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Verrücktes WRC-Finale: "Ab dann lag alles in Gottes Hand"

20 Sekunden zwischen Hoffen und Bangen: Kris Meeke und Teamchef Yves Matton sprechen über das unglaubliche Finale der Rallye Mexiko

(Motorsport-Total.com) - "Wahrscheinlich werde ich diese Geschichte noch hundertmal erzählen müssen": Kris Meeke war unmittelbar nach seinem Sieg bei der Rallye Mexiko schon klar, dass er kurz zuvor für einen Moment gesorgt hatte, der in die Geschichtsbücher der Rallye-Weltmeisterschaft (WRC) eingehen wird. So sportlich verdient der Triumph des Citroen-Piloten war, so glücklich war er auch. Denn einen Kilometer vor dem Ziel hätte Meeke den Sieg fast noch weggeworfen.

Titel-Bild zur News: Kris Meeke

Kris Meeke war nach dem dramatischen Finale die Erleichterung anzusehen Zoom

"Es war ein dummer Fehler", geht Meeke mit sich selbst hart ins Gericht und schildert aus seiner Sicht die entscheidenden Sekunden. "Ich habe gebremst, das Auto kam quer und fuhr dann über eine Bodenwelle. Die hat es nach außen geschleudert und dann ging es durch eine Hecke. Ab dann lag alles in Gottes Hand."

Hinter dieser Hecke war eine Wiese, die während der Rallye Mexiko als Parkplatz diente. Dort befanden sich Autos und Menschen, und nur durch puren Zufall kam es nicht zu einem tragischen Unfall. Meekes Citroen streifte lediglich eines der geparkten Autos am Kofferraum, was beim C3 WRC einen Reifenschaden zur Folge hatte. Zu Meekes Glück landete das Auto auf den Rädern, sodass er seine Fahrt fortsetzen konnte.

Wo geht's zur Straße zurück?

"Es war kein großer Abflug, aber ich musste den Weg zurück finden. Das war ziemlich nervenaufreibend", berichtet Meeke. Da ihm der Schreck des Unfalls noch in den Gliedern steckte, verlor er im ersten Moment die Orientierung und fuhr auf der Wiese erst einmal weiter von der Straße weg. Meeke musste sich durch parkende Autos schlängeln, während einige Zuschauer, vermutlich aufgeschreckt durch den verdächtig lauten Motorenlärm, hastig aus einem Zelt stürzten.

Relativ schnell fanden Meeke und Beifahrer Paul Nagle dann eine Lücke in der Hecke, die Wiese und Straße trennte. So konnte der Nordire trotz des Plattfußes dem Ziel entgegen fahren, während sein Beifahrer hektisch zu rechnen begann. "Ich habe versucht herauszufinden, wie viel Zeit wir verloren haben und ob es uns den Sieg gekostet hat", sagt Nagle. Das hatte es nicht, 13,8 Sekunden von Meeks Vorsprung auf Sebastien Ogier waren noch übrig.

Im Ziel zeigten sich dann unterschiedliche Emotionen. Meeke und Nagle stand der Schreck noch ins Gesicht geschrieben. Statt großem Jubel herrschte bei der Cockpitbesatzung pure Erleichterung. Nach wenigen Worten beendete Meeke das TV-Interview mit einem Blick zum Himmel - ein stummer Gruß an seinen verstorbenen Mentor Colin McRae.

Erleichterung bei Meeke, Jubel beim Team

Völlig anders war das Bild im Servicepark in Leon, wo bei der Citroen-Mannschaft nach Meekes Zieldurchfahrt schier grenzenloser Jubel ausbrach. "Als er über die Ziellinie fuhr, waren wir aus dem Häuschen, denn die Anspannung dieses Dramas fiel von uns ab", sagt Teamchef Yves Matton. Zuvor hatten er und seine Mitarbeiter 20 Sekunden lang sprichwörtlich Blut und Wasser geschwitzt.

"Wir wussten gar nicht genau, was passiert war", beschreibt Matton die Konfusion im Lagezentrum von Citroen. "Auf den Onboard-Aufnahmen sah es nach einem großen Abflug aus, aber das Trackingsystem zeigte an, dass sich das Auto noch bewegt."

Auch Meekes Fahrerkollegen, die seinen Abflug im Ziel auf einem TV-Monitor verfolgen, reagierten entsetzt auf die Bilder, die sie sahen. "Ich habe mich daran erinnert, was mir bei den letzten beiden Rallyes passiert ist. Ich hatte nicht so viel Glück, aber weiß daher, wie es sich anfühlt", sagt Hyundai-Pilot Thierry Neuville.

So nahm die Rallye Mexiko für Meeke und Citroen nach 20 Sekunden zwischen Hoffen und Bangen doch noch ein glückliches Ende. Anstatt den Fehlstart in die WRC-Saison 2017 auf tragische Weise zu komplettieren, feierten sie mit dem ersten Saisonsieg einen Befreiungsschlag - auch wenn Meeke unter dem Eindruck der Ereignisse nicht uneingeschränkt zum Feiern zu Mute war. "Es nervt mich selbst, dass ich solche Fehler mache", dämpft eine Spur Selbstkritik das Triumphgefühl.