• 25.11.2010 13:28

  • von Roman Wittemeier

Peugeot 908: Abschied vom launischen Löwen

Nach vier Jahren mit großen Erfolgen, aber auch schmerzhaften Pleiten, geht der Peugeot 908 HDi FAP ins Museum: 19 Siege aus 28 Einsätzen

(Motorsport-Total.com) - Vor dem kommenden Jahr wird im Prototypensport der Reset-Knopf gedrückt. Der Le-Mans-Veranstalter ACO hat ein neues Reglement entworfen, was zur Folge hat, dass die beiden bisherigen Hauptkonkurrenten um die Siege neue Autos bauen. Audi legt mit dem künftigen R18 den dritten neuen Wagen innerhalb von drei Jahren auf. Zwar verkaufte man der Öffentlichkeit den diesjährigen Dieselboliden als "R15 TDI plus", doch handelte es sich nach den negativen Erfahrungen von 2009 um ein fast komplett neues Fahrzeug.

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Die goldene Stunde in Le Mans: Sieg an der Sarthe im Juni 2009

Peugeot ging unterdessen einen anderen Weg. Die Franzosen leisteten bis zuletzt Feintuning am schnellen 908 HDi FAP. Nach vier Jahren mit vielen Erfolgen - und drei schmerzhaften Le-Mans-Niederlagen - wird der Prototyp nun ins Museum geschickt. Die Bilanz kann sich sehen lassen: In 28 Renneinsätzen kam der 908 auf insgesamt 19 Siege. Allerdings triumphierte man nur ein einziges Mal in Le Mans (2009).

2007 war man an der Sarthe noch nicht aussortiert, 2008 siegte die Erfahrung von Audi und 2010 musste man mit ansehen, dass die Technik an allen vier Fahrzeugen (drei Werkswagen, ein Kunden-908 von Oreca) den Geist aufgab. Die Erfolge, die gleich beim ersten Einsatz 2007 in Monza begonnen hatten, schloss man mit drei Siegen in Silverstone, beim Petit Le Mans und zuletzt im chinesischen Zhuhai ab.

Projektstart war im Februar 2005

Die Geschichte des 908 beginnt bereits im Jahr 2005. Im Februar des Jahres entscheidet sich Peugeot zur großen Rückkehr nach Le Mans. Man will möglichst sofort wieder an die Erfolge mit dem 905 anschließen, der 1992 und 1993 an der Sarthe triumphieren konnte. Schon Ende 2005 steht fest, dass man Audi mit Dieselmitteln schlagen will: ein 5,5-Liter-V12 als Selbstzünder soll es sein.

Während die Motorenabteilung am Konzept des Dieseltriebwerks arbeitet, entscheiden sich die Aerodynamiker im Werk in Velizy für einen anderen Weg als Audi. Im Februar 2006 steht fest, dass Peugeot ein Coupé bauen wird. Zwar sind Nachteile in den Bereichen Fahrerwechsel und Sicht zu erwarten, aber es gibt aerodynamische Vorteile. Und - mindestens ebenso wichtig: man hebt sich konzeptionell vom Audi ab.

Ein erstes Modell des 908 steht im April 2006 im Windkanal. Es folgen Prüfstandstests mit dem Triebwerk, die aerodynamischen Feinheiten der Flunder werden immer weiter verändert. Am 10. Dezember 2006 beginnt man mit dem Zusammenbau des ersten kompletten Autos, zwölf Tage später wird der Motor im Heck gezündet. Augenzeugen berichten von einer mächtigen Qualmwolke, die der V12 zur Begrüßung herausschickt.

Wenige Tage später rollt der 908 erstmals bei einem privaten Shakedown in Frankreich, anschließend wird der brandneue Bolide verpackt und nach Le Castellet geschickt. Dort beginnt die Karriere des Prottypen so richtig. Am 4. Januar 2007 bewegt sich der Peugeot 908 HDi FAP erstmals im Rahmen einer offiziellen Testsession der Le-Mans-Series (LMS). Sofort wird klar: Der Löwe kann schnell rennen.

Sieg sofort beim ersten Renneinsatz

Nur drei Monate später erlebt der Wagen sein sensationelles Renndebüt. Beim LMS-Lauf in Monza am 15. April 2007 fahren Marc Gené und Nicolas Minassian auf Anhieb einen Sieg ein. Mit breiter Brust geht Peugeot die Rückkehr nach Le Mans im Juni an. Anfangs läuft es gut, Stéphane Sarrazin kann den 908 auf die Pole-Position stellen.

"Es ist einfach so, dass ich für dieses Auto ein fantastisches Gefühl aufbauen konnte. Dann fällt es auch leichter, ordentlich Druck zu machen", sagt Sarrazin im Gespräch mit 'Motorsport-Total.com'. Der Franzose ist vom ersten Tag an in das Projekt 908 involviert. "Ich kenne den Wagen in- und auswendig, weil ich unwahrscheinlich viele Kilometer damit abspulen durfte. Dadurch baut man Selbstvertrauen auf."

Sarrazin wird später noch zwei weitere Pole-Positions holen, jedoch bleibt ihm der ganz große Erfolg in Le Mans verwehrt. 2007 und 2008 profitieren die Konkurrenten von Audi von der Erfahrung, einem zuverlässigen und servicefreundlichen Auto und auch ein wenig vom Pech der Franzosen. 2010 scheitert man an der Technik.

¿pbvin|64|3167|peugeot|0|1pb¿Diese Misserfolge hakt man in Velizy ab - schmerzhaft, der auch lehrreich. Wenn man sich in Reihen der Löwen irgendwann an den 908 erinnert, dann wird man an den Triumph von 2009 denken. Marc Gené, David Brabham und Alexander Wurz sorgen damals für den großen Erfolg, Peugeot feiert einen Doppelsieg als regelrechte Befreiung.

"Als ich den 908 zum ersten Mal gefahren bin, hat es mich umgehauen", sagt Brabham, der 2009 von Highcroft ausgeliehen ist. "Ich rollte in Barcelona aus der Box und trat auf das Gaspedal. Sofort war mir klar, dass gegen diese Leistung niemand ankommen kann. Das Auto hat so viel Power und Drehmoment, dass es dich regelrecht in die nächste Kurze katapultiert."

Die Motorleistung als Erfolgsgarantie

Das Kernstück des Peugeot-Erfolges ist eindeutig der Motor. "Das Auto war auch gut", sagt Brabham, "aber keine Granate. Es war eben genau passend für die Strecke in Le Mans entworfen. Der Vorteil ist aber immer, dass du erheblich mehr Abtrieb fahren kannst, wenn du dermaßen viel Power im Heck hast. Dann bist du in Kurven und auf Geraden gut. Das Auto haut mit der schieren Kraft einfach ein Loch in die Luft."

Sinnbild für Le Mans 2010: Franck Montagny im Aus, Audi fährt vorbei Zoom

Mit dieser gewaltigen Power schafft es Peugeot, nach der Le-Mans-Enttäuschung 2010 noch für ein gutes Ende zu sorgen. Man holt sich die Krone im neuen Intercontinental Le Mans Cup (ILMC) und sammelt so weitere Pokale mit dem 908. Nach dem Finale im Oktober im chinesischen Zhuhai nimmt man endgültig Abschied vom erfolgreichen Boliden.

"Dass der 908 seine Karriere mit einem Sieg beenden durfte, ist geradezu magisch. Das Auto wird seinen Platz in Reihen von legendären Autos bekommen", jubelt Sportchef Olivier Quesnel. "Der 908 ist ein dermaßen tolles, schnelles Auto mit richtig viel Power und Abtrieb. Der Wagen ist ein wichtiger Teil meiner Karriere, weil ich in den vier Jahren viele tolle Rennen erleben durfte", sagt Sarrazin und fügt an: "Ich hoffe, dass wir im kommenden Jahr auch ein tolles Auto haben. Aber sicher kann man sich nicht sein."

Bei Peugeot stehen alle Zeichen mittlerweile auf 90X - so der Arbeitstitel des Projekts für 2011. Erste Testläufe mit einem Übergangsfahrzeug laufen bereits seit Monaten. Die deutliche Ähnlichkeit zum Vorgänger macht schnell deutlich, dass man auf die Vorzüge des 908 nicht verzichten will. "In Sachen Speed ist der 908 immer noch die Referenz. Deswegen muss man das Konzept nicht fundamental ändern", erklärt Technikchef Bruno Famin.