• 07.06.2009 09:34

  • von Roman Wittemeier

Le-Mans-History: Triumphe und Tragödien

Die Geschichte des traditionsreichen Langstreckenspektakels an der Sarthe: Siegertypen, Speedrekorde und dramatische Unglücke

(Motorsport-Total.com) - Wenn Ferrari-Präsident Luca di Montezemolo am 13. Juni um 15:00 Uhr das 55 Fahrzeuge umfassende Le-Mans-Starterfeld auf die über 5.000 Kilometer lange Reise schickt, geht der Langstreckenklassiker bereits in seine 77. Auflage. Das 24-Stunden-Rennen auf der fast 13,7 Kilometer langen Strecke erfreut sich trotz wirtschaftlich schwieriger Rahmenbedingungen bester Gesundheit. 82 Nennungen für das diesjährige Rennen sind ein eindeutiger Beleg.

Titel-Bild zur News: Start in Le Mans

Als die Gurte kamen: Der Le-Mans-Start wurde aus Sicherheitsgründen abgeschafft

Während der Klassiker im deutschsprachigen Raum in erfolgreichen Porsche-, BMW- oder Mercedes-Jahren früher mehr Aufmerksamkeit genoss, gilt Le Mans vor allem in Japan und Großbritannien nach wie vor als das größte Rennen der Welt. Die umfassende Historie des 24-Stunden-Wettlaufs wird dort in höchsten Ehren gehalten. Die Geschichte dieses Rennens ist ein Gemisch aus sportlichen Triumphen, technischen Highlights und auch furchtbaren Tragödien.#w1#

1923-1939: Vom Debüt bis zum Krieg

Mechaniker schlafen Le Mans

Auch für die Mechaniker ist das Langstreckenrennen kein Kinderspiel Zoom

Die 24 Stunden von Le Mans waren bei der ersten Auflage 1923 als Wettkampf mehrerer Hersteller gedacht, die die Zuverlässigkeit ihrer fahrenden Maschinen öffentlich darstellen wollten. André Lagache und René Leonard sicherten sich beim Langstreckenkampf auf der damals über 17 Kilometer langen Strecke den Sieg in einem 3-Liter-Auto von Chenard-Walcker. Die beiden verblüfften die Welt mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von damals sagenhaften 92,064 km/h.

Nachdem bei der ersten Auflage 33 Autos in Le Mans waren, kamen 1924 bereits 41 Fahrzeuge an den Start - allerdings erreichten nur 18 das Ziel. Man ging bereits beim zweiten Rennen an der Sarthe an die technischen Grenzen, denn den Siegern winkte große Anerkennung. In den frühen Jahren durften die Fahrzeuge nur von je zwei Piloten gefahren werden. Reparaturen waren einzig den Fahrern vorbehalten, die ausreichend Werkzeug und Ersatzteile dabei haben mussten.

1925 wurde dann der klassische Le-Mans-Start eingeführt: Die Fahrzeuge waren in Höhe der Boxengasse aufgereiht, die Piloten mussten nach dem Startsignal zum Auto laufen, sich setzen, die Maschine starten und losfahren. Ein Spektakel der Extraklasse, welches sich bis 1970 in gleicher Form hielt. Sportlich drückten Bentley und Alfa Romeo den Jahren bis zum Kriegsbeginn 1939 den Stempel auf. 1939 siegte ein gewisser Pierre Veyron. Bei Bugatti erinnert der Name des aktuellen Topmodells an den Le-Mans-Sieger.

1949-1969: Levegh-Drama und Ferrari-Siege

Nach dem Zweiten Weltkrieg lebte das 24-Stunden-Rennen von Le Mans recht schnell wieder auf. Schon 1949 veranstaltete der ACO den Langstreckenkampf erneut mit viel Erfolg: 49 Fahrzeuge standen damals am Start. Luigi Chinetti und Peter Mitchell Thompson holten im 166 MM den ersten Sieg für Ferrari. Die Italiener sollten an der Sarthe noch acht weitere Gesamtsiege holen - bislang hat nur Porsche mehr Le-Mans-Erfolge aufzuweisen.

Gulf Porsche 917 Le Mans

Der Porsche 917 in Gulf-Lackierung wurde in Le Mans zum Kultauto Zoom

Auch Mercedes feierte in jenen Zeiten seinen ersten großen Triumph beim 24-Stunden-Rennen. 1952 fuhren Fritz Riess und Hermann Lang als Erste beim Doppelerfolg der Silbernen durchs Ziel. Erstaunlich: Die beiden Mercedes 300 SL hatten in der Qualifikation chancenlos ausgesehen, der Doppelsieg wurde von den Startpositionen 37 und 41 herausgefahren. Mercedes war 1952 ganz oben und nur drei Jahre später ganz unten.

Das Drama um Pierre Levegh gilt nach wie vor als eine der dunkelsten Stunden der Motorsportgeschichte. Der Mercedes-Pilot wurde damals Opfer einer Kettenreaktion, die Mike Hawthorn mit einem unbedachten Manöver in Gang gesetzt hatte. Der spätere Rennsieger entschied sich im allerletzten Moment für einen Boxenstopp, ohne dabei auf den Verkehr zu achten. Lance Macklins (Austin-Healey) konnte noch ausweichen, für Pierre Levegh blieb kein Platz mehr.

Der Mercedes schlug brutal in die Streckenbegrenzung ein und explodierte. Brennende Wrackteile flogen weit verstreut auf die Tribünen. Levegh hatte keine Überlebenschance, mit ihm starben insgesamt 83 Zuschauer. Das Stuttgarter Unternehmen zog nach dieser Tragödie Konsequenzen. Man verabschiedete sich vollständig vom Motorsport. In Abwesenheit von Mercedes sicherten sich Ferrari, Ford und Jaguar in der Folgezeit viele Siege.

1970-1989: Porsche erobert Le Mans

In den 1970er-Jahren zeigte Porsche der italienischen Konkurrrenz von Ferrari regelmäßig die lange Nase. Der legendäre 917 brachte die Zuffenhausener in der Kurzheck-Version bereits 1970 zum Jubeln. Hans Hermann und Richard Attwood führten einen Porsche-Dreifachtriumph an. Der Speed auf der langen Hunaudières-Geraden ging in den Folgejahren in unglaubliche Höhen. Phasenweise wurde auf dem langen Stück Landstraße Tempo 400 km/h deutlich überschritten.

Steve McQueen Le Mans

Der leidenschaftliche Racer Steve McQueen setzte Le Mans perfekt in Szene Zoom

"Das war der Wahnsinn. Du hattest keine Knautschzonen. Deine Füße waren vor der Vorderachse und eigentlich völlig ungeschützt", beschreibt der Österreicher Franz Konrad, der damals in Porsche-Diensten stand. "Leider haben wir in den Zeiten damals fast jedes Jahr einen Freund verloren." Die Sicherheitsaspekte rückten mehr und mehr in den Vordergrund, die lange Gerade wurde durch zwei Schikanen entschärft.

Das öffentliche Interesse an dem Langstreckenspektakel wurde immer größer. Daran hatte auch Hollywood seinen Anteil. 1970 wurde der bis heute als legendärer Motorsportfilm angesehene Streifen "Le Mans" mit Steve McQueen gedreht. Kaum ein anderes Werk hat die einmalige Atmosphäre des Dauerlaufs an der Sarthe bisher ähnlich packend darstellen können.

Während Porsche zum Dauersieger avancierte, traten andere Teams und Persönlichkeiten in jener Phase ebenfalls in den Blickpunkt. Henri Pescarolo feierte mit Matra Simca drei Siege in Folge. Mit insgesamt 34 Teilnahmen als Fahrer und mittlerweile 18 Einsätzen als Teamchef seiner eigenen Mannschaft ist Pescarolo eine lebende Le-Mans-Legende. Gemeinsam mit Klaus Ludwig feierte er seinen vierten Gesamtsieg 1984 im Porsche 956.

1990-Heute: Traumautos, Flugeinlagen und Diesel

Jaguar, Peugeot, McLaren, Porsche, Toyota, Nissan, Mazda, BMW, Audi - in den 1990er-Jahren entdeckten immer mehr Premiumhersteller die besondere Begeisterung für Le Mans. Jahr für Jahr waren bei dem größten Langstreckenevent des Jahres neue Boliden im Einsatz. Fast 300.000 Zuschauer jubelten jedes Jahr an der Strecke den Kontrahenten in ausgiebigen Schlachten zu.

Mazda 787 B Volker Weidler Bertrand Gachot Johnny Herbert

Volker Weidler, Bertrand Gachot und Johnny Herbert siegten 1991mit Mazda Zoom

Auch auf Fahrerseite waren die Werke nicht zimperlich. Für Le Mans wurde alles aufgeboten, was Rang und Namen hatte. Seit 1990 gab es nicht ein einziges Siegerfahrzeug in Le Mans, welches keinen Formel-1-Piloten an Bord hatte. In jedem Fall saß entweder ein Veteran aus der Königsklasse, ein Aktiver oder ein junges Talent auf dem Weg in die Formel 1 am Steuer.

Aber es gab nicht nur Jubelstimmung. 1999 stand erneut Mercedes im Mittelpunkt eines Le-Mans-Dramas, welches zum Glück ohne schwerwiegende Folgen ablief. Der damalige CLR hatte eine anscheinend äußerst fragile Aerodynamik. Am Rennwochenende hoben die Boliden von Mark Webber und Peter Dumbreck auf den Kuppen der Strecke ab und boten fürchterliche Flugeinlagen, bei welchen sich wie durch ein Wunder niemand ernsthaft verletzte. Mercedes-Rennleiter Norbert Haug zog die Boliden jedoch komplett von dem Event zurück.

Ab dem Jahr 2000 gehört die 13,6 Kilometer lange Strecke eindeutig Audi, denn seither holten sich die Ingolstädter bei neun Starts acht Gesamtsiege. Zunächst dominierte der R8, zwischendurch ließ man Bentley zum Sieg fahren (2003), um anschließend mit R8, später mit dem R10 und R10 TDI die Erfolgsserie fortzusetzen. Es war ebenso die Zeit von "Mister Le Mans" Tom Kristensen, der seine Bilanz auf einmalige acht Triumphe ausbauen konnte.