• 20.02.2013 12:29

Owen-Jones: "Der ACO hat einen guten Job gemacht"

Sir Lindsey Owen-Jones spricht über seine Arbeit als Präsident der Langstrecken-Kommission der FIA und die Herausforderungen der kommenden Jahre

(Motorsport-Total.com) - n der Langstrecken-Weltmeisterschaft (WEC) müssen zwei verschiedene Parteien an einen Tisch gebracht werden: Zum einen der Automobilweltverband FIA, der die Meisterschaft ausschreibt, zum anderen der ACO, der als Veranstalter der 24 Stunden von Le Mans die WEC organisiert. Bei der Ausarbeitung des Reglements müssen beide Vertreter zusammen mit den beteiligten Teams und Herstellern auf einen Nenner kommen. Dazu wurde die Langstrecken-Kommission der FIA gebildet, in der Vertreter aller Beteiligten an einem Tisch sitzen.

Titel-Bild zur News: Lindsey Owen-Jones, Präsident Langstrecken-Kommisson der FIA

Sir Lindsey Owen-Jones ist Präsident Langstrecken-Kommisson der FIA Zoom

Präsident der Langstrecken-Kommission ist Sir Lindsey Owen-Jones. Im Interview spricht der Brite über die Arbeit der Kommission, blickt auf das zukünftige technische Reglement und erklärt, vor welchen Herausforderungen der Langstreckensport heutzutage steht. Außerdem wagt er einen Ausblick auf die WEC-Saison 2013.

Frage: "Sir Lindsey, was ist die Aufgabe der Langstrecken-Kommission der FIA?"
Lindsey Owen-Jones: "Die Hauptaufgabe ist es, ein Regelwerk zu garantieren, das gerecht, sinnvoll und - so weit wie möglich - stabil ist. Ohne solche Regularien kann man keine einzige Disziplin im Motorsport organisieren. In unserem speziellen Fall gibt es einen weiteren Faktor. Die Langstrecken-Kommission steht für die Zusammenarbeit von FIA und ACO. Diese Kooperation bildet die Basis der Langstrecken-Weltmeisterschaft."

Gute Balance in der Langstrecken-Kommission

Frage: "Die WEC ist das Ergebnis der Zusammenarbeit von ACO und FIA. Wie setzt sich die Langstrecken-Kommission zusammen?"
Owen-Jones: "Diese Kommission soll eine faire Balance zwischen FIA und ACO darstellen. Von jeder Seite werden vier Personen für die Kommission benannt, alle weiteren werden in Abstimmung der beiden Verbände ausgewählt. Aktuell kann man an der Zusammenstellung der Kommission sehr schön sehen, dass es nicht nur eine Balance aus FIA und ACO gibt, sondern auch das Zusammenspiel von außergewöhnlichen Fähigkeiten, die sich dort ergänzen."

"Sein Wissen und seine Einblicke bezüglich der technologischen Aspekte unseres Sports sind faszinierend." Lindsey Owen-Jones über Patrick Head

"Die vier FIA-Repräsentanten sind Patrick Head, Andrew Craig, Mr. Hayami und Christian Schacht. Patrick Head ist aus seiner Zeit als Technikchef des Formel-1-Teams Williams bestens bekannt. Sein Wissen und seine Einblicke bezüglich der technologischen Aspekte unseres Sports sind faszinierend. Andrew Craig war lange Zeit Promoter von großen Motorsport-Meisterschaften in den USA. Er kennt sich also mit der kommerziellen Seite aus. Mr. Hayami aus Japan repräsentiert die lokalen Motorsportverbände, also die Basis. Christian Schacht ist großer GT-Experte. Mit seiner Hilfe haben wir einen perfekten Überblick über die GTE-Klasse."

"Von Seiten des ACO sitzen Präsident Pierre Fillon, Sportdirektor Vincent Beaumesnil, WEC-Chef Gerard Neveu in der Kommission sowie Jean-Francois Veroux, der Chef der Rennkommissare in Le Mans ist und mit all seiner Erfahrung in allen Situation die Ruhe bewahren kann. Hinzu kommen Personen von verschiedenen Interessengruppen. Audis Wolfgang Ullrich repräsentiert die Hersteller. Es gibt eine Arbeitsgruppe der Hersteller. Er bündelt die Ergebnisse dieser Gruppe und tritt dann im Interesse aller auf - nicht nur für Audi. Felbermayr-Chef Christian Ried ist typischer Privatier und bringt seine Sicht mit ein, Olivier Vialle von Michelin vertritt die Interessen der Sponsoren."

"So setzt sich also die Kommission im Kern zusammen. Hinzu kommen manchmal Gäste, die wir uns in die Sitzungen einladen. Beispielsweise war FIA-Technikdirektor Bernard Niclot dabei, oder auch Denis Chevrier, der als Technischer Delegierter der WEC im Einsatz ist. Er hat die Dinge am Rennplatz im Griff. Wir haben insgesamt eine interessante Gruppe zusammen, die sich gut ergänzt und gut zusammenarbeitet. Wir sind froh, dass alle übereinstimmen, dass wir gemeinsam entscheiden müssen. Wir treten geschlossen auf. In anderen Rennserien haben öffentliche Debatten oft den Frieden zerstört."

ACO Garant für den WEC-Erfolg

24 Stunden von Le Mans

Die 24 Stunden von Le Mans sind der Grundpfeiler der WEC Zoom

Frage: "2012 war ein tolles erstes Jahr für die neue WEC. Wer hatte am Erfolg den größten Anteil?"
Owen-Jones: "Da muss das Lob in erster Linie an den Promoter ACO gehen. Die haben einen guten Job gemacht, haben viele Teams in die Serie geholt und dafür gesorgt, dass alle glücklich sind. Wir von der Kommission haben eher im Hintergrund unseren Beitrag geleistet. Wir pflegen die Zusammenarbeit zwischen FIA und ACO."

"Die Teams müssen jederzeit sicher sein, dass dieses Band hält. Das schafft Vertrauen und bietet Perspektiven für die kommenden Jahre. Wenn wir mit der Kommission einen Anteil am Erfolg hatten, dann vielleicht dadurch, dass wir Stabilität und Langfristigkeit signalisiert haben. Das hat sicherlich dabei geholfen, auch für 2013 ein tolles Starterfeld zusammenzubekommen."

Frage: "Sie selbst haben als Fahrer 1994, 1995 und 1996 an den 24 Stunden von Le Mans teilgenommen. Hilft diese Erfahrung in ihrer Funktion als Präsident der Langstrecken-Kommission?"
Owen-Jones: "Im Tagesgeschäft nicht wirklich, denn ich bin eher im Hintergrund im Management tätig. Aber alle wissen, dass ich ein leidenschaftlicher Motorsportler bin. Ich glaube, dass Le Mans ein Erlebnis ist, das ein Leben verändert. Ich teile die Leidenschaft von allen Teilnehmern und habe größten Respekt vor allen. So gesehen hilft mir die Erfahrung dabei, mit allen gut zurechtzukommen. Ich werde mehr respektiert, als meine sportlichen Ergebnisse es eigentlich verlangen würden."

Sinnfrage für den Motorsport

Andre Lotterer, Benoit Treluyer, Marcel Fässler

Hybrid-Antriebe wie beim Audi machen den Langstreckensport zukunftsfähig Zoom

Frage: "Die Kommission kommt in der kommenden Woche wieder zusammen. Welches Hauptthema steht so kurz vor dem Start in die Saison 2013 auf der Agenda?"
Owen-Jones: "Die Technikleute sind bereits mit ihren Gedanken und Plänen im Jahr 2014. Sie entfernen gerade alle Schwächen, sorgen für Klärung der Fragen, die aufkommen, wenn Leute ein solches Projekt starten. Viele Details müssen geklärt und genauer definiert werden. Auf sportlicher Seite müssen wir uns noch einige Dinge im Detail anschauen. Das geht von der optimalen Regel für den Einsatz des Safety-Cars bis hin zur exakten Interpretation einiger Punkte aus dem sportlichen Reglement und der Frage, ob man Schlupflöcher finden kann. Wir arbeiten weiter an Optimierungen, auch im Sinne der Kostenreduzierung."

Frage: "Über das LMP1-Reglement für 2014 und die damit verbundene Ausweitung der Möglichkeiten bei der Energierückgewinnung wird viel gesprochen. Ist dieser Weg der richtige, wenn es um die langfristigen Perspektiven des Langstreckensports geht?"
Owen-Jones: "Der Langstreckensport war immer die Disziplin, in welcher technologischer Fortschritt am besten sichtbar wurde: Scheibenbremsen in den 1950er-Jahren, Audi mit dem Dieselmotor - all diese Dinge haben unseren Blick auf den Motorsport verändert."

"Heutzutage haben wir anderes Problem. Jeder weiß um die weltweite Wirtschaftskrise, aber im Motorsport gibt es eine weitere Krise - eine moralische Krise. Die Autofahrer weltweit werden von den Behörden und Verbänden immer weiter eingebremst. Es besteht das Risiko, dass der Motorsport in diesem Zuge irgendwann irrelevant erscheint. Aber so etwas ist Risiko und Chance zugleich."


Fotos: Präsentation WEC/Le Mans 2013


"Der Langstreckensport hat die Möglichkeit zu sagen 'Hey, wir sind relevant'. Wenn es eine Motorsportdisziplin gibt, die relevant und nützlich ist und nicht verschwenderisch mit natürlichen Ressourcen umgeht, dann ist es der Bereich Endurance. Verbrauchseffizienz ist im Langstreckensport ein echtes Plus. Das ist kein Spaß, um uns modern erscheinen zu lassen, sondern ganz real. Die Regeln basieren darauf. Wir lassen bezüglich der Wahl des Motors viele Freiheiten und sind in Sachen Energierückgewinnung viel offener als es jemand zuvor gewesen ist."

"Ich muss sagen, dass wir die 2014er-Regeln bescheiden und unvoreingenommen angehen. Niemand weiß, wie gut ein Regelwerk ist, bevor es beschlossen wird. Bisher waren die Reaktionen sowohl der Hersteller als auch der Fachpresse sehr ermutigend."

Balance zwischen Herstellern und Privatiers

Rebellion

Privatteams wie Rebellion kämpfen in der LMP1 meist auf verlorenem Posten Zoom

Frage: "Wie gelingt es der Langstrecken-Kommission, die Balance zwischen den technischen und kommerziellen Interessen der Hersteller und denen der für den Langstreckensport so wichtigen Privatteams zu wahren?
Owen-Jones: "Als ehemaliges Mitglied eines Privatteams liegt mir dieses Thema am Herzen. Es gibt zwei Klassen, die sich direkt an Privatteams richten: Die LMP2, die sehr gesund, lebhaft und hart umkämpft ist und die GTE-AM, die ein weiterer Teil der Antwort auf diese Frage ist, und die sich zu meiner Freude gut entwickelt. Zwei der vier Klassen richten sich also unmittelbar an Privatteams. Bei der Planung des zukünftigen Reglements müssen berücksichtigen, dass es eine Klasse geben wird, die nur Privatteams zugänglich ist, in der er es keine Hybrids und ein niedriges Gewichtslimit gibt."

"Im Laufe der Jahre hat sich herausgestellt, dass es für ein Privatteam in der LMP1 sehr schwierig ist, aus eigener Kraft um den Gesamtsieg zu kämpfen. Aber wenn bei den Herstellern etwas schiefgeht, zum Beispiel technische Probleme oder ein Unfall, oder bei unerwarteten Wetterbedingungen während des Rennens, können die Privatteams vielleicht nahe genug herankommen und trotz eines wesentlich kleineren Budgets ein überraschendes Resultat erzielen. Nach allem, was wir hören, scheint das für die Teams eine akzeptable Position zu sein, um Sponsoren zu behalten und weiterzumachen."

Frage: "Mit 32 Startern bei allen Rennen und fünf eingeschriebenen Herstellern: Was erwarten Sie von der WEC-Saison 2013?"
Owen-Jones: "Auf dem Papier deutet alles auf die beste Langstrecken-Saison seit vielen Jahren hin, was wirklich sehr spannend ist. Wir haben fantastische Teams, eine gute Balance zwischen den Klassen und einen gute Kalender. Das vergangene Jahr endete wunderbar, nun sollten wir im gesamten Jahr einen starken Wettbewerb erleben."

Spannende WEC-Saison 2013

"Wir können das erste Rennen in Silverstone kaum erwarten, bei dem die Fahrer um die Tourist Trophy des königlichen Automobilclubs fahren werden. Ich freue mich sehr darüber, dass die Tourist Trophy Teil der Weltmeisterschaft ist. Dass der britische Lauf diesen Titel trägt, erinnert uns an das Erbe des britischen Motorsports. Je mehr wir jedem einzelnen Lauf einen geheimnisvollen Hauch von Geschichte verpassen, umso mehr wird es uns gelingen, eine noch bessere Meisterschaft aufzubauen."

Alexander Wurz, Kazuki Nakajima

In Silverstone findet 2013 der Auftakt der WEC-Saison statt Zoom

Frage: "Bei acht berühmten Strecken im Kalender 2013: Welches Rennen sticht für sie heraus und wo werden wir Sie sehen?"
Owen-Jones: "Le Mans ist einzigartig und jedes Mal unglaublich, aber als jemand, der drei Schwestern hat, habe ich vor langer Zeit gelernt, niemanden zu bevorzugen. Ich liebe sie alle! Wer würde gerne Spa verpassen? Das ist die schönste Rennstrecke der Welt. Wer würde gerne Silverstone verpassen, die Heimstrecke vieler Fahrer und Teams? Gleiches gilt für das Rennen in Japan, der Heimat eines der beiden Wettbewerber um die Meisterschaft in der LMP1. Sie können sicher sein, dass es ein unglaubliches Rennen werden wird."

"Dann gibt es die neue Strecke in Austin, wo wir sicherlich auch eine großartige Veranstaltung erleben werden. Das ist eine gute Balance zwischen brandneuen Strecken und den historischen Kursen in Europa. Ich habe auch ein Faible für Bahrain, denn ein bestimmtes Team leistet dort hervorragende Arbeit und heißt uns immer besonders herzlich willkommen. Ich bin mir sicher, dass alle Veranstaltungen sehr spannende Rennen bieten werden. Ich werde bei mindestens der Hälfte vor Ort sein."

Frage: "Zusammengefasst: Was bedeutet Ihnen der Langstreckensport?"
Owen-Jones: "Langstrecken-Rennen sind deshalb so attraktiv, weil sie von Natur aus sehr spannend sind. In einigen anderen Meisterschaften müssen die Organisatoren Neuerungen einführen, um die Aufmerksamkeit der Medien und der Öffentlichkeit zu erregen. Langstrecken-Rennen haben das nicht nötig, sie sind ein natürliches Drama."

"Im letzten Moment zu bremsen, Autos, die in Führung liegend in Unfälle verwickelt werden, Strategien, die nicht aufgehen oder Regen, den niemand erwartet hatte - all das führt zu unerwarteten Dramen. Es scheint nie so zu verlaufen, wie man es erwartet. Das alles zusammen sorgt für spannende Rennen. Bei uns geht es wirklich mehr um die Teams als um egoistische Persönlichkeiten. Niemand gewinnt ein Langstrecken-Rennen, wenn er sich nicht auf den Teamgeist einlässt."

"Das bedeutet, dass man dass Auto für denjenigen, der als Nächster einsteigt, in bestmöglichen Zustand belassen und mit ihm zusammenarbeiten muss. Wir sprechen auch in anderen Motorsport-Kategorien vom Teamgeist, aber im Langstreckensport musst du wirklich ein Teamplayer sein, wenn du gewinnen willst."

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