• 16.07.2013 16:08

  • von Dominik Sharaf

Kolumne: Als die DTM längst verloren hatte

'Motorsport-Total.com'-Redakteur Dominik Sharaf sieht keine Alternative zur Ekström-Disqualifikation, sehr wohl aber zu den blauen Flaggen gegen BMW

Titel-Bild zur News: Mattias Ekström

Die Action auf der Strecke war erstklassig, vieles andere hingegen nicht Zoom

(Motorsport-Total.com) - Liebe 'Motorsport-Total.com'-Leser,

es ist keine 48 Stunden her, dass Sie Mattias Ekström als Sieger eines DTM-Rennens haben feiern sehen. Vielleicht blieben Sie sogar bis Montag oder heute in diesem Glauben, mindestens aber bis in die Abendstunden des Renntags. Ich frage mich: Warum? Obwohl sich an dem Vorfall um zwei Wasserflaschen, einem jubelnden Vater und einer verdächtigen Handbewegung eines Mechanikers die Gemüter scheiden, ist die Sache doch eindeutig!

Entscheidungen mit Tragweite wollen wohl überlegt sein - klar. Der Deutsche Motor Sport Bund (DMSB) hätte den Fans an der Strecke und im heimischen Wohnzimmer sowie den wartenden Journalisten im Media Center aber schon viel früher Klarheit verschaffen müssen als um kurz vor 21 Uhr. Auch wenn es tolpatschig und kurios wirkte: In Brands Hatch wurde mit der spontanen Beförderung Robert Wickens' auf das Podium das kleinste anzunehmende Übel gewählt, die Diskussionen blieben auf dezentem Niveau.

Das mag auch daran gelegen haben, dass der Pokal unter Markenkollegen weitergereicht wurde. Mit dem Zeitpunkt der Entscheidung ist aber - zumindest in der Causa Ekström - alle Kritik an den Offiziellen geübt. In der Sache gab es keine Alternative zum Wertungsausschluss des Schweden. Da ist es auch nebensächlich, was im Parc ferme nun mit Absicht geschehen ist und was ein "Unfall" war. Man darf gespannt sein, welches juristische Kaninchen die Audi-Anwälte bis Donnerstag aus dem Hut zaubern.

Klare Fakten: Kein Spielraum bei Ekström-Urteil

Tatsache ist, dass es einen Verstoß gegen das Reglement gab, der korrekterweise mit einer Disqualifikation bestraft wurde. Das sind die Regeln. Beachtet sie der DMSB nicht, wird er von BMW und Mercedes geteert, gefedert und aufgeknüpft. Und zwar mit Recht. Als das Wasser über und in Ekströms Overall floss, war aber nicht nur der eigentlich völlig unbeteiligte Pilot der Gelackmeierte. Die DTM, die zuvor tollen Motorsport mit Action, Kontroverse, Spannung und Emotionen erlebt hatte, konnte in diesem Moment nur noch verlieren. Egal, wie die Entscheidung ausgefallen wäre.

Mattias Ekström

Als Mattias Ekström jubelte, war das Kind schon längst in den Brunnen gefallen Zoom

Jetzt gibt es Hohn, Spott und ein juristisches Nachspiel. Das wäre bei einem Freispruch oder einer milden Sanktion Ekströms genauso passiert. Dazu hätte sich die Serie einen Präzedenzfall eingehandelt, der fortan wie ein Bumerang durch das Paddock geflogen wäre. Auch mich fuchst es, dass Autorennen am grünen Tisch entschieden werden. Dass das dem Sport und der in der Zuschauergunst nicht immer wohlgesonnenen DTM nicht guttut, ist klar. Schuld daran ist aber nicht der DMSB.

Schuld daran sind diejenigen, die im Parc ferme die Wasserschlacht initiiert haben - auch wenn mir Ekströms Vater persönlich leid tut. Sollte er unabsichtlich gehandelt haben, wäre diese Story fast zu grausam für jede Vorabend-Serie: Der stolze Papa, der dem Sohnemann Unheil beschert. Immerhin kann er sich damit trösten, dass die Szene wegen der Aktion des Mechanikers ohnehin bestraft worden wäre, wie sie bestraft worden ist. Hinzu kommt, dass den Ekströms zumindest keine Meisterschaft abhanden gekommen sein wird.


Fotos: DTM auf dem Norisring


Rennleitung peinlich, Glock zu forsch

Zurück zum Rennen auf dem Norisring und weg mit der Watte für die Rennkommissare: Die Verantwortlichen haben nämlich doch großen Mist gebaut - als sie den auf einer anderen Strategie befindlichen BMW-Fahrern blaue Flaggen zeigen ließen. Das Recht dazu gibt ihnen der ohnehin längst nicht mehr zeitgemäße Artikel 31 des Sportlichen Reglements. Allerdings handelt es sich um eine "Kann"-Bestimmung. Das wirft die Frage auf, warum Passagen gelten, die der Willkür Tür und Tor öffnen.

Der Paragraph stammt aus einer Zeit der DTM, als sich mit zwei Herstellern noch vieles anders regeln ließ - was die Serie langsam aber sicher gen Abgrund schlittern ließ, ehe BMW für neuen Schwung sorgte. Sie könnte dieses Image längst los sein und mit Blick auf den Einstieg internationaler Hersteller endgültig begraben, beschert sich durch solche Fälle aber immer wieder Rückschläge. Die DTM, ein Gefangener vergangener Strukturen. Andy Priaulx kann ich nur zustimmen, wenn er sich darüber beklagt, dass spannender Rennsport zerstört wurde.

Timo Glock

In ihm lodert noch ein großes Feuer: Glock hat seinen Biss nicht verloren Zoom

Hinzu kommt, dass sich die Verantwortlichen mit dieser Aktion um ihre eigenen Errungenschaft, spannende Rennen durch Strategieschach und Reifenpoker herbeizuführen, selbst zu berauben versuchten. Ein Glück, dass die Protagonisten am Steuer es noch schafften, das zu verhindern. Aber ist "das Ganze" deshalb "lächerlich", wie es Timo Glock formuliert? Ich verstehe den MTEK-Piloten sehr gut und kann seine Aussage nachvollziehen. Für meinen Geschmack wird sie der Sache aber nicht gerecht.

Zehn Jahre Schmähkritik auf Bewährung

Der Hesse hätte die Worte wählen sollen: "Die blauen Flaggen waren lächerlich." Unterschreibe ich sofort und halte ich sogar für milde. Die DTM ist seit 2012 mitnichten eine Farce. Sie ist die einzige Topserie weltweit, in der alle Piloten bezahlt werden. Nach dem Abschied der Frauen und der PR-wirksamen Formel-1-Rentner haben sie ihre Verträge einzig aufgrund ihres Talentes inne. In den Fahrerkadern stehen mindestens drei Piloten, die bei diversen Formel-1-Teams weit oben auf dem Zettel rangieren. Streckenbetreiber werden nicht in den Ruin getrieben, die Karten sind erschwinglich.

Bei Innovationen werden binnen kürzer Zeit Nägel mit Köpfen gemacht. Am wichtigsten ist aber, dass jeder Pilot Rennen gewinnen kann. Überspitzt gesagt: Die DTM macht vieles besser als die Formel 1, wenn nicht gerade wieder ein Vorfall passiert, der den Eindruck eines Wald- und Wiesen-Sportfestes erweckt. Umso ärgerlicher, wenn es dann noch einer ist, der wie die Parc-ferme-Affäre auf dem Norisring außerhalb jedes Einflussbereichs der Offiziellen steht. Wer auf Bewährung draußen ist, für den gelten andere Gesetze der öffentlichen Meinung.

Dominik Sharaf

Redakteur Dominik Sharaf zeigt Flagge für BMW und findet an der DTM viel Gutes Zoom

Spätestens seit dem vergangenen Wochenende ist klar, dass es eine ersthafte Chance gibt, das Konzept auf eine globale Ebene zu transferieren. Trotzdem: Die Vergangenheit oder besser gesagt die massiven Anlaufschwierigkeiten der Wiederbelebung zu Beginn des Jahrtausends, in der auch so mancher nach dem nächsten Skandal nur so lechzender Schmähkritiker verhaftet scheint, holen die DTM immer wieder ein. Da hilft nur eines: Abwarten, Daumen drücken und Tee trinken. Besser kein Wasser.

Auf weitere spannende Rennen, Ihr,

Dominik Sharaf

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