• 29.12.2012 10:13

Ein Blick ins Dakar-Reglement

Die Fahrer müssen bei der Rallye Dakar viel beachten - Speziell die Navigationskünste spielen auf den langen Etappen eine entscheidende Rolle

(Motorsport-Total.com) - Die Route der Rallye Dakar setzt sich aus mehreren Etappen zusammen. Jede Etappe ist aufgeteilt in Wertungsprüfungen (WPs, Special Stages), die auf exklusiv für die Teilnehmer reservierten Pisten auf Zeit gefahren werden, und Verbindungsetappen, auf denen eine Zeitvorgabe eingehalten werden muss. Jeder Teilnehmer führt eine Zeitkarte mit sich, die an verschiedenen Kontrollpunkten von der Rennleitung abgestempelt wird. Zugelassen sind unterschiedliche Offroad-Maschinen, die den Vorgaben der französischen Straßenverkehrsordnung und dem Technischen Reglement der FIM für Cross-Country-Rallyes entsprechen. Alle Maschinen müssen registriert sein und über ein entsprechendes Dokument verfügen.

Titel-Bild zur News:

Ab 2013 gilt bei den Autos ein neues Motorenreglement Zoom

"Gruppe 1 Elite A.S.O. Fahrer" sind entweder professionelle Piloten (von einem Hersteller bezahlt) oder Amateure, die aufgrund ihrer bisherigen Resultate in die Elite-Liste des Veranstalters A.S.O. aufgenommen wurden. Zur "Gruppe 2" gehören Fahrer, die nicht auf der Elite-Liste aufgeführt sind. Sie starten in der Klasse 1 "Super Production" oder der Klasse 2 "Marathon". In dieser Klasse dürfen Hauptkomponenten des Motorrads während der Veranstaltung nicht ausgetauscht werden.

Rahmenbedingungen bei den Autos

Seit einigen Jahren haben die Organisatoren der Dakar gemeinsam mit dem Automobilweltverband FIA und den engagierten Automobilherstellern an einem neuen Reglement für die Jahre 2013, 2014 und 2015 gearbeitet. Man wollte die Entwicklungskosten senken, aber die Performance der Autos weiterhin auf einem akzeptablen Level halten. Außerdem wollte man eine Balance zwischen den unterschiedlichen Auto-Kategorien schaffen.

Die größte Veränderung betrifft die Motoren. Alle Fahrzeuge müssen mit Triebwerken aus Serienmodellen ausgerüstet sein. Nur bestimmte Teile dürfen modifiziert werden, die detailliert im Reglement festgehalten sind. Die Veranstalter lassen sich den Freiraum, die Performance der unterschiedlichen Fahrzeuge über unterschiedlich große Luftmengenbegrenzer anzugleichen. Die Eckpfeiler des Reglements sind für die kommenden drei Jahre festgesetzt. Über die Luftmengenbegrenzer kann die Leistung Jahr für Jahr angepasst werden.

Zugelassene Motorräder

Die Maschinen basieren auf typgenehmigten, für den öffentlichen Straßenverkehr zugelassenen Serienmaschinen, die für All-Terrain-Wettbewerbsrallyes modifiziert und aufgerüstet werden können. Zugelassen sind Ein- oder Zweizylinder-Motorräder mit bis zu 450 Kubikzentimetern Hubraum. Diese Hubraumbeschränkung gilt seit der Rallye Dakar 2012 für alle teilnehmenden Motorräder. Bei den Hauptkomponenten Rahmen, Motor (Zylinder, Zylinderkopf, Motorgehäuse) und Schwinge muss es sich um frei verkäufliche Standardkomponenten handeln. Diese Komponenten können mit Ausnahme des Motorgehäuses modifiziert werden, müssen jedoch dem Technischen Reglement der FIM für die 450-ccm-WM-Kategorie bei All-Terrain-Rallyes entsprechen.

In der "Gruppe 1 Elite" unterliegt die Vorbereitung der Motoren keinen Beschränkungen. Die einzige Ausnahme bildet das Hauptmotorgehäuse, das eine Standardkomponente sein muss. Reparaturen am "Top-End" des Motors (betrifft zum Beispiel Zylinder und Kolben) können während der Veranstaltung durchgeführt werden. Alle Eingriffe am "Bottom-End" (innerhalb des Hauptmotorgehäuses) gelten als Motorwechsel. Bei Langstrecken-Rallyes müssen körperliche und technische Leistungsfähigkeit mit Ausdauer in Einklang gebracht werden - kombiniert mit sorgfältigem und schonendem Umgang mit dem Material.

Deshalb werden Teilnehmer auf Motorrädern, die im Laufe der Rallye ihren Motor austauschen, dafür bestraft - und dies bereits ab dem ersten Wechsel. Der Strafenkatalog gestaltet sich folgendermaßen:
Erster Wechsel: 15-minütige Zeitstrafe
Zweiter Wechsel: 45-minütige Zeitstrafe
Dritter und jeder weitere Wechsel: zweistündige Zeitstrafe

Roadbook & Navigation

Jeder Fahrer erhält ein tägliches Roadbook im Format A5. Hierin ist die Route beschrieben, es werden die Charakteristika der jeweiligen Etappe aufgeführt und es sind die Wegpunkte vermerkt, die die Fahrer passieren müssen. Ein solcher Wegpunkt, oder auch GPS-Punkt, ist ein geografischer Punkt, der durch Längen- und Breitenkoordinaten definiert ist. Es gibt vier verschiedene Arten von Wegpunkten (siehe unten). Wird ein solcher Wegpunkt ausgelassen, drohen schwere Strafen bis hin zum Wertungsausschluss. Die Piloten sind verpflichtet, ein vom Veranstalter einheitlich zur Verfügung gestelltes GPS mit sich zu führen, in dem vom Veranstalter vorgegebene Wegpunkte gespeichert sind.


Wie ein Dakar-Roadbook entsteht

Ein WPE (Eclipse Way Point) ist ein zu passierender Punkt, der im GPS gespeichert und im Roadbook vermerkt ist. Die Koordinaten werden dem Teilnehmer aber nicht mitgeteilt. Die Richtung dieses Wegpunkts wird im GPS jedoch angezeigt, sobald der vorherige Wegpunkt erreicht wurde, egal wie groß die Distanz zwischen den beiden Wegpunkten ist. Gleiches gilt für mehrere aufeinanderfolgende WPEs. Start jeder Wertungsprüfung sind WPEs.

Damit der WPE als passiert gilt, muss der Teilnehmer sich dem Punkt auf mindestens 200 Meter nähern. Markieren WPEs den Beginn oder das Ende eines Abschnitts mit Geschwindigkeitsbeschränkung (zum Beispiel Ortsdurchfahrten), werden sie als DZ (Beginn) und FZ (Ende) bezeichnet. Diese Punkte müssen in maximal 90 Meter Entfernung passiert werden.

Ein WPM (Masked Way Point - verborgener Wegpunkt) ist ein zu passierender Punkt, der im GPS gespeichert und im Roadbook vermerkt ist. Die Koordinaten werden dem Teilnehmer nicht mitgeteilt. Das GPS führt den Teilnehmer erst dann in Richtung des Punktes, wenn er sich ihm auf 800 Meter genähert hat. Damit der WPM als passiert gilt, muss der Teilnehmer sich dem Punkt auf mindestens 200 Meter nähern.

Ein WPS (Safety Way Point - Sicherheits-Wegpunkt) dient dazu, die Teilnehmer um Gefahrenzonen herumzuleiten. Sie können in Verbindung mit Gefahrenzonen der Stufe 3, Straßenkreuzungen, Gaspipelines, Bahnschienen usw. gesetzt werden. Außerdem ist das Ziel jeder Wertungsprüfung ein WPS. Auch diese Wegpunkte sind im GPS gespeichert und im Roadbook vermerkt, ihre Koordinaten werden den Teilnehmern jedoch ebenfalls nicht mitgeteilt. Das GPS führt den Teilnehmer in Richtung dieses Wegpunkts, sobald er sich ihm auf drei Kilometer genähert hat. Damit der WPS als passiert gilt, muss der Teilnehmer sich dem Punkt auf mindestens 90 Meter nähern.

Ein WPV (Visible Way Point - sichtbarer Wegpunkt) ist im Roadbook vermerkt und im GPS gespeichert. Alle verfügbaren Informationen zu diesen Wegpunkten werden auf dem Display des GPS angezeigt.

Hilfe durch Teilnehmer/Service-Crew

Die über 8.000 Kilometer lange Rallye Dakar gilt nicht umsonst als die härteste Rallye der Welt. Oft genug passiert es, dass ein Teilnehmer allein nicht mehr weiterkommt. Ein technischer Defekt, ein Sturz oder schlichtes Festfahren im tiefen Sand oder dem berüchtigten "Fesh Fesh" - einem extrem feinen Mehlsand mit explosionsartiger Staubentwicklung - können die Gründe dafür sein.

Dakar 2012

Die Fahrer dürfen unter bestimmten Voraussetzungen Hilfe in Anspruch nehmen Zoom

Welche Hilfe der Pilot wann in Anspruch nehmen kann, ist vom Veranstalter ebenfalls genau geregelt. Bei verbotener Hilfeleistung drohen Sanktionen wie empfindliche Zeitstrafen bis zu sechs Stunden oder gar die Disqualifikation. Während der Wertungsprüfungen ist jede Hilfe durch die Servicecrew verboten, außer sie wird in den ergänzenden Regelungen ausdrücklich erlaubt. Doch Teilnehmer, die sich noch im Wettbewerb befinden, dürfen sich gegenseitig helfen.

Außerhalb der Wertungsprüfungen ist Hilfe durch die Servicecrew während der gesamten Dauer der Rallye nur auf den Abschnitten zulässig, auf denen sich Service- und Rallye-Route decken. Die Servicecrews dürfen die im Roadbook detailliert angegebene Serviceroute nicht verlassen. Kann sich ein Fahrzeug aus eigener Kraft nicht mehr weiterbewegen, darf es abgeschleppt werden, sowohl durch einen anderen Teilnehmer als auch von einem in der Wertung eingeschriebenen Servicefahrzeug, wenn sie sich auf derselben Route befinden.

In Wertungsprüfungen führt jeder Transport eines Fahrzeugs zur Disqualifikation. Auf Verbindungsetappen kann der Transport erlaubt werden. In diesem Fall wird er in einem Bulletin behandelt. Nur Fahrzeuge/Personen, die offiziell als Teilnehmer oder als Servicefahrzeuge/-crew gemeldet sind, dürfen Servicematerial transportieren.

Tanken

Die Fahrer sind angehalten, herkömmliches Benzin zu verwenden, das von einem Mineralölkonzern hergestellt und über dessen Tankstellennetz vertrieben wird. Die maximale Oktanzahl beträgt 98. Jeder Teilnehmer muss die Reichweite seines vorhandenen Kraftstoffs selbst berechnen. Auf keinen Fall kann ein Teilnehmer den Veranstalter dafür verantwortlich machen, wenn sein Fahrzeug nicht die Mindestdistanz von 250 Kilometern zurücklegen kann, egal wie das Terrain beschaffen ist. Aus Sicherheitsgründen muss ein Spielraum von zehn Prozent eingerechnet werden. Somit ergibt sich zum Beispiel eine Reichweite von 275 Kilometern.

Während einer Wertungsprüfung können die Teilnehmer an Kontrollpunkten an vom Veranstalter bereitgestellten Tank-Trucks nachtanken. Die Kosten für den Treibstoff sind im Startgeld enthalten. Dafür wird ihre Zeit für 15 Minuten neutralisiert. Auf Wertungsprüfungen ist Unterstützung von außen verboten, gegenseitige Hilfe ist nur unter Teilnehmern erlaubt. Auf Verbindungsetappen und im Biwak liegt es in der Verantwortung der Teilnehmer, an Tankstellen auf eigene Kosten nachzutanken. Verboten ist, Treibstoff aus einem Servicefahrzeug nachfüllen zu lassen. Sollte sich in der Nähe des Biwaks keine Tankstelle befinden, stellt der Veranstalter kostenlosen Kraftstoff zur Verfügung.

Das Biwak

Das Biwak befindet sich zwischen den Zeitkontrollen im Ziel der einen und am Start der nächsten Etappe. Hier finden sich alle Teilnehmer ein. Die Lage ist im Roadbook vermerkt. Im Biwak kann an den Fahrzeugen gearbeitet werden, zum einen von den registrierten Servicecrews. Zum anderen können sich hier die Teilnehmer, die noch im Rennen sind, gegenseitig helfen.

Nachdem der Check-in an der Zeitkontrolle im Ziel einer Etappe erfolgt ist, können die Teilnehmer oder Teammitglieder das Fahrzeug bis zu einem Umkreis von 30 Kilometern aus dem Biwak entfernen, zum Beispiel zum Nachtanken oder Waschen. Auch das Testen ist erlaubt, allerdings nicht auf den Wertungsprüfungen. Zudem muss das Ortungssystem Iritrack bei diesen Tests eingeschaltet sein.

Strafen

In der Vergangenheit hatten Verstöße gegen gewisse Klauseln des Reglements die Disqualifikation zur Folge. Dies wurde geändert, stattdessen ist eine festgesetzte Strafe eingeführt worden. Das ermöglicht dem betroffenen Teilnehmer, die Rallye trotz Sanktion unter normalen Wettbewerbsbedingungen fortzusetzen. Dabei handelt es sich um eine Zeitstrafe, die den bereits bestehenden Strafen des Teilnehmers zugefügt wird.

Mit Sportstrafen werden Verstöße wie zu schnelles Fahren, Verpassen eines Kontroll- oder Wegpunktes oder unsportliches Verhalten sowie alle anderen Verstöße auf einer Wertungsprüfung geahndet. Möglich sind auch Geldstrafen. Diese fließen in voller Höhe karitativen Zwecken zu. Am Ende jeder Etappe wird das GPS von der Zeitkontrolle überprüft. Im GPS sind Verstöße wie verpasste Wegpunkte oder zu schnelles Fahren gespeichert, diese Informationen werden via Funk an die Kontrolle übermittelt.

Diese Verstöße werden notiert und vom Teilnehmer gegengezeichnet. Verweigert er seine Unterschrift, hat bereits dies Strafen zur Folge: beim ersten Mal eine Zeitstrafe von zehn Minuten, beim zweiten Mal eine Zeitstrafe von einer Stunde. Bei der dritten Weigerung erfolgt die Disqualifikation.

Zu schnelles Fahren

Sowohl auf Wertungsprüfungen als auch auf Verbindungsetappen kann es Abschnitte mit Geschwindigkeitsbegrenzungen geben, zum Beispiel in Ortsdurchfahrten. Diese Zonen sind im Roadbook mit den Kürzeln "DZ" (Beginn) und "FZ" (Ende) vermerkt. Das Tempolimit kann hier 30, 50 oder 90 km/h betragen. Zudem müssen sich die Fahrer grundsätzlich an die örtlich gültigen Geschwindigkeitsbeschränkungen halten. Überschreitet ein Pilot die zulässige Höchstgeschwindigkeit, erscheint ein entsprechendes Signal auf dem Display des GPS. Hier wird auch das aktuelle Tempo angezeigt.

Mechaniker im Biwak

Im Biwak werden nach jeder Etappe die Autos wieder in Schuss gebracht Zoom

Solange ein Pilot zu schnell fährt, speichert das GPS die Übertretung in regelmäßigen Abständen. Auf Wertungsprüfungen wird mindestens alle 150 Meter ein entsprechender Impuls im GPS gespeichert, auf Verbindungsetappen alle 500 Meter. Nach der Etappe wird ausgelesen, wie viele dieser Impulse insgesamt gespeichert wurden und wie hoch die jeweilige Überschreitung war.

Je nachdem, wo und um wie viel der Fahrer zu schnell war, gibt es unterschiedliche Sanktionen, zwischen 30 Strafsekunden bis zu einer Zeitstrafe von einer Stunde, kombiniert mit Geldstrafen zwischen 100 und 1.500 Euro. Wird das Tempolimit über eine längere Distanz oder zum wiederholten Mal in großem Maß überschritten, muss die Rennleitung über die Strafe entscheiden. Dann ist sogar die Disqualifikation möglich.

Verpassen der Wegpunkte

Die verschiedenen möglichen Sanktionen für das Verpassen der einzelnen Wegpunkte sind im Roadbook vermerkt. Werden mehrere aufeinanderfolgende Wegpunkte verpasst, wird dies als Abkürzen und Verlassen der offiziellen Route geahndet. Dann sind Strafen bis hin zur Disqualifikation möglich, je nach Etappenprofil und der Anzahl der fehlenden Kilometer.

Sensible Bereiche

Dazu zählen Regionen mit Land- oder Forstwirtschaft oder Gebiete, die aus Umwelt- oder Sicherheitsgründen als sensibel gelten. Hier müssen sich die Fahrer strikt an die Route und das Roadbook halten. Vor allem ist es verboten, Kurven zu schneiden, indem man durch Felder, Wälder, Obstplantagen oder Sümpfe fährt. Zudem gibt es speziell ausgewiesene "sensitive Zonen", die mittels Pfosten und Plastikbändern markiert werden. Sie werden auch im Briefing vor der Etappe angesprochen und dürfen nicht befahren werden.

Der erste Verstoß gegen diese Regeln wird mit einer Geldstrafe von 1.000 Euro und 15 Strafminuten geahndet, Wiederholungstäter werden disqualifiziert. Gleiches gilt übrigens auch bei der Beschädigung von Weidetoren.

Die Disqualifikation ist nicht die höchstmögliche Strafe, sondern es sind auch Sperren denkbar. So werden Teilnehmer, die ihr Fahrzeug während der Veranstaltung in einem der befahrenen Länder verkaufen, für fünf Jahre von der Rallye Dakar ausgeschlossen.