gegen Mittag völlig überraschend, und aus nicht geklärten Gründen einen Rückzieher machte. Indy-Veteran Lazier sprang letztlich vergeblich ein.

Kanaan und Sato letztlich souverän

Takuma Sato

Takuma Sato behielt die Nerven und qualifizierte sich für sein erstes Indy 500 Zoom

Nach seinem zweiten Crash an zwei Tagen lag der Druck natürlich bei Tony Kanaan. Sein Andretti-Team schaffte es tatsächlich, das Ersatzauto rechtzeitig und mit dem Getriebe von Ryan Hunter-Reay wieder auf die Strecke zu bringen. Gleich in seinem ersten Anlauf fuhr Kanaan eine Zeit von 2:40.663 Minuten, was am Ende gut genug für Startplatz 32 war. Auch Sato (31.) fuhr sich in 2:40.587 Minuten sicher ins Feld und startet am 30. Mai in seinem ersten Indy 500.

Doch dann wurde es kompliziert: Mario Romancini lag auf Platz 33. Sein Conquest-Team ließ die Zeit von 2:40.855 Minuten streichen und der Brasilianer legte tatsächlich zu. In 2:40.556 fuhr er sicher auf Startplatz 27. Damit standen Howard und Tracy "on the bubble" und schienen den 33. und letzten Startplatz unter sich auszufahren. Saavedra, Lazier und Duno waren eigentlich geschlagen.

Paul Tracy startete wenige Minuten vor dem Ende einen weiteren Versuch. Das war gleichbedeutend damit, dass der Kanadier seine Zeit ebenfalls annullieren ließ. Aber der blau-rote KV-Dallara kam nicht auf den nötigen Speed, weshalb Tracy seinen Anlauf vorzeitig abbrach. Damit stand Howard im Feld, Tracy war draußen. Doch auf der Uhr waren noch einige Sekunden übrig, weshalb für einen der beiden noch ein letzter Versuch möglich war.

Wenn zwei sich streiten...

Sebastian Saavedra

Der eindeutige Glückspilz des Indy-Sonntags hieß Sebastian Saavedra Zoom

Howards Dallara stand in der Wartelinie vor dem Tracy-Auto. Der Brite ging nun ein unglaubliches Risiko ein und ließ seine Zeit ebenfalls annullieren. Weil Tracy und Howard nun beide ohne offizielle Zeiten dastanden, rutschte Saavedra mit seinen 2:40.978 Minuten plötzlich wieder auf Platz 33.

Howard hätte also lediglich seine Zeit von 2:40.841 wiederholen müssen, um sicher im Indy 500 zu stehen, denn Tracy hatte mangels Zeit keine Chance mehr zu einem Konter. Doch es kam anders: Howard knackte die Marke von 2:41 Minuten nicht - der im Krankenhaus befindliche Saavedra war im Rennen, Howard und Tracy nicht. Ein geradezu unglaubliches Szenario.

Genau wie die Szenen, die sich nach dieser hochdramatischen Entscheidung abspielten. Unter Tränen bekannte Teambesitzerin Sarah Fisher: "Ich kann das einfach nicht glauben", während ihr Schützling Howard logischerweise "total angepisst" war. "Es gibt keine Worte, die das alles beschreiben können."

Jubel bei Kanaan und Sato

Tony Kanaan

Tony Kanaan war nach dem Bump-Day-Drama sichtlich gezeichnet Zoom

Ein gefasster Paul Tracy erklärte wiederum: "Wir standen auf der Kippe, wir mussten schneller werden. Ich weiß nicht, was da passiert ist. Wenn die Strecke kühl war, dann hatte das Auto die ganze Woche über Grip. Aber in der Sonne bekamen wir einfach kein Handling zusammen."

Unter dem Strich bleibt: Die Tatsache, dass sich ausgerechnet der vermeintlich chancenlose Saavedra für das Indy 500 qualifizieren konnte, grenzt nahezu an ein Motorsport-Wunder. Ähnliches gilt für die Leistung von Tony Kanaan und dessen Andretti-Team: "Ich hatte in meinem ganzen Leben noch nicht soviel Stress", jubelte der Brasilianer. "Eigentlich hatten wir ein Auto für die Top 9 und dann gibt es zwei Unfälle. Unglaublich, dass ich doch noch im Feld stehe."

Auch Takuma Sato war unter den Glücklichen: "In den vergangenen 36 Stunden erlebte ich unglaubliche Dinge. Wir haben heute den ganzen Tag über gebraucht, um wieder auf Speed zu kommen. In den letzten 30 Minuten hat es gerade noch geklappt. Aber das war es wert, schließlich ist das Indy 500 das größte Rennen der Welt." Was am Bump-Day anno 2010 wieder einmal bewiesen wurde.