• 11.05.2017 11:54

  • von H. Stritzke, J. Spacek & R. Wittemeier

Rallycross-WM: Warum Fahrer und Fans mehr Spaß haben

Professionell, aber spaßig: Rallycross zeigt, wie Motorsport noch immer auf hohem Niveau funktionieren kann, ohne dass ein ganzes Fahrerlager abhebt

(Motorsport-Total.com) - Moderner Motorsport auf höchstem Niveau ist faszinierend, aber für viele Fans einfach zu steril. Was die DTM momentan als neue Fan-Offensive verkauft, ist in anderen Meisterschaften eine Selbstverständlichkeit: Ein offenes Fahrerlager und Fahrer, die ungeschminkt die Wahrheit in die Kameras sagen dürfen. Im Rallycross findet der gemeine Fan, was er am Motorsport häufig vermisst. Coole Typen, die in Zelten selbst an ihrem Auto schrauben statt eines sterilen, durchgeordneten Programms.

Titel-Bild zur News: Mattias Ekström

Mattias Ekström hat in der Rallycross-Szene mehr Spaß als in der DTM Zoom

Nirgendwo wird das deutlicher, als wenn diese beiden Welten in Hockenheim aufeinandertreffen. Hier die DTM, hochprofessionell, auf die letzte Tausendstelsekunde getrimmt. Mit Fahrern, die selbst nach einer krachenden Niederlage im Interview noch positiv den Teamspirit hervorheben. Dort die Rallycross-Weltmeisterschaft mit ihren gaskranken Typen. Dreckig, mit mehr PS als Daten-Megabyte im Auto. Wo man im Interview schonmal Worte wie "Scheißtag" hört, was im Werksteam gleich so lange Ohren bedeuten würde, dass der Funk im nächsten Rennen überflüssig wäre.

Mattias Ekström lebt in beiden Welten. In der Rallycross-WM hat er sein eigenes Team. "Die Stärke dieses Teams ist, dass sie Dinge ausprobieren, um am Ende Champagner trinken zu können. Sie müssen keine Angst davor haben, dass der Boss fragt: Warum habt ihr das gemacht?", grinst Mattias Ekström. "Sollte das irgendwann passieren, könnten wir dicht machen, denn dann würde das Team seine Seele verlieren." Statt erst einmal 100 Simulationen zu testen, wird in der WRX einfach probiert, ob es klappt.

Mehr Spaß in der Rallycross-Welt

"In der anderen Welt ist die Sache ganze anders", zeigt der amtierende Rallycross-Weltmeister auf. "Dort steckt viel mehr Geld dahinter. Und wenn man auf einem solchen Niveau arbeitet, ist es schwierig, diese Atmosphäre zu bewahren." Statt einer entspannten Runde mit den Mechanikern bei einem Bier steht in diesem Fall ein Ingenieurs-Briefing im abgetrennten LKW-Zimmer statt. Was in der einen Welt eine strikt durchorganisierte Presserunde nach mehrmaliger Vorbesprechung mit dem Pressesprecher ist, wird in der anderen ein lockeres Gespräch am Grill.

Fans und Fahrer lieben diese ursprüngliche Atmosphäre des Motorsports. "Ich glaube, dass diese Welt hier (also die WRX-Welt; Anm. d. Red.) die gesündere ist und dass die Leute hier mehr Spaß haben", stellt der 38-Jährige klar. "Das vorzuleben ist nicht immer einfach." Doch auch die Rallycross-Szene wird von den Herstellern beäugt. Werden die Zelte und Rennfahrer mit schmutzigen Händen auch hier irgendwann Motorhomes und Pressesprechern weichen? "Ich werde darum kämpfen, dass es in diesem Team immer so bleibt", gibt sich Ekström kämpferisch.


Fotos: Rallycross-WM in Hockenheim


Timo Scheider wechselt ebenfalls zwischen beiden Welten hin und her. Neben seinem WRX-Engagement ist der ehemalige DTM-Meister neuerdings auch BMW-Werksfahrer im Sportwagen-Bereich. Für ihn besteht im Rallycross die Faszination in den Emotionen. "Emotionen müssen sein. Der Sport ist aus einer Passion von Menschen entstanden. Und diese Passion ist eine Emotion, die man zeigen muss", sagt der MJP-Pilot.


WRX Hockenheim: DTM trifft Rallycross

Und wenn es nach einem harten Rennen hitzige Diskussionen unter Millionären wie Petter Solberg und Mattias Ekström gibt, obschon sie mit WRX kaum etwas hinzu verdienen, zeigt sich, warum die Fans den Rallycross so lieben: Weil es hier einfach nur ums Racing geht.