Wer letzte Nacht am schlechtesten geschlafen hat

Nicht unter Kontrolle, lernfähig wie ein Stück Brot, alle Jobs verloren, im ganzen Fahrerlager unten durch: Romano Fenati ist ganz unten angekommen

Liebe Leser,

Titel-Bild zur News: Romano Fenati

Romano Fenatis Name ist auf lange Zeit im GP-Zirkus verbrannt (Archivbild) Zoom

vielleicht mag es dem einen oder anderen ein bisschen wie "Captain Obvious" vorkommen, aber es wird wohl niemanden geben, der auch nur ansatzweise so schlecht geschlafen haben dürfte wie Romano Fenati. Über Nacht ist der Italiener in der ganzen Welt bekannt geworden. Nicht aufgrund eines Erfolgs, sondern aufgrund einer Unsportlichkeit, wie sie der Motorrad-Zirkus noch nie gesehen hat.

In weniger als einer Sekunde hat sich Romano Fenati seine Karriere verbaut. Er ist seinen Job für dieses Jahr los und den für das kommende auch. Da hilft auch kein Reue-Statement einer professionellen PR-Agentur, deren Mitarbeiter diese Nacht wahrscheinlich gar nicht geschlafen haben. Und Fenati selbst würde sich vermutlich momentan am liebsten in einem Erdloch verkriechen. Die Karriere des durchaus talentierten Italieners liegt in Trümmern, das ist mehr als traurig.

Was er sich geleistet hat, ist die Überschreitung einer Grenze, von der man es eigentlich selbstverständlich ansehen sollte, dass man sich nicht einmal in ihre Nähe wagt. In manchen Ländern könnte man für eine solche Aktion wegen versuchten Mordes im Gefängnis landen. Und das für eine Zeit, die den üblichen Karrierezeitraum eines professionellen MotoGP-Piloten übersteigt.

Es gibt im MotoGP-Fahrerlager Fahrer, zwischen denen es seit längerer Zeit deutlich mehr geköchelt hat als zwischen Fenati und Manzi. Doch selbst Marc Marquez und Valentino Rossi kämen niemals auf die Idee, dem Gegner bei über 200 km/h an Leib und Leben zu wollen. Obwohl die Beziehung noch immer schlecht ist, was am Donnerstag mehr als deutlich wurde, gibt es noch immer einen gewissen Respekt vor dem jeweiligen Erzfeind - oder zumindest vor der Gefahr, in die man selbst seinen Hassgegner nicht bringen möchte.

Fenati ist Wiederholungstäter

Fenati jedoch ist dermaßen ausgerastet, dass er sich selbst nicht mehr unter Kontrolle hatte. Was in seinem Fall erschwerend hinzukommt, ist die Tatsache, dass wir es hier nicht mit einem Ersttäter zu tun haben.

Dass sich der Italiener nicht unter Kontrolle hat, wurde bereits 2015 in Argentinien (Im Video!) deutlich, als er sich im Warmup (!) von Niklas Ajo provoziert fühlte und so ausrastete, dass er ihm erst in der Auslaufrunde ins Motorrad trat und dann den Notausschalter am Motorrad des Finnen betätigte. In Österreich wurde er 2017 gegenüber Fabio di Giannantonio nach dem Qualifying beim anschließenden Startversuch handgreiflich (Hier im Video!). Und Valentino Rossi wusste genau, warum er Fenati 2016 aus disziplinären Gründen aus seiner Akademie warf.

Was er in all diesen Aktionen betreibt, ist längst nicht mehr "Auge um Auge, Zahn um Zahn". Es ist eher "Auge, Nase, Zähne, Arme und Beine um Auge". Der Drang, es dem Gegner mit Zins und Zinseszins heimzahlen zu müssen, ist in unserer Gesellschaft schon seit längerer Zeit nicht mehr akzeptabel. In einem potenziell lebensgefährlichen Sport schon gar nicht. Und mit 22 Jahren kann man das Verhalten auch nicht mehr mit Unreife entschuldigen. Romano Fenati hat so viel gelernt wie ein Laib Brot. Jetzt gibt es die Quittung, die richtig weh tut.

Romano Fenati ist in die typische Mobbing-Falle gelaufen: Manzi hatte ihn mit einigen Aktionen versteckt provoziert, bis Fenati dann völlig ausgerastet ist und es so offensichtlich vor allen herausließ, dass er plötzlich als Täter und nicht als Opfer dasteht. Besonders bitter für Fenati: Manzi hat seine durchaus verdiente Strafe in Form von Strafplätzen beim nächsten Rennen bekommen. Selbstjustiz wäre überhaupt nicht nötig gewesen, zumal es in diesem Kampf lediglich um Platz zwölf ging.

Es ist schwer vorstellbar, wie es jetzt weitergehen soll. Kein Hersteller oder Sponsor wird mit dem Namen Romano Fenati mehr etwas zu tun haben wollen. Und selbst wenn er noch irgendwo ein Motorrad ergattern sollte, sollte er sich am besten ein ganz neues Aussehen verpassen und unter neuer Identität an den Start gehen. Denn im Fahrerlager wird er so "unten durch" sein, dass er den Paddock am besten für längere Zeit gar nicht mehr betritt.

Eigentlich bietet sich nur eine Lösung an: Romano Fenati müsste sich in psychologische Betreuung begeben, die Saison 2019 aussetzen und die Öffentlichkeit über seine Fortschritte in Kenntnis halten. Gegen Jähzorn gibt es ausreichend Therapien. So könnte er 2020 vielleicht als geläuterter Mann in den Paddock zurückkehren. Oder Europa ganz den Rücken zu kehren und eine Karriere in Amerika anfangen, wie es im vierrädrigen Sport Santino Ferrucci gerade versucht. In jedem Fall steht eine Zeit längeren Nachdenkens für ihn auf dem Programm.

Wer sonst noch schlecht geschlafen hat

FIM-Stewards: Wahrscheinlich werden sie nicht gerade schlecht geschlafen haben, doch der Druck der Öffentlichkeit wird wachsen. Da kündigt man nach dem Argentinien-Grand-Prix extra härtere Strafen an, und dann kommt Romano Fenati mit zwei Rennen Sperre davon. Schon in den Rennen zuvor wurde immer noch vergleichsweise milde bestraft. Da fragt man sich: Muss erst jemand sterben, bevor wirklich durchgegriffen wird? In diesem Fall wird es wohl der Markt regeln, weil Fenati erstmal kein Motorrad mehr finden dürfte. Aber die Strafe ist mehr als lächerlich.

Valentino Rossi: Nicht nur sportlich war das Wochenende für Valentino Rossi alles andere als rosig: Beim Heimrennen fast 20 Sekunden Rückstand auf einer Strecke zu haben, auf der Yamaha die Hälfte aller Rennen seit der Rückkehr 2007 gewonnen hat, und gleichzeitig vom eigenen Teamkollegen geschlagen zu werden, ist bitter. Noch schlimmer: Marc Marquez hat seine psychologischen Tricks gelernt und es am Donnerstag wieder einmal geschafft, Rossi vorzuführen, indem er sich als den Guten inszenierte und den Italiener wie ein frustriertes Alteisen aussehen ließ.

Stefan Bradl: Zum zweiten Mal hintereinander kam Stefan Bradl beim Wildcard-Einsatz nicht ins Ziel. Dabei soll er eigentlich für HRC Entwicklungsteile testen. Und nichts ersetzt einen Test unter Rennbedingungen. Aufgabe wieder nicht erfüllt.

Ihr


Gerald Dirnbeck