• 09.07.2017 09:50

  • von Julia Spacek

Rennfahrer-Tagebuch Teil 2: Wochenende aus Fahrersicht

Zweiter Teil des Rennfahrer-Tagebuchs: 'Motorsport-Total.com' hat Marco Wittmann am Norisring begleitet - BMW-Pilot gibt Einblick in Fahreralltag

(Motorsport-Total.com) - Der Wecker klingelt am Samstagmorgen schon sehr früh bei Marco Wittmann: um 7.40 Uhr muss der BMW-Pilot hellwach bei seinen Ingenieuren im Team-Truck sitzen und die Strategie für das zweite Freie Training auf dem Norisring besprechen. Doch davor gibt es noch ein leckeres Frühstück in der BMW-Hospitality zur Stärkung.

Titel-Bild zur News: Marco Wittmann

Marco Wittmann gibt 'Motorsport-Total.com' einen Blick hinter die Kulissen Zoom

Um 8.45 Uhr schaltet die Boxenampel auf Grün und das zweite Training beginnt. Eine halbe Stunde haben Wittmann und seine 17 DTM-Fahrerkollegen Zeit, um herauszufinden, ob die Änderungen, die ihre Mechaniker über Nacht am Auto vorgenommen haben, auch funktionieren und eine Verbesserung des Fahrzeugs sind.

Im Anschluss muss Wittmann beim Debrief seinen Ingenieuren Bericht erstatten, wie sein BMW auf dem 2.300 Meter langen Stadtkurs liegt. Nach der Besprechung mit den technischen Köpfen seines Teams bleibt eine Stunde bis zum Beginn der Qualifikation. Doch diese 60 Minuten sind schnell vorbei. Auf dem Weg in seinen Fahrerraum in der Hospitality wird der Lokalmatador von zahlreichen Fans, die ihn auf Schritt und Tritt verfolgen, um Autogramme und Selfies gebeten. Auch wenn er eigentlich nicht die Zeit dafür hat, Wittmann nimmt sie sich gerne. "Es ist schön zu sehen, dass so viele Fans an die Strecke kommen, um ihre Idole zu unterstützen", sagt er.

Kaum Zeit zum Essen

Wie vor jeder Session wärmt sich Wittmann durch gezielte Übungen auf. Zeit zum Ausruhen und Erholen hat er bei einem vollgepackten DTM-Zeitplan allerdings nicht. "Ich bin schon froh, wenn ich zwischendrin Zeit zum Essen habe", schildert Wittmann, dessen Terminkalender bei seinem Heimrennen am Norisring noch straffer ist, als an einem normalen DTM-Wochenende.

"Es ist nicht so, wie ein Außenstehender vielleicht erwartet, dass wir vor dem Rennen eine Stunde Zeit haben, um Musik hören und uns auf das Sofa zu legen. Wir haben maximal 15 bis 20 Minuten vor einer Session für uns. In der Zeit ziehst du dir den Rennanzug an und bereitest dich vor. Dann hast du oft nur fünf oder zehn Minuten, wo du wirklich in dich kehren kannst und deine Ruhe hast. Mehr Zeit ist leider nicht. Da müssen wir fast schon wie Maschinen arbeiten", gibt Wittmann einen Einblick in seine Vorbereitungsphase.


Fotostrecke: DTM-Wochenende aus der Sicht eines Fahrers

Um 11.20 Uhr heißt es dann: rein ins Auto, raus auf die Strecke und schnapp dir die Bestzeit! Im Qualifying kämpft Wittmann mit den anderen 17 Fahrern um den ersten Startplatz für das Rennen um 13.25 Uhr. Für den BMW-Piloten reichte es mit 0,204 Sekunden Rückstand auf seinen Teamkollegen Maxime Martin, der sich die Pole-Position sicherte, nur für Startplatz sieben. Im anschließenden Briefing mit den Ingenieuren gibt Wittmann sein Feedback über die Geschehnisse im Zeittraining und gemeinsam wird die Strategie für das Rennen erarbeitet.

Voller Terminplan, kurze Vorbereitungszeit

Nach einem kurzen Abstecher in die Hospitality, wo Wittmann sich beim Mittagessen für das Rennen stärkt, geht es auch schon wieder zurück ins Auto. Schnell dehnen, Sturmhaube und Helm anziehen und los geht's, worauf Fans und Fahrer den ganzen Tag hin fiebern: das Rennen.

Um 12.45 Uhr begeben sich die 18 DTM-Boliden in Richtung Startaufstellung. Dort werden die Fahrer den Fans auf der beeindruckenden Steintribüne präsentiert, noch einige Interviews gegeben und Fotos mit VIP-Gästen, die sich in der Startaufstellung tummeln, gemacht. Einsetzender Regen vor Beginn des Vorstart-Prozederes sorgte am Norisring für hektische Szenen vor dem Rennstart. Regenreifen wurden aufgezogen und die Fahrer, die nasse Füße bekommen haben, mussten ihre Schuhe wechseln.


Fotos: Marco Wittmann, DTM am Norisring


Um 13.25 Uhr war es dann endlich soweit. Die 18 Autos machten sich auf die Reise und nach zwei Einführungsrunden wurde das Rennen gestartet. "Wie auf Schmierseife" bezeichneten einige Fahrer die ersten Rennrunden, in denen es zu spektakulären Überholmanövern kam. Im Laufe des Rennens trocknete die Strecke wieder ab und am Ende jubelte BMW-Pilot Bruno Spengler über seinen Sieg am Norisring. Für Marco Wittmann reichte es, wie in den vergangenen drei Rennen in Nürnberg, wieder nur für den vierten Platz.

Marco Wittmann, Mattias Ekström

Heißer Kampf um die bessere Position: Marco Wittmann und Mattias Ekström Zoom

Treffen mit Fans und Sponsoren

Nach dem Rennen muss Wittmann den TV-Sendern und Journalisten Rede und Antwort stehen gefolgt vom Meeting mit den Ingenieuren, wo das Renngeschehen und Fahrzeugverhalten im Einzelnen besprochen wird.

Um 16.35 Uhr heißt es dann Stifte zücken: während der offiziellen Autogrammstunde der DTM stellen sich die 18 Fahrer ihren zahlreichen Fans und signieren Autogrammkarten, Poster, Kappen, Fahnen und vieles mehr. "Für uns Fahrer ist es schön und wichtig, an Autogrammstunden teilzunehmen. Auch wenn der Zeitplan manchmal sehr eng getaktet ist und man von A nach B rennen muss. Aber am Ende will man den Fans etwas zurückgeben und man bekommt da sofort das direkte Feedback. Das ist immer sehr schön", sagt Wittmann.

Marco Wittmann

Bei der Autogrammstunde kommen die Fans ihren Idolen ganz nah Zoom

Nach der Autogrammstunde widmet sich Wittmann seinen Sponsoren, die der DTM traditionell beim Saisonhighlight am Norisring einen Besuch abstatten. Für Familie, Freunde und den eigenen Fanclub nimmt sich der BMW-Pilot ebenfalls ausgiebig Zeit. "Das sind meine größten Unterstützer und es ist schön, sie an der Strecke zu haben", sagt Wittmann.

Ein gemeinsames Abendessen und Beisammensein mit Freunden und Familie bildet den Abschluss des ersten Renntages am Norisring.

Der Sonntag beginnt ähnlich wie der Samstag mit einem Frühstück in der BMW-Hospitality. Da das Rennen erst am späten Nachmittag gestartet wird, ist der Zeitplan etwas entspannter als am Vortag. Doch die Abläufe sind vergleichbar: Meeting mit den Ingenieuren vor dem dritten Freien Training, das um 11.10 Uhr beginnt. Kurzes Aufwärmen bevor es ins Auto geht und 30 Minuten Ruhe im Cockpit. na ja nicht ganz, denn schließlich hat Wittmann beim Fahren allerhand zu tun. Aber für ihn ist es die entspannteste Zeit des Tages. Danach geht es zum Debrief mit den Ingenieuren und ein Mittagessen darf vor dem Qualifying um 14 Uhr natürlich auch nicht fehlen.

Immer erst der linke Handschuh...

Beim Einsteigen in seinen DTM-BMW hat Wittmann ein besonderes Ritual. "Ich bin nicht abergläubisch, aber ich ziehe den linken Handschuh zuerst an. Das mache ich seit meiner Zeit im Kartsport so. Dabei fühle ich mich einfach wohl. Wenn man so etwas mal für sich gefunden hat, dann macht man das nicht mehr anders", gesteht er.

Dass ihm die Fans beim Pit View über die Schulter und bei den Vorbereitungen zuschauen können, stört den 27-Jährigen nicht, ganz im Gegenteil. "Ich finde es klasse für die Zuschauer, dass sie in die Boxen schauen können! Sie können die Autos sehen, teilweise auch wenn sie offen sind, das war vorher nicht möglich", sagt er und verrät: "Es lenkt mich auch nicht ab. Ich winke den Leuten immer zu, wenn ich in die Box komme und sage hallo zu ihnen. In der Vorbereitungsphase auf die Session blendest du das aber aus, weil du dann im Tunnel bist und dich konzentrierst."

Marco Wittmann

Beim Pit View können die Fans ihm über die Schulter blicken: Marco Wittmann Zoom

Im Kampf um die Pole-Position muss Wittmann in einem engen Qualifying seinem BMW-Kollegen Tom Blomqvist den Vortritt lassen, der sich den ersten Startplatz für das zweite Rennen am Norisring sichert. Wittmann wird vom zwölften Platz aus starten.

Gentlemen: Please start your engines!

Nach dem Debrief steht die DTM-Autogrammstunde auf dem Programm, wo Wittmann und die 17 anderen Fahrer den Fans ihre Selfie-Wünsche erfüllen und fleißig Autogramme schreiben. Bevor um 16.40 Uhr das Startprozedere mit den Informationsrunden beginnt, kann Wittmann zwischendurch seine Familie und Freunde treffen und vor dem anstehenden Rennen Kraft tanken.

Um 17.23 Uhr heißt es dann endlich: "Gentlemen, starten Sie Ihre Motoren!" und das zweite Rennen auf dem Norisring beginnt.

Nach rund der Hälfte der Distanz sorgte Gary Paffet für eine große Schrecksekunde: der Mercedes-Pilot verlor die Kontrolle über sein Fahrzeug, schlug zuerst in die Leitplanke und dann in den Audi von Mike Rockenfeller ein. Nach dem heftigen Unfall wurde das Rennen für eine halbe Stunde unterbrochen. Rockenfeller zog sich dabei einen Bruch des Mittelfußes zu, Paffett kam mit Prellungen davon.

Nach der Bergung der Fahrzeuge und Reparaturarbeiten an den Leitplanken wurde das Rennen für die verbleiben 25 Minuten wieder gestartet. Und die hatten es in sich. In der letzten Runde kämpfte Wittmann mit Mattias Ekström und Edoardo Mortara um den dritten Platz. Noch nie stand der Fürther bei seinem Heimrennen auf dem Podium, und am Sonntag war es zum Greifen nah.

Enges Fotofinish um Platz drei

Seite an Seite überquerten die drei in einem knappen Fotofinish die Ziellinie. Mercedes-Pilot Mortara hatte die Nase vorn und kam vor Ekström und Wittmann ins Ziel. Maxime Martin machte den BMW-Erfolg komplett und bescherte den Münchnern nach Bruno Spengler am Vortag den zweiten Sieg des Wochenendes.

Auch wenn es 2017 wieder nicht mit dem Siegertreppchen beim Heimrennen geklappt hat, war es das bislang erfolgreichste Wochenende für Wittmann am Norisring. Den Abschluss einer langen und ereignisreichen Veranstaltung bilden das Briefing mit den Ingenieuren und Interviews mit den Journalisten.

Danach hat Wittmann auch Zeit, das Geschehene in Ruhe Revue passieren zu lassen und mit seinen Freunden und Teamkollegen auf ein für BMW erfolgreiches Wochenende anzustoßen. Bei der DTM in Moskau (21. bis 23. Juli) geht das ganze Spiel dann wieder von vorne los.