• 19.01.2011 18:18

Röhrl: "Die Monte war immer mein Traum"

Rallyelegende Walter Röhrl im Interview über die Rallye Monte Carlo und seine Erlebnisse auf den unterschiedlichsten Fahrzeugen und im Schnee

(Motorsport-Total.com/SID) - Walter Röhrl kennt die Rallye Monte Carlo ganz genau. Der ehemalige Rallye-Weltmeister startete in der Vergangenheit sehr oft im Fürstentum an der Mittelmeer-Küste und konnte dort auch zahlreiche Erfolge erzielen. Damit erfüllte sich der Deutsche einen persönlichen Traum, schließlich hatte ihn der "Mythos Monte" seit jeher fasziniert. Über die Jahre lernte Röhrl so die Höhen und Tiefen einer Rallye in Monaco kennen. Im Interview spricht er darüber, weshalb ihn das manchmal auch erschreckte.

Titel-Bild zur News: Walter Röhrl

Walter Röhrl hat die Rallye Monte Carlo in der Vergangenheit mehrfach gewonnen

Frage: "Walter, nicht nur Motorsport-Fans kennen die Rallye Monte Carlo, die in diesem Jahr einhundert Jahre alt wird. Was macht diese Rallye so besonders?"
Walter Röhrl: "Zuerst einmal die Idee mit der Sternfahrt nach Monte Carlo, das war eine perfekte PR-Nummer. So war die Rallye nicht nur in Frankreich ein Thema, sondern überall in Europa von Athen über Berlin bis Oslo. Ebenso wichtig: Nirgends ist der sportliche Anspruch größer."

Frage: "Welche besonderen Herausforderungen warten denn in den Seealpen rund um das Fürstentum auf die Fahrer?"
Röhrl: "Bei der Monte kommen alle Bedingungen zusammen. Vom trockenem Asphalt unten am Mittelmeer über nasse Pisten und Schneematsch bis zu blankem Eis - oft auf der gleichen Wertungsprüfung. Das auch noch bei Tag und Nacht."

"Da muss man genau wissen, was man macht, angefangen bei der Reifenwahl. Es geht immer um den bestmöglichen Kompromiss. Klare Bedingungen sind selten, und glatt ist eben nicht gleich glatt. Es bleibt schon ein Unterschied, ob du mit Spikereifen auf furztrockenem Teer rumeierst oder mit profilosen Slicks auf Eis nach Traktion suchst."

Frage: "Das klingt - passend zum Spielerparadies Monte Carlo - nach Glücksspiel..."
Röhrl: "Oh nein, eher im Gegenteil: Der fahrerische Anspruch ist riesig. Du musst ganz exakt fahren, egal ob es trocken ist oder Schnee hat. In Skandinavien kann man sich an den Schneewänden anlehnen, bei der Monte nicht. Geht's schief, landest du gleich ein Stockwerk tiefer."

"Der fahrerische Anspruch ist riesig. Du musst ganz exakt fahren." Walter Röhrl

Frage: "War das die richtige Aufgabe für einen Röhrl?"
Röhrl: "Die Monte war immer mein Traum. Zuerst bin ich zweimal zum Zuschauen runter gefahren. Abends um Sechs an den Turini und am nächsten Morgen wieder heim. Ich war völlig fasziniert. Eigentlich wollte ich nur einmal die Monte gewinnen, an einen WM-Titel habe ich nicht gedacht."

Frage: "Die Überfahrt über den Col de Turini ist legendär. Wie steht es um deine Erinnerungen?"
Röhrl: "Ziemlich gut. Obwohl der Turini im Grunde überschätzt wird. Fahrerisch waren andere Prüfungen deutlich anspruchsvoller. Die 44 Kilometer der Chartreuse mit gleich drei Pässen, oder auch über den Col de la Madone, den Col de la Chau, Col de Braus, Col de la Fayolle. Ach, da gibt's so viele. Zudem war der Turini immer spät."

"Gefallen hat er mir wohl auch deshalb nie, weil ich zumeist als Erster fahren musste. Berghoch habe ich dann immer geflucht, weil die Fans Schnee auf die Piste schaufelten und ich zuerst ankam. Endlich oben am Pass, wo noch mehr Zuschauer ausgeflippt sind als auf dem Weg dahin, war es dann gut. Dann hab ich mich mit einem breiten Grinsen im Gesicht nach unten gestürzt. Ab da hat der Turini auch mir gut gefallen."

Frage: "Und wie steht es um die Nacht der langen Messer? Wird die auch überschätzt, war die auch nur Mythos?"
Röhrl: "Oh nein, die Nacht der langen Messer hatte ein ganz besonderes Flair. Wir standen unten am Casino und hatten noch 700 Kilometer vor uns. Der Druck war groß. Alle waren extrem angespannt, auch ich. Da brauchte ich niemanden um mich rum und war froh, als es losging und wir im Auto allein waren."

"Da brauchte ich niemanden um mich rum und war froh, als es losging..." Walter Röhrl

Frage: "Wer waren deine Lieblingsgegner?"
Röhrl: "Es gibt immer nur einen Gegner und das ist dein Teamkollege. Alle anderen haben ein besseres Auto. Das muss dir immer klar sein. Für mich war der Beste von allen Markku Alen."

"Wenn er vor dir stand und gesagt hat, 'I like to kill you', dann wusstest du, woran du warst. Der war immer geradeaus. Wenn er gesagt hat, ich fahre diesen Reifen, dann hat der den auch gefahren. Andere waren nicht so. Aber die habe ich auch dementsprechend bestraft."

Frage: "Jetzt wird man aber neugierig..."
Röhrl: "Stig Blomqvist war bei der Monte 1984, meiner ersten im Audi, auf den ersten Prüfungen über eine Minute schneller als ich. Da habe ich auf der langen Verbindungsetappe ernsthaft an Selbstmord gedacht. Durch Zufall bin ich aber darauf gekommen, was los war."

"Ansonsten wäre ich verzweifelt und hätte uns auf der nächsten Prüfung umgebracht, weil ich gedacht hätte, das muss viel schneller gehen. Ein Freund, der zuschaute, lobte, wie stark ich auf einer verschneiten Passhöhe war. Da dämmerte es mir, dass ich wohl als Einziger mit Schneereifen unterwegs war. Ich habe einen Mechaniker ausgequetscht und rausgefunden, dass die Anderen nochmals gewechselt hatten, als wir schon weg waren."

"Da bin ich zu Teamchef Gumpert und habe ihm mit allen mit zur Verfügung stehenden diplomatischen Möglichkeiten zur Rede gestellt: 'Wenn ihr das noch einmal macht', habe ich gesagt, 'fahre ich an den nächsten Abgrund und schiebe das Auto eigenhändig drüber'. Davor habe ich ihm gesagt, was ich von ihm halte. Das war mir wichtig, der Sieg danach allerdings auch."

"Da habe ich auf der langen Verbindungsetappe ernsthaft an Selbstmord gedacht." Walter Röhrl

Frage: "War der Audi Quattro mit seinem Allradantrieb das Größte?"
Röhrl: "Oh nein! Eines muss schon klar sein: Die hohe Kunst des Autofahrens ist Zweirad, nicht Vierrad. Man muss das Gefühl haben, wie viel Kraft kann ich einsetzen, damit ich effektiv nach vorne fahre und nicht seitwärts."

"Für mich als Fahrer ist das Erlebnis, die Kraft in Geschwindigkeit umzusetzen, im Audi natürlich viel beeindruckender. Die Zuschauer schaufelten Schnee auf die Straße und ich war meist der erste Fahrer. Was mich das im Hecktriebler Nerven gekostet hat. Mit dem Audi war das alles weg. Drauf aufs Gas und Bamm!, zog der weg."

Frage: "Du hast vier Monte-Siege auf vier verschiedenen Autos gefeiert. Welches war dein wichtigster?"
Röhrl: "Für mich zählen nicht nur die Erfolge. Ebenso stolz bin ich auf Rang vier 1976 im Opel Kadett GT/E hinter drei der unschlagbaren Lancia Stratos. Oder unseren letzten Einsatz 1987, als wir im riesigen Audi 200 Quattro mit 1.450 kg und 230 PS knapp zwei der 200 kg leichteren und 50 PS stärkeren Lancia Delta unterlagen."

"1978 war es ein Motorschaden und 1979 eine defekte Benzinpumpe vor der letzten Prüfung, die unseren Sieg vereitelten. Der erste Sieg 1980 ist natürlich ein ganz besonderer, damit war ja mein ganz persönlicher Traum erfüllt. Aber am wichtigsten war wohl jener von 1984. Es war meine erste Rallye im Audi Quattro. Der Druck war riesig, und meine Teamkollegen Hannu Mikkola und Stig Blomqvist hatten schon jahrelange Erfahrung im Allradler."

Frage: "Verfolgst du heute noch die Monte?"
Röhrl: "Nach meiner aktiven Zeit bin ich nicht mehr hingefahren. Auch, weil die Rallye in den 1990er-Jahren zu sehr zusammengestutzt wurde. Was die FIA mit ihrem WM-Korsett daraus gemacht hat, war zwischenzeitlich fast lächerlich. Als Lauf zur Intercontinental Rally Challenge (IRC) ging es wieder aufwärts. Diesmal auch über einige der klassischen Pässe, es gibt wieder Nachtprüfungen und auch Fernsehübertragungen."