• 08.07.2014 13:53

Rossi Crew-Chief: "Haben unser Potenzial noch nicht gezeigt"

Silvano Galbusera arbeitet seit diesem Jahr als Crew-Chief von Valentino Rossi - Im Interview zieht der Italiener Bilanz über die erste Saisonhälfte

(Motorsport-Total.com) - Als Valentino Rossi im Jahr 2000 in die 500er-Klasse aufstieg, fungierte Jeremy Burgess als sein Crew-Chief. Der erfahrene Australier begleitete die großen Erfolge und insgesamt sieben WM-Titel. Ende 2013 zog Rossi einen Schlussstrich und holte sich mit Silvano Galbusera einen neuen Techniker ins Boot. Der Italiener arbeitete in der Vergangenheit in erster Linie in der Superbike-WM mit Fahrern wie Troy Corser, Noriyuki Haga und Cal Crutchlow zusammen. 2009 wurde Galbusera mit Ben Spies Superbike-Weltmeister. 2012 und 2013 fungierte er als Crew-Chief von Marco Melandri im BMW-Team.

Titel-Bild zur News: Valentino Rossi

Silvano Galbusera und Valentino Rossi sind seit Ende 2013 ein Team Zoom

Die MotoGP war für Galbusera völliges Neuland, als er beim Saisonfinale 2013 in Valencia offiziell als Burgess-Nachfolger vorgestellt wurde. Er lernte Rossi vor einigen Jahren bei einem Test mit dem Yamaha-Superbike kennen. Im Vergleich zum Vorjahr präsentierte sich Rossi in den ersten acht Saisonrennen stärker, obwohl noch der erste Sieg fehlt. Bei fünf Rennen fuhr der Superstar der Szene auf das Podest. Auch seinen Yamaha-Teamkollegen Jorge lorenzo hat Rossi im Griff. Im Interview blickt Galbusera auf die ersten gemeinsamen Monate zurück.

Frage: "Die erste Hälfte deiner ersten MotoGP-Saison ist absolviert. Fühlst du dich im MotoGP-Fahrerlager schon zuhause?"
Silvano Galbusera: "Für mich fühlt es sich mehr nach Business an. Bei den Superbikes war die Atmosphäre anders. Man kann mit jedem alles besprechen und man kann auch in jede Garage gehen. Hier ist es etwas komplizierter. Man muss in seiner eigenen Garage und in seiner eigenen Hospitality bleiben. Man bleibt in seiner Position, wie in einer Firma. Manchmal gefällt mir das, weil es weniger stressig ist, aber manchmal gefällt mir das nicht, denn man verliert die menschlichen Kontakte."

Frage: "Als du im Vorjahr als Crew-Chief vorgestellt wurdest, gab es in den Medien einen großen Hype. Wie war deine Reaktion darauf?"
Galbusera: "Ich war etwas überrascht. Jeder machte sich über meine Erfahrung in der MotoGP Gedanken, aber für mich ist ein Motorrad ein Motorrad. In der MotoGP ist es vielleicht schwieriger, denn das Fenster, in dem man spielen kann, ist etwas kleiner als bei den Superbikes. Meiner Meinung nach ist es aber nicht zu schwierig. Mein Wechsel in die MotoGP wurde zu einer großen Sache. Nicht weil das Motorrad anders ist, sondern weil ich der Crew-Chief von Valentino wurde. Er ist einer der besten Fahrer der Welt. Das setzt mich mehr unter Druck als der Unterschied zwischen Superbike und MotoGP."

Frage: "Jeder kennt Valentino Rossi und jeder hat seine Vorstellung davon, wie er als Mensch ist. Hat sich deine Vorstellung von ihm geändert, seit du für ihn arbeitest?"
Galbusera: "Es hat sich ein wenig verändert. Ich dachte mir, dass Valentino der Topfahrer ist und das Motorrad versteht. Jetzt bin ich mir sicher. Er ist ein sehr talentierter Fahrer! Er ist unglaublich schnell, aber gleichzeitig kann er sich genau an das Gefühl und das Verhalten des Motorrades erinnern. Ich war überrascht, dass er sich alles so genau merkt."


Fotos: Valentino Rossi, MotoGP in Assen


Frage: "Im Vergleich zum Vorjahr ist er stärker geworden, aber es gibt noch Raum für Verbesserungen. Hast du einen Plan für den nächsten Schritt?"
Galbusera: "Unser Plan ist es, Rennen zu gewinnen. Bei einigen Rennwochenenden hatten wir kleinere Reifenprobleme oder machten kleine Fehler. Deshalb haben wir nicht die Ergebnisse geholt, die wir vom Motorrad und von Valentinos Performance erwartet hatten. Wir hatten noch nicht die Chance, unser wahres Potenzial zu zeigen."

"Wir hatten noch nicht die Chance, unser wahres Potenzial zu zeigen." Silvano Galbusera

Frage: "Du hast in der Vergangenheit mit Valentino und der Yamaha R1 in Misano gearbeitet. Wie war das?"
Galbusera: "Ich habe damals zum ersten Mal mit einem großen Champion gearbeitet. Er hat das Motorrad sehr schnell verstanden und hat uns Informationen gegeben, wie wir das Motorrad verbessern können. Unsere Herangehensweise war sehr gut. Nach einigen Jahren hat er sich daran erinnert und mir eine weitere Möglichkeit gegeben, mit ihm zu arbeiten. Ich hatte auch die gleiche Herangehensweise mit Michael Schumacher, denn auch er war ein Topfahrer. Niemand kann das bezweifeln. Für ihn waren Motorräder aber nicht sein Hauptgeschäft. Als er aber gefahren ist, wollte er alles über das Motorrad wissen, die Abstimmung und die Haltbarkeit der Reifen. Er war sehr professionell."

Frage: "Wie gehst du an die Sache heran, damit sich die Leute sofort wohlfühlen und man von Beginn an komfortabel arbeitet?"
Galbusera: "Ich weiß es nicht. Dafür muss man die Fahrer fragen (lacht; Anm. d. Red.). Normalerweise lasse ich jeden das tun, was er will, aber es muss auch die Möglichkeit geben, Feedback zu geben, damit wir alle verstehen was passiert. Das Team arbeitete sehr lange mit Jeremy (Burgess; Anm. d. Red.). Zunächst machten sich die Teammitglieder Sorgen, aber wenn man sie jetzt fragt, dann werden sie zufrieden sein, weil wir gut zusammenarbeiten. Wir informieren uns was das Problem ist und wie wir es lösen können. Es ist eine gute Herangehensweise, dass alle in das gleiche Projekt involviert sind."

Valentino Rossi

Valentino Rossi fuhr in den ersten acht Rennen fünfmal auf das Podest Zoom

Frage: "Wen möchtest du mehr schlagen? Jorge Lorenzo oder Marc Marquez?"
Galbusera: "Wir wollen alle schlagen. Wir wollen Jorge besiegen, weil er auf dem gleichen Motorrad sitzt. Wir wollen aber auch Marc schlagen, weil er alle Rennen gewinnt. Im Vorjahr war Lorenzo sehr schnell, aber er hat auch viel Risiko genommen. In diesem Jahr haben wir die gleichen Reifen, das gleiche Motorrad. Wir müssen also zunächst etwas schneller als Lorenzo sein, bevor wir uns auf Marc konzentrieren können."

Frage: "Teilst du Informationen mit der anderen Seite der Garage?"
Galbusera: "Nein, weil ich dafür keine Zeit habe. Wir haben keine Zeit, um Probleme zu diskutieren. Ich konzentriere mich komplett auf unsere Seite der Garage. Das Problem ist, dass wir nicht immer das gleiche Problem haben. Sollten wir es haben, dann ist die Herangehensweise anders. Sollten die japanischen Techniker beim Studium der Daten etwas Gutes entdecken, dann testet das vielleicht die andere Seite der Garage am nächsten Tag oder in der nächsten Session."