• 21.11.2015 10:33

  • von Roman Wittemeier

Alex Wurz vor dem Abschied: "Man hat ein Ablaufdatum"

Interview mit Alex Wurz vor dem letzten Einsatz als aktiver Rennfahrer: Emotionen auf der Langstrecke, "saucoole Zeiten" im Sportwagen und Pläne für die Zukunft

(Motorsport-Total.com) - Beim Saisonfinale der Langstrecken-Weltmeisterschaft (WEC) 2015 und Bahrain steht ein Mann ganz besonders im Fokus: Alexander Wurz. Der erfahrene Österreicher wird seine Karriere als aktiver Pilot nach dem letzten 6-Stunden-Rennen des Jahres beenden. Eine Szene nimmt Abschied von einem besonderen Sportsmann, der oftmals weit über den Tellerrand des Motorsports hinausschaut. Im Interview mit 'Motorsport-Total.com' beschreibt Wurz seine Emotionen beim Abschied.

Titel-Bild zur News: Alexander Wurz

Alexander Wurz startet am heutigen Samstag letztmals in einem Rennen Zoom

Frage: "Alex, wie geht es dir angesichts deines bevorstehenden Abschieds als aktiver Rennnfahrer?"
Alexander Wurz: "Gut geht es mir! Ich gehe mit einem Lachen aus dem aktiven Motorsport heraus, weil ich auf 20 Jahre zurückblicken kann, die mir Spaß gemacht haben. Es war hart, emotional, enttäuschend und sensationell zugleich. Genau das ist es, was den Sport ausmacht. Es sind Höhen und Tiefen, es ist der Kampf von dir gegen dich selbst, gemeinsam mit den Ingenieuren und dem Auto."

"Es sind so viele coole Momente, es ist teilweise unglaublich schnelllebig. Das alles ist sehr speziell. Ich weiß aber, dass man als Sportler quasi ein Ablaufdatum hat. Schon zu Beginn meiner Sportkarriere im Alter von zwölf Jahren war mir immer klar, dass ich aufhöre, bevor mein Ablaufdatum erreicht ist."

Frage: "Das hast du tatsächlich als Zwölfjähriger schon gewusst?"
Wurz: "Ja, logisch. Mein Vater war auch Sportler, auch er hat rechtzeitig aufgehört. Er hat aus ähnlichen Gründen aufgehört wie ich nun. Es gibt halt rundherum auch noch Dinge, das Geschäft eben. Wir sind als Familie sehr geschäftstätig. Ich hatte eine tolle Zeit, konnte bis jetzt alles geben für den Sport. Ich merke aber, dass ich jetzt beginne, mit dem Kopf bei Dingen außerhalb des Autos zu sein. Das kommt ganz natürlich so."

Sportlich gibt es keine Gründe: Gasfuß funktioniert noch

"Ich will ganz ehrlich sein: Dieses Jahr war es sportlich nicht sensationell - und dann war da Le Mans 2014. Normalerweise stecke ich so etwas schnell weg und komme mit viel Energie und Ehrgeiz aus solchen Situationen zurück. Diesmal war es schwieriger. Das war schon ein kleines Zeichen, das sage ich ganz offen. Von den Rundenzeiten war ich bisher immer gut dabei. Ich war in Schanghai schnellster Toyota-Fahrer, auch in Bahrain bin ich gut unterwegs. Da läuft noch alles rund. Aber jetzt sprechen wir ja von meinem Gemütszustand und nicht nur von sportlichen Ergebnissen."

Frage: "Nahezu alle im WEC-Paddock haben das große Glück, ihre Leidenschaft zum Beruf gemacht zu haben. Viele empfinden dadurch die Arbeit nur noch selten als Arbeit. Wann geht es dir so, dass du deine Fahrten als Arbeit empfindest?"
Wurz: "Wenn du merkst, dass du dein Geld in gewissen Situationen redlich, ehrlich und hart verdient hast."

Frage: "Wann ist das der Fall?"
Wurz: "Wenn es in Le Mans regnet, du mit 340 km/h auf Indianapolis zufliegst, du nichts siehst und es Aquaplaning gibt. Dann weißt du, dass du dein Geld wirklich verdienst - echt wahr (lacht). Ich würde es dennoch immer machen. Ich würde ihnen sogar Geld bezahlen für diese Tätigkeit, weil es so saucool ist. Es erfüllt mich gleichzeitig aber auch etwas mit Stolz, dass ich für ein Hobby letztlich 20 Jahre lang als Profi bezahlt wurde. Für Hersteller und Teams anzutreten, deren Rennautos zu fahren und zu entwickeln, das ist schon extrem cool!"

Alexander Wurz

Große Emotionen: Toyota-Mitarbeiter und -Teamkollegen nehmen Abschied Zoom

Frage: "Toyota-Technikchef Pascal Vasselon hat gesagt, dass man durch deinen Abschied mehr als nur einen Rennfahrer verliert. Er nennt deine technische Kompetenz und deine Fähigkeiten als Kommunikator beispielsweise. Verlierst du umgekehrt auch mehr als 'nur' Motorsport?"
Wurz: "Nein, denn ich werde dem Motorsport ganz sicher treu bleiben. Ich finde das derart faszinierend, weil du die Resultate jederzeit auf der Stoppuhr sehen kannst. Das ist eine Faszination, eine Schnelllebigkeit, die ihren Reiz hat. Hin und wieder werde ich es bestimmt vermissen, die coolen, neuen Autos zu fahren. Wenn alle Rennfahrer davon schwärmen, dann würde ich das sicherlich auch gern spüren. Mir ist das bewusst, es ändert aber nichts an meiner Entscheidung, nun in einen neuen Lebensabschnitt zu gehen."

Liebe zur Sportwagenszene wird niemals vergehen

Frage: "Du hast angedeutet, dass du weiterhin im Motorsport arbeiten wirst, aber es ist klar, dass du jetzt noch nichts verraten magst. Sag uns aber doch, wann wir von deinen Plänen erfahren werden?"
Wurz: "Auch das kann ich noch nicht, leider. Es hängt nicht nur an mir, sondern auch an anderen Personen und Organisationen. Es geht bei meiner Entscheidung um eine grundsätzliche Richtung. Darüber könnte man jetzt philosophieren. Die Zeit wird es zeigen. Es wird auf jeden Fall hauptsächlich in Richtung Motorsport gehen."

Frage: "Du hast nie einen Hehl daraus gemacht, dass du Le Mans und die Sportwagenszene sehr liebst, weil es Emotionen und etwas Heroisches mit sich bringt. Ausgerechnet jetzt, wo die Sportwagen wieder eine goldene Ära durchleben, verabschiedest du dich. Das passt für mich nicht zusammen..."
Wurz: "Das hat mit der Liebe zur Langstrecken und zu den Sportwagen nichts zu tun. Diese Liebe habe ich seit meiner Kindheit in mir, und ich werde sie hoffentlich auch in vielen Jahren noch haben. Es wäre toll, wenn die Meisterschaft dann noch stärker wäre."

Frage: "Deine unterschiedlich farbigen Schuhe sind dieser Tage wieder großes Thema. In mehreren Tweets haben beispielsweise der Bahrain International Circuit oder die WEC tatsächlich Abschied von seinen Schuhen genommen. Verabschiedest du dich selbst auch davon?"
Wurz: "Von diesem Paar, das ich an diesem letzten Rennwochenende trage, ja. Alpinestar möchte die Schuhe haben und an die Wand nageln. Das liegt daran, dass es ganz spezielle Schuhe sind, die noch aus rauem Leder gearbeitet wurden - sehr selten mittlerweile."


WEC in Bahrain: Abschied von Alex Wurz

Dem Österreicher wurde vor dem Letzen Rennen seiner Karriere Tribut gezollt

"Die neuen Schuhe haben heutzutage alle dieses moderne, harte Glattleder. Ich bin diesbezüglich echt old-school. Jeder Fahrer, der solche Schuhe wie meine anzieht, sagt, dass es sensationell ist. Alle wollen so etwas haben. Das Material ist leider teuer und selten, daher wird es kaum noch verarbeitet. Ich werde in Zukunft aber bestimmt nicht mehr mit einem roten und einem blauen Schuh herumlaufen."