• 21.11.2015 23:04

  • von Heiko Stritzke & Roman Wittemeier

Weltmeister Timo Bernhard: Habe immer dran geglaubt

Mit 34 Jahren ist Timo Bernhard am Ziel aller Rennfahrerträume: Der Porsche-Werksfahrer ist Weltmeister - Warum die Erfahrung im Chaos besonders half

(Motorsport-Total.com) - Trotz aller Dramen und eines emotionalen WM-Titels für Porsche ist Timo Bernhard nach dem Finale der Langstrecken-Weltmeisterschaft (WEC) in Bahrain 2015 noch ziemlich bei Fassung. Und das nach einem Rennen, das an Ungewissheit für den Porsche des Le-Mans-Siegers von 2010, Mark Webber und Brendon Hartley kaum zu überbieten war. Am Ende reichte ein fünfter Platz zu seiner ersten Weltmeisterschaft. Darüber hinaus verhalf er Webber und Hartley zu deren erstem WM-Titel.

Titel-Bild zur News: Timo Bernhard

Timo Bernhard hat sich seinen Lebenstraum erfüllt: Weltmeister! Zoom

"Es ist einfach ein tolles Gefühl, dies erreicht zu haben", jubelt der 34-Jährige im Gespräch mit 'Motorsport-Total.com'. "Einen Riesendank ans Team, wie sie das Auto am Leben gehalten haben, das war der absolute Wahnsinn. Das war ein ganz besonderes Rennen, an das ich mich immer erinnern werde." Und das wird nicht nur er: Nach Defekten mit dem Aktuator, der die Gaspedalbewegung auf die Drosselklappe überträgt, entwickelte sich das Rennen zu einer denkwürdigen Partie. Immer wieder blieb der 919 stehen, fuhr aber stets weiter. Rund um den Globus litten Porsche-Fans stundenlang.

Eigentlich hätte Porsche den Titel mit Leichtigkeit holen können, schließlich hätte ein vierter Platz ausgereicht. Da Toyota das Tempo nie gehen konnte eine leichte Aufgabe - hieß es im Vorfeld. "Im Motorsport weiß man nie Bescheid, bis die Zielflagge gefallen ist", betont Bernhard eine Phrase, die manchmal zu oft benutzt wird, aber sich doch immer wieder als richtig erweist. "So viele hatten vorher gesagt, wir hätten alles im Griff, es könne nichts schiefgehen und so weiter. Wir haben uns davon nie verleiten lassen."

Hilfreiche Erfahrung aus über 20 Jahren Motorsport

Im Rennen selbst fing es gut an: Bernhard setzte sich an die Spitze und fuhr gleich einen Vorsprung heraus. Doch noch in der ersten Stunde sollte alles schiefgehen, als der Aktuator zum ersten Mal versagte und vier Runden ins Land zogen, bis das Problem behoben war. Doch Bernhard, der zu diesem Zeitpunkt am Steuer saß, machte dem Team Mut. "Ich hatte einfach dieses Gefühl, dass es klappt", begründet er. "Ich habe immer dran geglaubt. Deshalb kam das auch wirklich aus dem Herzen, als ich das aussprach. Es war nicht nur so dahingesagt."


Die Rennhighlights aus Bahrain

Die Highlights des Sechs-Stunden-Saisonfinals der Langstrecken-Weltmeister in Bahrain

"Ich denke, es hängt auch mit der Erfahrung zusammen", so der frisch gekürte Weltmeister weiter. "Wenn man mit 21 Jahren in so eine Situation geraten würde, wäre es sicherlich anders als wenn es wie bei mir mit 34 der Fall ist, wenn man schon ein bisschen erlebt hat." So konnte er dem Team glaubhaft machen, dass der Titel noch absolut realistisch sei. (Zur Chronologie des Rennens)

Zitterpartie bis zum Schluss

"Die Jungs haben das Problem schnell lokalisiert und gefixt, aber es hat sich subjektiv angefühlt wie eine Stunde", kommentiert Bernhard. "In solchen Situationen muss man ruhig bleiben, obwohl die Zeit tickt und Audi zu dem Zeitpunkt wieder sehr stark geworden ist." Erst als das Problem ein zweites Mal auftrat und zwischenzeitlich bei Porsche versteinerte Mienen zu sehen waren, wusste auch Bernhard, dass es jetzt an seidenen Faden hängt, wie er selbst zugibt. Sein Team stellte das Fahrzeug jedoch auch beim zweiten Garagenaufenthalt wieder hin.


Fotos: So feiert Porsche die WM-Titel


Die letzte Stunde war dann eine einzige Zitterpartie: Immer wieder stockte der Porsche, hatte keine volle Hybridleistung mehr und hatte einen letzten Boxenstopp zu absolvieren, bei dem klar war, dass es schwierig werden würde, wieder loszufahren. Doch Mark Webber brachte den Porsche über die Linie und die Dämme brachen - auch im Hause Bernhard. "Die werden sicher am Livetiming gehangen und die Bildschirme aufgebaut haben. Wenn man so eine Familie im Rücken hat, dann stärkt das ungemein."

"So viele hatten vorher gesagt, wir hätten alles im Griff, es könne nichts schiefgehen und so weiter. Wir haben uns davon nie verleiten lassen." Timo Bernhard

Mit einem Rennen voller Höhen und Tiefen endet für die Weltmeister auch eine Saison mit ebenso vielen Auf und Abs. Vor allem zu Beginn der Saison lief es nicht nach Wunsch: Ausfall in Silverstone, in Spa-Francorchamps durch die Audi-Strategie überrollt, in Le Mans ging es dann mit Platz zwei bergauf, bevor vier Siege hintereinander folgten. "Wir haben uns gut zurückgekämpft und wussten immer, dass wir die Chance haben", so Bernhard, der auch während der Saison immer an den Titel geglaubt hat. "Wenn man sich so zurückkämpft, dann will man natürlich auch den Sack am Ende zu machen und ich bin froh, dass das jetzt passiert ist."