• 09.02.2016 14:21

  • von David Evans (Haymarket)

Analyse: Warum die Rallye Schweden in der Schwebe hängt

Droht der Rallye Schweden trotz Verkürzung der Route doch die komplette Absage? - Wir beantworten die 10 wichtigsten Fragen zur aktuellen Situation

(Motorsport-Total.com) - Aufgrund des dramatischen Mangels an Schnee und vor allem Eis ist die einzige Winterrallye im WRC-Kalender in Gefahr. Die Route der Rallye Schweden 2016 musste bereits verkürzt werden, einige Prüfungen wurden abgesagt. Zu Beginn der Woche haben die Veranstalter darüber nachgedacht, die Rallye komplett abzusagen. Sie entschieden sich schließlich für die verkürzte Route und hoffen darauf, dass die Wettervorhersage stimmt, denn kurz vor dem Wochenende soll es deutlich kühler werden. Wir erklären, wie die WRC in diese Position gekommen ist, und weshalb die Rallye immer noch in der Schwebe hängt.

Titel-Bild zur News: Rallye Schweden

Stand Dienstag soll die Rallye Schweden mit verkürzter Route stattfinden Zoom

Wie sicher ist es, dass die Rallye durchgeführt wird?
Leider ist noch gar nichts sicher. Sollten die Temperaturen am Mittwoch oder Donnerstag nicht deutlich unter den Gefrierpunkt fallen, dann wird es praktisch unmöglich, die Rallye durchzuführen. Die Veranstalter brauchen nun in den Nächten konstant Temperaturen von minus zehn Grad Celsius. Aufgrund des geschmolzenen Schnees und des Regens steht auf den Straßen Wasser. Wenn dieses Wasser friert, dann hätten die Straßen eine gute Eisbasis.

Also brauchen wir gar keinen Schnee?
Nein. Eis ist viel wichtiger als Schnee. Schnee ist nur das i-Tüpfelchen. Eis ist entscheidend. Ohne den Schneewänden am Straßenrand müssen die Fahrer natürlich anders fahren - denn sie können sich nicht daran anlehnen! Ohne Schnee muss das Auto in der Straßenmitte gehalten werden. Dann dürfen Kurven nicht geschnitten werden und man darf am Kurvenausgang nicht zu weit nach außen driften.

Sind die Straßen aller Prüfungen in gleich schlechtem Zustand?
Generell sind die Prüfungen am Freitag in einem etwas besseren Zustand. Sie befinden sich weiter nördlich, liegen etwas höher und die Garantie für Schnee ist besser. "Torsby" und "Röjden" haben momentan eine gute Eisbasis. Auf der anderen Seite ist "Kirkenaer" derzeit mehr ein Schwimmbecken. Deshalb wurde sie abgesagt.

Welche Konsequenzen gäbe es, wenn man ohne Schnee und Eisschicht fahren würde?
Die Straßen wären komplett zerstört. Jeder Reifen besteht aus 384 Spikes. Das sind pro Auto 1536 Metallstifte, die die weichen Schotterstraßen aufreißen würden. Es würde nicht lange dauern, bis es in den Bremszonen und am Kurvenausgang tiefe Fahrrillen geben würde.

Für die Sicherheit wäre es für zwei Aspekte kritisch: Die Spikes würden nur rund 20 Kilometer halten, bevor sie herausbrechen. Wenn dann ein Auto über eine kleine Eisfläche fahren würde, kann nicht mehr gebremst werden. Sollte ein Auto in den Bäumen landen, dann würden Rettungsfahrzeuge auf den zerstörten Straßen viel länger zum Unfallort brauchen.

Und dann gibt es noch den finanziellen Aspekt: Die Veranstalter zahlen für die Reparatur der Straßen. Würde man also ohne Schnee oder Eis fahren, dann wäre das die Bankrotterklärung einer Rallye, die ohnehin ein schmales Budget hat.

Könnte man die Rallye nicht mit Schotter- statt mit Spikereifen fahren?
Nein. Offiziell ist es eine Schneerallye. Das bedeutet, dass Spikereifen oder Winterreifen mit tiefem Profil vorgesehen sind. Die Reifenfirmen könnten nicht einfach Schotterreifen mitbringen, denn vorgeschrieben ist Schnee- und Eis. Alles andere als Spikereifen würde auch keinen Sinn machen, da sie vom Reglement erlaubt sind. Außerdem haben die Reifenfirmen ihre Pneus schon vor Ort. Es gäbe nicht die Zeit hunderte Reifen nach Karlstad zu bringen.

Gibt es Winterrallyes, die ohne Spikereifen gefahren werden?
Ja. Der Saisonauftakt der Rallye Amerika in Michigan fährt ohne Spikereifen, obwohl es dort immer viel Schnee und Eis gibt. Es hängt auch von der regionalen Verkehrsordnung ab. An manchen Orten sind Spikes auf der Straße nicht erlaubt. Zum Beispiel werden Leihwagen in Norwegen nicht mit Spikes verliehen. In Schweden ist es der Fall.

Es hat den Anschein, dass es bei dieser Rallye regelmäßig zu Schneemangel kommt. Sollte sich die WRC nach einem anderen Ort für die Winterrallye umsehen?
Es gibt hartnäckige Gerüchte, dass über andere Winterrallyes nachgedacht wird, aber es gibt keine konkreten Gespräche. Spekulationen gibt es über Russland, Japan oder China. Diese Länder haben sehr gute Winterveranstaltungen. Man kann damit rechnen, dass der WRC-Promoter in naher Zukunft mit diesen Ländern sprechen wird.

Ein Skiressort weiter nördlich zwischen Trondheim und Ostersund wird regelmäßig als potenzieller Kandidat genannt. Das Problem ist, dass die dortige Region keine finanzielle Unterstützung garantieren kann. Und ein Skigebiet hat im Winter kein Problem die Hotels zu füllen. Die Arctic Rallye mit Basis in Rovaniemi wäre eine andere Möglichkeit. Das Problem ist, dass es in Finnland schon einen WM-Lauf gibt.

Wie schlimm ist diese Situation für die Rallye Schweden?
Es ist schlimm. Die Wirtschaftlichkeit ist sehr knifflig. Sollte die Rallye abgesagt werden müssen, dann könnte es schwerwiegende finanzielle Auswirkungen haben. Teile des Geldes wurden schon ausgelegt. Sollten die Straßen durch die Rallye nachhaltig beschädigt werden, könnten die Reparaturkosten das Todesurteil sein. Außerdem sind sich die Veranstalter nicht mit dem WRC Promoter über die Gebühren einig, die man für das Privileg einer WM-Rallye bezahlen sollte...

In der Europameisterschaft wurde die Rallye Liepaja verschoben. Ist es richtig zu behaupten, dass das nun öfter passiert?
Eigentlich nicht. Diese Rallye wurde wegen Schneemangels schon 1990 abgesagt. Seither hat das Wetter optimal gepasst, manchmal nicht. In manchen Jahren war es außergewöhnlich, minus 40 Grad und am Straßenrand waren Monster-Berge aus Schnee. In anderen Jahren hat es ständig nur geregnet.

Wird sich die Situation im nächsten Jahr ändern?
Sehr wahrscheinlich ja. Der WRC-Promoter will natürlich bei einer Winterrallye den Winter sehen, wenn es im Fernsehen ausgestrahlt wird. Politisch ist die Situation momentan interessant. Beim Promoter stehen die Winterrallyes nicht Schlange. Und die Rallye Schweden scheint von der Wirtschaftlichkeit der Meisterschaft ernüchtert zu sein. Es könnte auch sein, dass wir im nächsten Jahr gar keine Winterrallye haben.