• 22.03.2014 08:11

  • von Roman Wittemeier

Fuel-Flow-Meter: Funktioniert es in der WEC?

Nach der Disqualifikation von Daniel Ricciardo im Anschluss an den Grand Prix von Australien ist der Fuel-Flow-Meter im Fokus: Die LMP1-Szene hat gewisse Vorbehalte

(Motorsport-Total.com) - Der sogenannte Fuel-Flow-Meter - also das neue Gerät zur Messung des Treibstoffdurchflusses - ist seit dem Grand Prix von Australien ein großes Thema in der Motorsportwelt. Die Königsklasse ist nach der Disqualifikation von Daniel Ricciardo, der seinen zweiten Rang in Melbourne wegen eines offenbar erhöhten Benzinflusses von mehr als 100 kg/h verloren hat, endlich aufgewacht. In der LMP1-Szene ist das Einheitsmessgerät von Gill Sensors schon länger ein heiß diskutiertes Thema.

Titel-Bild zur News: Tom Kristensen, Loic Duval, Allan McNish, Marcel Fässler, Benoit Treluyer, Anthony Davidson, Sebastien Buemi, Stephane Sarrazin

Der Wettbewerb in der LMP1-Klasse hängt 2014 von neuen Faktoren ab Zoom

"Das ist nicht lustig", sagt Audi-Sportchef Wolfgang Ullrich zur Benzinaffäre um Red Bull in der Formel 1. Das Weltmeisterteam um Sebastian Vettel will in einer Berufungsverhandlung den zweiten Platz aus Australien zurück. Man werde nachweisen, dass der Sensor ungenaue Daten geliefert habe und man als Team nichts für den erhöhten Benzinfluss konnte. Vielleicht holt man sich Schützenhilfe aus WEC-Kreisen? Die LMP1-Werksteams wissen seit längerer Zeit aus diversen Tests, dass man an den Daten vom Fuel-Flow-Meter immer einen gewissen Zweifel haben sollte.

Ursprünglich war in der Ausschreibung der FIA bei der Suche nach einem Lieferanten für das wichtige Einheitsbauteil eine Maximalabweichung von 0,5 Prozent gefordert worden. Dies relativierte man später. Nun erwartet man von Hersteller Gill Sensors, dass jedes einzelne der 10.000 Euro teuren Bauteile höchstens um zwei Prozent abweicht. "Dorthin müssen wir kommen, sonst wird es schwierig", sagt Ullrich. "Die neue Variante soll laut FIA zuverlässig funktionieren, aber das ist noch nicht bewiesen", mahnt Porsche-Technikchef Alex Hitzinger. "Es gibt bisher keine robuste Lösung."

Entscheidet Gill Sensors die WEC-Rennen?

Auf Grundlage der aktuellen Situation wird es schwierig, das komplett auf Effizienz ausgelegte LMP1-Reglement umzusetzen. Der Sport in der LMP1-Klasse steht und fällt mit der Genauigkeit und Zuverlässigkeit der Fuel-Flow-Meter. Stellt man in den kommenden WEC-Rennen fest, dass einer der Sensoren (in den LMP1-Autos sind bis zu drei solcher Bauteile verbaut) nicht mehr funktioniert, ist ein Boxenstopp und sofortiger Austausch gefordert. Klartext: Gill Sensors kann Rennen entscheiden.

"Den Zeitverlust durch eine Strafe kannst du auf der Strecke kaum wieder herausholen. Es wird also wichtig sein, dass man immer innerhalb seines Rahmens, also straffrei bleibt", erklärt Ullrich. Den Rahmen kann man jedoch nur einhalten, wenn man realistische Daten bekommt. "Wenn man mal davon ausgeht, dass die Sensoren vielleicht noch nicht auf Dauer die nötige Stabilität liefern, dann wäre es womöglich eine Lösung, dass man in einem normalen WEC-Rennen nach fünf Stunden sagt, dass es egal ist. Diese Dinge gilt es zu diskutieren."

Ein weiterer denkbarer Notfallplan: Bei jedem Tankstopp wird einfach abgerechnet und man trennt sich vorübergehend vom rundenbasierten Überprüfen. "Ohne Messeinheit kannst du immerhin zumindest checken, wie der Verbrauch über einen Stint war. Das geht über Tankrhythmus und die Mengen sehr genau. Diesen Faktor zur Überprüfung hat man immer. Es war auch in der Diskussion, ob man etwaige fehlerhafte Sensoren immerhin mal bis zum Ende eines Stints ohne Strafe weiterfahren darf."


Teaser: Toyota TS040 in Le Castellet

Der WEC-Test in Le Castellet in der kommenden Woche wird der gesamten Szene wichtige Hinweise geben. Es wird ein echter Testlauf, kein Showrun der WM-Teilnehmer. "Wir werden in Le Castellet so fahren, wie es auch in den Rennen sein wird. Das bedeutet, wir haben bei uns die FIA-Leute hocken, die dann permanent die Werte überwachen. Das gleichen wir mit dem ab, was wir so sehen. Das müssen wir dann zusammenwurschteln", erklärt Ullrich.

FIA erprobt Live-Überwachung beim WEC-Test

"Es ist genau definiert, auf welche Daten die FIA-Mitarbeiter Zugriff haben werden. Das sind sehr viele", so der Österreicher vor dem wichtigen Probelauf in Südfrankreich. In Le Castellet sind alle drei LMP1-Hersteller gefordert. Audi, Porsche und Toyota sollen jeweils am Freitag und Samstag drei Stunden lang einen Rennbetrieb simulieren. "Deshalb ist es so wichtig, dort dabei zu sein. Wir müssen das gemeinsam erarbeiten. Es muss sich alles einspielen. Wir wollen einen Eindruck bekommen, wie es bei den ersten Rennen laufen wird", sagt der Audi-Sportchef.

Dabei hängt der flüssige Ablauf eines WEC-Rennens Jahrgang 2014 nicht allein von der Genauigkeit des Fuel-Flow-Meters ab. Es spielen zahlreiche Faktoren mit hinein, ein kompliziertes System sorgt für eine Überwachung von vielen Rahmendaten, die eingehalten werden müssen. "Während des Rennens überprüft die FIA einerseits die Werte des Fuel-Flow-Meters. Da hast du dein oberes Limit. Wenn du da drüber gehst, dann musst du es innerhalb von zwei Runden ausgleichen. Geschieht dies nicht, dann wirst du bestraft", so Ullrich.

Alexaner Hitzinger

Porsche-Technikchef Alexander Hitzinger fordert einen genaueren Sensor Zoom

"Als zweiten Wert holt sich die FIA das Drehmoment, das du zur Berechnung des spezifischen Verbrauchs benötigst", so der Audi-Rennleiter weiter. Der spezifische Verbrauch ist ein wichtiger Faktor. Auf Grundlage der für Benziner und Diesel unterschiedlichen Werte wurden die Vor- und Nachteile der verschiedenen Antriebskonzepte ausgeglichen, um einen möglichst fairen Wettbewerb mit möglichst vielen technischen Freiheiten zu ermöglichen.

"Ein entsprechendes Messsystem ist in jedem Auto, eine Drehmoment-Welle. Die Genauigkeit ist schon sehr gut. Wir fahren diese Wellen schon seit zehn Jahren, weil wir das Drehmoment aus eigenem Interesse verfolgen wollten", erklärt Ullrich, der dem vorhandenen System vertraut. "Die FIA berechnet nun aus den Daten des Fuel-Flow-Meter sowie den Werten Drehzahl und Drehmoment den spezifischen Kraftstoffverbrauch."

Weiterer Faktor: Spezifischer Verbrauch

"Die drei LMP1-Hersteller mussten der FIA zweimal die spezifischen Kraftstoffverbräuche, die sie glauben umsetzen zu können, darstellen. Mit diesen Werten geht die FIA noch einmal in das große Rechenprogramm und legt anschließend die Daten fest, die dann gelten. Die Werte wurden bereits abgegeben, aber man rechnet noch", schildert der erfahrene Ingenieur und Motorsport-Verantwortliche. Sobald die FIA-Berechnungen erfolgt sind, wird es eine aktualisierte Liste geben, aus der - in Abhängigkeit von der Hybridsystem-Größe - der maximale Treibstoffeinsatz pro Runde hervorgeht.

"Die FIA hat ursprünglich Werte für den spezifischen Kraftstoffverbrauch eines sehr guten Benziners und eines sehr guten Dieselmotors aus ihrer Erfahrung vorausberechnet. Diese Werte standen erst einmal in der Tabelle", sagt Ullrich. "Vor einem Monat mussten wir die ersten realen Werte abgeben. Diese Daten wichen doch deutlich von den vorher berechneten FIA-Werten ab. Da gab es natürlich Diskussionen über die Ursachen. Ich werde nichts zu den Daten der anderen sagen, obwohl ich sie weiß - inwieweit die wenig oder deutlich weit weg sind."

Wolfgang Ullrich

Blickt skeptisch auf so manche Messdaten: Audi-Sportchef Wolfgang Ullrich Zoom

"Da hat man vielleicht auch mal etwas seltsam taktiert. Egal. Eines ist Fakt: Den Wert, den man letztlich in der Tabelle stehen hat, denn muss man auch fahren", schmunzelt der Audi-Sportchef. "Man hat nun eine Treibstoffmenge pro Runde in Abhängigkeit von der Größe des Hybridsystems und man hat einen spezifischen Verbrauch in g/kWh (Gramm pro Kilowattstunde; Anm. d. Red.). Wenn du bei deinem spezifischen Verbrauch um mehr als zwei Prozent abweichst - ob nach oben oder unten -, dann bekommst du einmal eine Warnung, ab dem zweiten Mal wirst du bestraft."

Es könnte also einen regelrechten Strafenhagel geben, wenn sich beim ersten Saisonlauf am Ostersonntag in Silverstone herausstellen sollte, dass die Messsysteme nicht ausreichend zuverlässige Daten liefern. Ein Szenario, das man mit dem gemeinsamen Paul-Ricard-Test verhindern möchte, aber das keineswegs abwegig erscheint. "Wir haben jetzt Daten von verschiedenen Messsystemen, die miteinander in der Auswertung multipliziert werden. Jede Messeinheit hat ein wenig Streuung in der Genauigkeit. Dabei unter dem Strich auf plus/minus zwei Prozent zu kommen, ist schon eine gewaltige Aufgabe - keine Frage", fasst Ullrich zusammen.


Fotos: Audi testet den R18 in Austin


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