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Rallye Deutschland: Tomczyk hofft auf über 200.000 Fans
ADAC-Sportpräsident Hermann Tomczyk über den WM-Lauf in Trier, die Sorge um den deutschen Nachwuchs und die generelle Zukunft der WRC
(Motorsport-Total.com) - Am kommenden Wochenende machen die weltbesten Rallye-Fahrer nach einer einjährigen Pause wieder bei der ADAC Rallye Deutschland vom 19. bis 22. August 2010 in und um Trier Station. ADAC-Sportpräsident Hermann Tomczyk im Interview über die Besonderheiten des deutschen Rallye WM-Laufes, den deutschen Nachwuchs und die Zukunft der Rallye-Weltmeisterschaft:

© xbp.cc
Hermann Tomczyk hofft wieder auf reges Interesse am deutschen WM-Lauf
Frage: "Sind Sie mit dem derzeitigen Stand der Vorbereitungen zufrieden?"
Hermann Tomczyk: "Dafür sorgt ein erfahrenes Organisationsteam. Es läuft alles wie gewohnt, was nichts anderes heißt als in geordneten Bahnen und bestens. Die TV-Vermarktung war allerdings lange eine Hängepartie. Umso mehr freue ich mich, dass 'Sport1' nun am Freitag, Sonntag und am Dienstag nach dem WM-Lauf über die ADAC Rallye Deutschland berichtet. Leider konnte der Rallye-WM Vermarkter North One keine Vereinbarung über eine Live-Berichterstattung im Fernsehen erzielen, dies wäre der ADAC Rallye Deutschland als WM-Lauf in vollem Umfang gerecht geworden."#w1#
Frage: "Wie groß schätzen Sie dieses Mal das Interesse an der Rallye Deutschland ein?"
Tomczyk: "Ich hoffe, es ist trotz der einjährigen Zwangspause größer denn je. Wir präsentieren Weltstars, angeführt vom siebenfachen Deutschland-Sieger und sechsfachen Rallye-Weltmeister Sébastien Loeb. Diesen Ausnahmekönner zu sehen, ist alleine schon das Eintrittsgeld wert. Auch mit dem Start von Formel-1-Weltmeister Kimi Räikkönen hat die Popularität der Rallye-WM weiter zugenommen. Nicht nur medial. Schön wäre es, wenn wir die 200.000-Zuschauermarke wieder übertreffen könnten."
Frage: "Warum tut sich der deutsche Nachwuchs so schwer, in der Rallye-WM Fuß zu fassen?"
Tomczyk: "Eine gute Frage, die mich schon seit Jahren beschäftigt. Die Ära des zwei-maligen Rallye-Weltmeisters Walter Röhrl liegt immerhin schon fast drei Jahrzehnte zurück. Zwar haben immer wieder einige deutsche Talente sporadisch mit guten Ergebnissen auf sich aufmerksam machen können, doch einen echten Durchbruch schaffte mit Ausnahme von Armin Schwarz bislang noch keiner. Entscheidend dafür ist wohl, dass das Engagement der Industrie ausbleibt. Doch ich bin Daueroptimist. Dafür sorgt auch die aktuelle Situation. Und mit Hermann Gassner jun. befindet sich ein erfolgversprechendes Talent auf dem Weg nach oben. Ihm traue ich zu, sich in der WM zu etablieren. Doch dazu muss er in einem Werkswagen sitzen."
Frage: "Wie beurteilen Sie die nationale Rallye-Szene derzeit?"
Tomczyk: "Ein Aufschwung ist erkennbar. Die Qualität der Deutschen Rallye Meisterschaft entwickelt sich positiv. Das ADAC Rallye Masters hat sich als zweite Liga im Rallyesport etabliert und bietet Talenten eine gute und kostengünstige Plattform, ihr fahrerisches Potential zu demonstrieren."
Frage: "Über welche speziellen Unterstützungsmöglichkeiten verfügt der ADAC?"
Tomczyk: "Seit ihrer Gründung im Jahre 1998 unterstützt die ADAC Stiftung Sport bereits mehr als 200 Sportler, darunter befinden sich aktuell mit Hermann Gassner jun., Mark Wallenwein, Christian Riedemann und Felix Herbold gleich vier erfolgversprechende Piloten aus dem Rallyesport. Wir greifen ihnen nicht nur finanziell unter die Arme, sondern öffnen auch immer wieder Türen zu wichtigen Ausrüstern und Partnern. Das hängen wir aber nicht an die große Glocke."
Eine neue Ära bricht an
Frage: "Sie sind vor über 20 Jahren selbst Rallyes gefahren. Wie hat sich das Rallye-Auto verändert? Trauern Sie den alten Rallye-Boliden nach?"
Tonczyk: "Etwas überspitzt ausgedrückt: mehr als vier Räder haben die Rallye-Fahrzeuge von heute und mit denen von damals nicht gemeinsam. Spaß beiseite: Die technischen Entwicklungen der letzten Jahrzehnte waren immens. Aber wie in allen anderen Bereichen des Lebens auch, gehören Veränderungen einfach zum Lauf der Zeit. Die Boliden der 80er-Jahre wurden verboten oder die spektakulären WRC-Fahrzeuge sind 'Dinos' auf dem Weg in die Mottenkiste. Nun gilt es eine neue Ära einzuläuten - und die ist alleine schon aus finanziellen Gesichtspunkten notwendig."
Frage: "Wagen Sie einen Blick in die Zukunft?"
Tomczyk: "Gern. Ich begrüße die derzeitige Entwicklung im Rallyesport. FIA-Präsident Jean Todt bringt die Dinge auf den richtigen Weg. Er kennt als ehemaliger Rallye-Weltmeister die Szene genau und weiß, worauf es ankommt. Ab 2011 werden die Rallye-Fans eine neue Generation von Rallyefahrzeugen erleben. Und vor ein paar Wochen hat MINI den Wiedereinstieg in die Rallye-Weltmeisterschaft angekündigt. Das Einsatzfahrzeug wird dem neuen Super2000-Reglement entsprechen. MINI knüpft damit an seine erfolgreiche Geschichte im Rallyesport an. Dies ist ein positives Signal für den Sport, das mich persönlich sehr freut."
Frage: "Wie werden die zukünftigen Rallye-Autos konzipiert sein?"
Tomczyk: "In den Fahrzeugen kommen 1,6-Liter-Turbomotoren mit Direkteinspritzung zum Einsatz. Damit greift auch im Rallye-Sport das sogenannte 'down sizing' - also die Verkleinerung des Hubraums, die Nutzung eines Aufladesystems und damit eine höhere Effizienz beim Kraftstoffverbrauch - und folgt dem Trend im Straßenfahrzeugbau. Ebenso wird die nachträgliche Umrüstung mit teuren Werkstoffen wie Titan oder Verbundwerkstoffen verboten. Für mich insgesamt betrachtet ein guter Kompromiss. Damit ist weiterhin spektakulärer Sport zu günstigeren Konditionen garantiert."
Frage: "Können die Fans auch mit anderen Streckencharakteren rechnen?"
Tomczyk: "Eine Bereicherung für die Rallye-WM könnte sein, wenn sich Veranstaltungen im Kalender wieder mehr mit ihren ursprünglichen Charaktereigenschaften präsentieren würden. Die Vereinheitlichung der Veranstaltungen in den letzten Jahren war für das Rallye-Interesse sicherlich nicht förderlich."
Frage: "Zurück zur Rallye Deutschland. Haben auch Sie die Möglichkeit, einzelne Stationen der Rallye-WM live vor Ort zu erleben?"
Tomczyk: "Die Rallye bietet so viele interessante Zuschauerpunkte, dass einem eine Entscheidung schwer fällt. Ich persönlich finde alle Sonderprüfungen spektakulär, jede ist für sich eine Besonderheit. Circus Maximus, die Moseletappen und natürlich Baumholder interessieren mich. Die Atmosphäre im Servicepark, der Showstart und die Siegerehrung an der Porta Nigra sind schon etwas ganz besonderes und einmaliges. Soweit es mir zeitlich möglich ist, werde ich auch den neuen Streckenabschnitt Hermeskeil vor Ort erleben."
Frage: "Was bedeutet es für den ADAC, solch eine Großveranstaltung durchzuführen?"
Tomczyk: "Die ADAC Rallye Deutschland stellt eine enorme logistische Herausforderung für den ADAC dar. Aber dank der professionellen Arbeit und Leidenschaft aller, die vor und hinter den Kulissen arbeiten, wurde bislang diese Aufgabe stets mit Bravour erfüllt. Über 1.600 ehrenamtliche Helfer und alle 18 ADAC Regional-Clubs zeigen hier immer wieder die Leistungsfähigkeit und die Kompetenz des ADAC. Dafür ein großes Dankeschön an alle. Ich bin sicher, dass sie auch 2010 für ein großes, unvergessliches Rallye-Festival sorgen."

