• 25.03.2014 15:00

  • von Roman Wittemeier

Konzept des neuen R18: Mehr Last nach vorn

Veränderte Aerodynamik, geringere Fahrzeugbreite und höherer Kühlbedarf: Die Kernpunkte bei der Entwicklung des neuen Audi R18 e-tron quattro

(Motorsport-Total.com) - Die LMP1-Klasse in der Langstrecken-Weltmeisterschaft (WEC) und in Le Mans kommt 2014 in neuem Gewand daher. Das Reglement der großen Prototypenszene zielt auf höchste Effizienz ab. In den Fahrzeugen arbeiten verbrauchsarme Motoren und umfangreiche Hybridsysteme, aber auch äußerlich sind einige Neuerungen sofort zu erkennen: die Autos sind nur noch 190 Zentimeter breit, die Monocoques haben andere Maße und die Reifen sind schmaler.

Titel-Bild zur News: Audi R18 e-tron quattro

Der neue Audi R18 e-tron quattro ist komplett auf Effizienz getrimmt Zoom

"Wenn man sich unser Fahrzeug von außen anschaut, dann ist es immer noch ein typischer Audi", sagt Audi-Chefentwickler Wolfgang Appel über den heute in Le Mans offiziell präsentierten R18 e-tron quattro für die bald beginnende WEC-Saison. "Wir haben immer noch die prägnante breite Nase. Die haben wir wegen der Crashstruktur, denn bei uns sind vorne zwei Cones drin, die die Kraft einleiten. Das haben wir beim neuen Auto nochmals weiterentwickelt."

"Mit dem neuen Reglement ist natürlich ein ganz anderes Auto gefordert. Die Breite ist anders, es gibt andere Reifendimensionen. Darauf muss man reagieren", schildert der erfahrene Ingenieur. Im Zentrum der Entwicklung stand vor allem die Suche nach einer perfekten Fahrzeugbalance. Bei Audi hat man sich entschieden, die Belastung der Vorderachse etwas zu erhöhen. "Die hinteren Pneus sind in Sachen Kraftübertragung natürlich limitiert. Insofern ist man versucht, die vorderen Räder etwas mehr zu belasten", sagt Appel.

Optimierung der Aerodynamik

"Das geht beispielsweise über Gewichtsverteilung, Aerodynamikbalance und auch über das Hybridsystem. Da ist es gut, dass wir auch schon im Vorjahr mit einem Hybridantrieb an der Vorderachse gefahren sind", meint der Bayer. Ab diesem Jahr darf das Audi-KERS (man setzt im Gegensatz zu Porsche und Toyota nur ein Hybridsystem ein) jederzeit Vortrieb leisten. Bislang wurde der Betrieb des Vorderachs-KERS unterhalb einer Geschwindigkeit von 120 km/h untersagt. Kurzum: Der E-Motor darf jetzt immer arbeiten.

"Wenn es ums Einsparen von Treibstoff geht, dann gibt es einige Stellschrauben: Motor, Hybrid, Fahrstil und Aerodynamik. In meinem Bereich, also in der Fahrzeugentwicklung, gibt es also nur einen Bereich, wo wir helfen können. Wir haben versucht, die Aerodynamik weiter zu optimieren", sagt Appel, der für das Gesamtfahrzeug verantwortlich ist, die Themen Hybrid und Motor allerdings in Händen der Fachleute Thomas Laudenbach und Ulrich Baretzky lässt.

Appels konkrete Zielsetzung: den Audi R18 mit aller Macht aerodynamisch effizienter gestalten - sprich: gleicher Abtrieb bei weniger Luftwiderstand, um Treibstoff sparen zu können. "Das Reglement steht etwas dagegen", sagt er jedoch. "Wir haben keine Restriktoren mehr, wir können höheren Ladedruck fahren und haben höhere Temperaturen. Dies bedeutet, dass wir einen höheren Durchsatz von Luft haben, weil wir kühlen müssen. Und mehr Kühlung ist halt gegenläufig zu einem guten cw-Wert."


Audi R18: Es werde Licht!

Im neuen Audi R18 e-tron quattro ist die Kühleranordnung eine andere als im Vorgängermodell. Dies wurde aufgrund der reduzierten Fahrzeugbreite zwangsläufig überdacht. "Man braucht einen Wasserkühler, einen Ladeluftkühler, ein Niedertemperatur-Kreislauf für das Hybridsystem und nicht zuletzt muss man Motoröl und Getriebeöl auch kühlen. Da kann man sich vorstellen, wie viele Kühler in solch einem Auto sind", sagt Appel zur großen Aufgabe,

Coole Sache: Die Hitze muss weg

"Es ist die Frage, wie ich das in den Griff bekomme. Mache ich das mit Luft-Flüssigkeits-Wärmetauschern oder mit Wasser-Öl-Wärmetauschern? Der Strauß der Möglichkeiten ist üppig", so der verantwortliche Techniker. "Das Herauslassen der warmen Luft ist das Problem. Man will wegen der Aerodynamik immer das Heck möglichst tief machen. Das führt irgendwann dazu, dass ich letztlich nur noch mit Louvers (deutsch: Entlüftungsschlitze) arbeiten kann. Dies wiederum ist aerodynamisch übel, denn man produziert durch diese Schlitze 'schlechte Luft', weil Wirbel entstehen."

Die Probleme, die bei einer solchen Aufgabenstellung entstehen können, wurden allen Fans zuletzt am Beispiel des neuen Red Bull RB10 in der Formel 1 deutlich. Technikgenie Adrian Newey - ein Fan von äußerst kompakter Bauweise - hatte es wohl beim sogenannten "Packaging" übertrieben. Die enge Anordnung sehr heißer Bauteile brachte große Sorgen mit sich. Der RB10 überhitzte regelmäßig, bei Testfahrten schnitzte man provisorisch Lüftungsschlitze ins Auto - nicht gerade High-Tech...

Wolfgang Appel Filipe Albuquerque

Arbeiten an der Performance des R18: Wolfgang Appel und Filipe Albuquerque Zoom

"Wenn man den Kühlbedarf falsch eingeschätzt hat und nachbessern muss, dann muss man an den Kern eines Gesamtfahrzeuges. Dann ist das aerodynamische Konzept in Gefahr: alle Flips und Flaps, alle Lufteinlässe und die gesamten Systeme zur Kühlung. Dann kann man nicht auf die Schnelle reagieren", hat Appel Verständnis für die Situation bei den Formel-1-Weltmeistern. "Da helfen auch keine Millionen, sondern du brauchst Zeit. Genau das ist Adrian Newey jetzt passiert."

Bei Audi macht man sich keine solchen Sorgen. Beim Wechsel vom Benziner zum Diesel vor der Saison 2006 hatten die Ingolstädter ähnliche Erfahrungen gemacht und mit der Hitze des damals neuen 5,5-Liter-Turbodiesels zu kämpfen gehabt. Nun steht man bezüglich Kühlung auf der sicheren Seite. Man nimmt die möglicherweise nachteiligen Lüftungskanäle in Kauf und hofft auf positive Effekte des neuen verstellbaren Flügelprofils an der Front des LMP1-Autos.

Abgase nicht nutzbar: Effizient ist das nicht...

"Damit kann man schön spielen und die Luft leiten. So etwas nutzt man, um noch effizienter zu sein", freut sich Appel über eine Möglichkeit, die in der LMP1-Klasse nicht ganz unbekannt ist. Insgesamt ging es dem Entwickler und seinem Team um die möglichst effiziente Nutzung des Luftstroms. Man will Abtrieb generieren, aber nicht um jeden Preis. Der goldene Weg über die Nutzung des Abgasstroms wurde von den Regelmachern zur neuen Saison leider unterbunden.

"Das ist jammerschade. Da geht uns einiges verloren", meint Appel. Am Audi R18 des Vorjahres hatte man die Auspuffgase als Hilfsmittel auf dem Weg zu mehr Anpressdruck am Heck genutzt. "Wir hatten ja keinen wirklichen angeblasenen Diffusor, sondern haben die Abgase genutzt, um den Diffusor seitlich quasi zu versiegeln", sagt der Ingenieur. Der Effekt: Der Luftstrom im Diffusor wurde beschleunigt, das Heck wurde auf den Boden gesaugt - ohne dass zusätzlich Luftwiderstand erzeugt wurde.

"Ich finde es im Reglement eigentlich ein falsches Zeichen. Wenn man alles auf Effizienz trimmt, dann hätte ich als Ingenieur eigentlich erwartet, dass man mir die Möglichkeit gibt, auch ein effizientes Auto zu bauen. Und wenn man dabei die Auspuffgase nutzen kann, warum denn nicht? Eigentlich ist es nun also ein Schritt zurück zu konservativen Ansätzen - schade drum", meint Appel, der als leidenschaftlicher Entwickler gern weiterhin mit Auspuffgasen, oder sogar mit beweglichen Aerodynamikteilen, flexiblen Materialien und Schürzen gearbeitet hätte.


WEC 2014: Audi R18 e-tron quattro

Gleichzeitig hat der Audi-Chefentwickler auch Verständnis für das Verbot solcher Elemente. Die Entwicklungskosten sind hoch, die Sicherheit womöglich aufgrund extrem schneller Fahrzeuge in Frage gestellt - und: man darf doch in der WEC nichts erlauben, was in der Formel 1 untersagt ist, oder? "Das könnte auch eine Rolle gespielt haben", schmunzelt Appel. "Das sind sehr politische Themen. Ich als Ingenieur finde es einfach schade. Aber in drei Jahren soll das Reglement wieder überdacht werden. Vielleicht wird es dann solche Freiheiten geben."

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