• 15.05.2015 09:11

  • von Roman Wittemeier

Stuck: "In Le Mans musst die Arschbacken zusammenkneifen"

Motorsport-Legende Strietzel Stuck über die Besonderheiten des Rennens in Le Mans und die Attraktivität der WEC: "Formel 1 bleibt Gipfel des Motorsports"

(Motorsport-Total.com) - Der Mythos Le Mans ist schwer zu greifen und für all jene, die den Klassiker jemals vor Ort live erlebt haben, noch viel schwieriger darzustellen. Le Mans muss man selbst erlebt haben, sagen alle leidenschaftlichen Fans, die das dortige Flair aus nächster Nähe erfahren haben und die magische Anziehungskraft nicht in Worte fassen können. Im Interview mit dem zweimaligen Le-Mans-Sieger und heutigen DMSB-Präsidenten Hans-Joachim "Strietzel" Stuck kommen wir der Wahrheit ein Stückchen näher.

Titel-Bild zur News: Hans Joachim Stuck

Hans-Joachim Stuck ist seit 2012 Präsident des Deutschen Motor Sport Bundes (DMSB) Zoom

Frage: "Strietzel, die WEC erfährt einen Aufschwung. Le Mans als Event ist groß und wird vielleicht sogar noch größer. Wie kann man Le Mans dann noch beschreiben?"
Strietzel Stuck: "Also da fehlen sicher zum einen die Worte, aber man kann das ein bisschen eingrenzen. Le Mans gehört für mich zu den drei großen Motorsport-Veranstaltungen der Welt. Das ist einmal Le Mans, das ist die Indy 500 und das ist der Grand Prix von Monaco. Das sind für mich die drei wichtigsten Motorsportveranstaltungen, die es gibt. Da sollte jeder Fahrer mindestens eines von denen mal gewonnen haben, was nicht so leicht ist."

"Das ist das eine. Das andere ist für mich, dass Le Mans immer eine ganze Woche ist. Das ist etwas Besonderes. Normalerweise gehst du hin: Donnerstag oder Freitag und am Sonntag bist du wieder weg. Le Mans fängt Montag an, da hast du zig Geschichten, die Abnahme (der Autos; Anm. d. Red.). Das ganze Le-Mans-Gefüge ist etwas Eigenes und natürlich ist die Strecke etwas ganz Besonderes."

"Die Strecke ist nämlich nicht wie eine typische, neue, moderne Rennstrecke, die durch irgendwelche depperten Schikanen zerstört ist. Le Mans ist noch eine richtige Strecke für die guten, schnellen Jungs, wo man auch in unheimlich schnellen Kurven mal auf gut Deutsch die Arschbacken zusammenkneifen muss. Das ist eine Herausforderung. Wenn man sich mal die Rundenschnitte in Le Mans anschaut, das ist ja wahnsinnig schnell, was da passiert. Das ist herausragend."

Werden die LMP1-Autos zu schnell?

Frage: "Wenn in Le Mans auch mal kein Rennen ist, habe ich das Gefühl, dass die ganze Stadt dahintersteht. An jeder Tankstelle, Kneipe - einfach überall wird dieses Rennen gelebt. Gibt es einen vergleichbaren Ort?"
Stuck: "Ein Ort, an dem dieser Mythos auch lebt, ist vielleicht noch der Nürburgring. Da liegt momentan aber einiges im Argen, das muss ich mal deutlich sagen. Wenn du von der A61 in Niederzissen runterfährst, riecht es da schon nach Rennluft. Je näher du kommst - ob das beim Wetterrad ist oder an der Hohen Acht an der Strecke vorbei - dann merkst du sofort: Hier ist der Rennvirus."

Frage: "Aktuell gibt es Simulationen, die zeigen: Bei optimalen Bedingungen kommen wir in diesem Jahr unter 3:15 Minuten. Ist das nur cool oder auch zu gefährlich?"
Stuck: "Das liegt in der Natur der Sache. Wir würden ja nicht Rennsport betreiben, wenn wir nicht versuchen würden, immer schneller zu fahren. Ich glaube schon, dass wir da in allen Bereichen aufpassen müssen, das ist wichtig. Ich glaube aber, dass die Regelhüter das auf dem Radar haben und das schon entsprechend einbremsen werden, davon bin ich überzeugt."

"Man muss ja sehen, dass wir Motorsport aus der Sicht der Werke nicht zum Selbstzweck betreiben, sondern wir haben es ja für die Fans. Und dem Fan ist eigentlich völlig wurscht, ob die jetzt 3:15 Minuten oder 4:15 Minuten fahren - völlig egal. Da liegen eine Menge Kosten dazwischen, es liegt ein bisschen Risiko dazwischen, das größer wird und da muss man diese Balance finden, dass einerseits die Entwicklung nicht stehenbleibt, andererseits aber der Speed nicht zu hoch wird."


Fotostrecke: 24 Stunden von Le Mans: Die großen Helden

"Genau das haben wir doch jetzt auch am Nürburgring mit den GT3-Fahrzeugen gesehen. Es wurde irgendwann mal entschieden, es fährt da keine Formel 1 mehr, keine Gruppe C, keine DTM. Da sind diese Klassen über SP7, die für den Ring mittlerweile einfach zu schnell sind, und jetzt muss man etwas Richtiges machen, um sie einzubremsen. Bei allem darf man nicht die Sicherheit vergessen."

Formel 1 bleibt die Königsklasse

Frage: "In den vergangenen Monaten hat eine Diskussion immer mehr Fahrt aufgenommen: Welches denn nun die Königsklasse ist, da die Formel 1 ein ganz schönes Tal durchschritten hat?"
Stuck: "Die Formel 1 ist nach wie vor der Gipfel des Motorsports, da gibt es erst einmal gar nichts. Es war ja auch schon früher so, wenn man mal an die 1970er-Jahre zurückdenkt. Da waren ja auch die Formel 1 und die Sportwagen-WM ein tolles Szenario. Allein der Nürburgring: 1.000-Kilometer-Rennen und 300.000 Zuschauer. Da sind auch viele Formel-1-Fahrer gefahren. Das ist der Punkt."

Frage: "Früher gehörte das mal zum guten Ton, dass man Formel 1 und Le Mans fährt. Ein Nico Hülkenberg macht das jetzt. Kann das ein Trend sein?"
Stuck: "Ich hoffe. Das hängt alles an diesem 'tollen' Wort Marketing. Wenn heute ein Fahrer Ferrari fährt, dann muss er auch Ferraris verkaufen, dann darf er natürlich nicht in einem Porsche WEC fahren - völliger Schwachsinn."

Hans Joachim Stuck

Bis Sommer 2011 war Strietzel Stuck als Rennfahrer aktiv auf den Strecken Zoom

Frage: "So wie es bei Fernando Alonso ein Hinderungsgrund war, dass er als McLaren-Werksfahrer bitteschön nicht in einem Porsche oder Audi fährt..."
Stuck: "Richtig. Die WEC ist auf einem richtigen Weg. Ich hoffe, dass die WEC so spannend und wichtig wird, dass mehrere Formel-1-Fahrer das auch geil finden, zu fahren. Ich kann nur sagen, in meiner Zeit bin ich mit David Coulthard auch zusammen bei den Sportwagen gefahren. Bei Mark Webber ist es das Gleiche. Ich kenne viele Formel-1-Fahrer, es sind sicherlich sechs, die ich kenne, die gerne auch so etwas fahren würden. Ich hoffe, dass die sich durchsetzen können, weil es sich ja gegenseitig befeuert."

Der Faktor Mensch im Rennsport

Frage: "Es profitieren also beide Serien, wenn die Fahrer quasi als Botschafter beider Welten auftreten?"
Stuck: "Richtig, wenn da heute ein Alonso fahren würde, dann kommen 10.000 Leute mehr - ist halt so. Schau es dir doch an: Jetzt ist Mick Schumacher in der Formel 4 in Oschersleben. Die Einschaltquoten beim Formel-4-Rennen waren höher als bei der GT-Masters. Das ist doch cool."

Frage: "Das zeigt aber auch gleichzeitig, wie wichtig der Faktor Mensch tatsächlich ist..."
Stuck: "So ist es!"

Frage: "Du hast den Film 'Le Mans' mit Steve McQueen, der vor genau 45 Jahren gedreht wurde, bestimmt auch ein paarmal gesehen. Inwiefern hast du eine besondere Beziehung dazu?"
Stuck: "Da war ich einen Tick zu jung, um mitzumachen. Angefragt war ich schon, aber es ging damals noch nicht, weil ich andere Verpflichtungen hatte. Dieser Film 'Le Mans' fällt für mich in eine Zeit, in der ich zum Großteil noch gar nicht aktiv war."

"Da war ich noch ein Windelscheißer. Deswegen ist es etwas, was mich nicht so ganz berührt, wie man vielleicht denken könnte. Der Film 'Rush' über den Niki und den Hunt mit dem Daniel Brühl, das ist für mich emotionaler, da ich da selber dabei war. Ich finde, dass 'Le Mans' ein guter Film ist, sicherlich klasse, auch die Dramaturgie ist toll, aber es ist nicht so ganz meine Zeit, da war ich nicht dabei."

Wenn sich nach der Karriere ein Loch auftut

Frage: "Darin fällt ein Satz: 'Rennen ist Leben, die Zeit zwischen den Rennen ist warten'. Denken Fahrer so?"
Stuck: "Sagen wir mal, ich war ja 43 Jahre lang aktiv, und es ist sehr wichtig, dass die Zeit zwischen den Rennen gut genutzt wird. Anspannung und Entspannung. Heute sind die Fahrer ja alle vollbeschäftigt. Es ist wichtig, dass du dir auch mal in der Woche wirklich zwei, drei Tage nimmst und was völlig anderes machst, um auch geistig auf dem Level zu bleiben."

"Das ist ganz wichtig, um eine gewisse Abwechslung zu haben, auf der Welt gibt es ja noch andere Dinge. Wir leben schließlich in keiner Blase. Das kann Familie sein, das können Freunde sein. Bei mir kamen immer Freunde zu kurz. Ich habe immer am Wochenende gearbeitet und in der Woche haben die meisten keine Zeit. Da musst du schon auch schauen, dass du dir das Umfeld entsprechend sortierst, auch offen bist für andere Dinge."


Fotostrecke: Sieger-Marken in Le Mans

"Ich habe auch während meiner Rennen immer versucht, es mit Reisen zu verbinden, wenn ich unterwegs war. Ich wollte die Welt kennenlernen, was viele auch nicht gemacht haben. Viele kannten nur Hotel-Flughafen-Rennstrecke, das ist sehr schade. Es kann ja jeder Junge gern fahren, aber ich will, dass sie offen sind für solche Dinge, denn wenn nämlich mal Schluss ist, da fallen die in ein Loch. Da muss man aufpassen."

Frage: "Deswegen frage ich: Wenn Rennen Leben ist und dazwischen nichts, dann haben sie irgendwann nichts mehr..."
Stuck: "Da hast du den Nagel auf den Kopf getroffen. Das ist mir zum Glück nicht passiert, wobei ich natürlich den Glücksfall, den ich sehr zu schätzen weiß, habe, dass ich nach meiner aktiven Zeit jetzt noch im Volkswagen-Konzern mit dabei sein kann - zum Dank für den Motorsport mit allen möglichen Dingen."


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"Auch die Entscheidung für mich, Präsident des DMSB zu sein, ist auch keine Arbeit, die jetzt einen riesigen Spaß macht, aber ich kann dem Sport etwas zurückgeben. Das ist mir wichtig, da ist mir kein Wochenende zu schade, wenn wir zum Beispiel nach Hockenheim fahren, um DTM-Regeln zu machen. Es ist mir sehr wichtig, da meine Erfahrung mitzugeben. Das ist das Leben, das ich mir vorstelle."

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