• 12.12.2007 12:22

Agostini: "Bei 14 Titeln muss Rossi aufhören!"

Giacomo Agostini, der erfolgreichste Motorradfahrer aller Zeiten, im ausführlichen Interview über Deutschland, Valentino Rossi und Co.

(Motorsport-Total.com/sid) - Giacomo Agostini ist der erfolgreichste Motorradfahrer aller Zeiten - und das will er auch bleiben: "Nach dem siebenten Titel habe ich zu Valentino Rossi gesagt: Du kannst gerne weiter Weltmeister werden, aber wenn du 14 hast, musst du aufhören", sagte der heute 65-Jährige mit einem schelmischen Schmunzeln im Interview. Agostini hat 15 Titel in seiner Karriere eingefahren, sein italienischer Landsmann Rossi ist mit deren sieben der erfolgreichste aktive Pilot.

Titel-Bild zur News: Valentino Rossi

Giacomo Agostini (Mitte) mit seinem Landsmann Valentino Rossi

Gegenüber dem heutigen Superstar der Szene hatte Agostini aber einen entscheidenden Vorteil: Er konnte in mehreren Klassen gleichzeitig starten, gewann zwischen 1966 und 1975 immer jeweils mindestens einen Titel in der 350er- oder 500er-Klasse.#w1#

Viele Freunde in Deutschland

Die aktuelle Szene verfolgt Agostini genau, aber als Zuschauer vor Ort sieht man ihn nur selten: "Maximal zwei- oder dreimal im Jahr", erzählt er. "Rennen sind etwas für die Jugend. Ich bin eher bei Messen, Ausstellungen, Sitzungen. Das passt eher zu meinem Alter."

Nicht zuletzt in Deutschland ist "Ago" ein regelmäßiger und gern gesehener Gast, zuletzt auf der Motor Show in Essen, die er einst sogar mitorganisiert hat. Sein Charme und die Volkstümlichkeit sind es, die seine Beliebtheit bis heute erhalten haben, aber auch seine zahlreichen Auftritte bei Rennen im Rahmenprogramm.

"Ich sitze jeden Tag auf dem Motorrad", erzählt der Vater zweier Kinder und seine Augen funkeln: "Ich fahre damit zum Einkaufen oder ins Büro, mache Ausflüge. Ohne Motorrad kann ich nicht."

"Ich sitze jeden Tag auf dem Motorrad." Giacomo Agostini

Frage: "Herr Agostini, Sie waren dieser Tage auf der Essen Motor Show und sind überhaupt sehr oft in Deutschland. Was gefällt Ihnen hier so gut?"
Giacomo Agostini: "Ich habe hier viele Fans und viele Freunde. Es gibt tolle Rennstrecken wie den Nürburgring oder den Sachsenring. Oder tolle Messen wie in Chemnitz oder eben hier in Essen."

Frage: "Noch vor drei Jahren sind Sie in einem Rahmenrennen auf dem Sachsenring gefahren. Wie finden Sie die Strecke dort?"
Agostini: "Das Beste am Sachsenring ist die Atmosphäre. Wirklich beeindruckend."

Frage: "Ist es das beste Rennen im ganzen WM-Kalender, wie viele sagen?"
Agostini: "So deutlich würde ich das nicht sagen. Auch die spanischen Rennwochenenden sind immer etwas Besonderes. Oder das in Mugello in meiner italienischen Heimat. Und natürlich Assen. Assen ist toll."

Frage: "Sehen Sie sich manchmal noch Rennen vor Ort an?"
Agostini: "Nein, das weniger. Maximal zwei oder drei im Jahr. Rennen sind etwas für die Jugend. Ich bin eher bei Messen, Ausstellungen, Sitzungen. Das passt eher zu meinem Alter."

Keine Erklärung für deutsche Flaute

Frage: "Als Sie in den späten 1960er- und 1970er-Jahren aktiv waren, gab es zahlreiche gute deutsche Fahrer. Heute leider nicht mehr. Wie erklären Sie sich das?"
Agostini: "Das ist oft ein Thema, aber eine richtige Erklärung dafür habe ich nicht. Zu meiner Zeit gab es vor allem Italiener, Engländer und Deutsche. Die Italiener sind immer noch da, es gibt plötzlich sehr viele sehr starke Spanier, wo es vor 15 Jahren noch fast überhaupt keine gab. Und dann gibt es plötzlich zahlreiche Australier. Engländer und Deutsche dagegen kaum noch."

Frage: "Ist die Ausbildung in Deutschland zu schlecht?"
Agostini: "Das weiß ich nicht. Aber in Italien ist das ganze Umfeld idealer. Wir haben viele tolle Strecken - auch kleinere, die ideal zum Lernen sind. Wir haben große Hersteller, gute Nachwuchsschulen, und wir hatten durchgängig große Fahrer, die sich die Jugend zum Vorbild nehmen konnte. Ein nationaler Hero ist in jedem Land wichtig. Aber ich habe England und Deutschland nicht abgeschrieben. Es wird sicher wieder Zeiten geben, in denen sie große Fahrer hervorbringen."

"Ein nationaler Hero ist in jedem Land wichtig." Giacomo Agostini

Frage: "Sie sind mit 15 Titeln der erfolgreichste Motorradfahrer aller Zeiten. Valentino Rossi hat derzeit sieben Titel. Haben Sie Angst, dass er Sie irgendwann überholt?"
Agostini: "Ich habe nach dem siebenten Titel zu ihm gesagt: Du kannst gerne weiter Weltmeister werden, aber wenn du 14 hast, musst du aufhören (lacht; Anm. d. Red.)!"

Frage: "Sehen Sie in Rossi einen würdigen Nachfolger als Liebling der Fans in Italien und auf der ganzen Welt?"
Agostini: "Auf jeden Fall. Er hat den Sport unheimlich nach vorne gebracht. Die Zuschauerzahlen steigen, sowohl an den Strecken, als auch vor dem Fernseher."

Frage: "Rossi ist das große Aushängeschild des Sports, ist aber nun zweimal in Folge nicht Weltmeister geworden. Was gab ihrer Meinung nach in diesem Jahr den Ausschlag gegen ihn und für Casey Stoner? War der Australier besser oder hatte er einfach das bessere Motorrad?"
Agostini: "Da gab es sicher viele Gründe. Mal sind die Reifen nicht so gut gewesen, dann ist er gestürzt, wie zum Beispiel auf dem Sachsenring. Und dann hatte er eben einen Gegner, der nicht nur eine gute Maschine und gute Reifen hatte, sondern auch sehr gut gefahren ist. Ich warne aber jeden davor, Rossi abzuschreiben. Wenn bei ihm alles passt, wird er auch wieder Rennen und Titel gewinnen. Stoner ist wirklich sehr gut, aber ich halte Rossi immer noch für den derzeit besten Fahrer."

Stoner einer der Fahrer der Zukunft

Frage: "Und wer ist für Sie der Fahrer der Zukunft?"
Agostini: "Da gibt es einige. Natürlich Stoner, aber auch Dani Pedrosa, Jorge Lorenzo oder Andrea Dovizioso."

Frage: "Keine Deutschen?"
Agostini: "Mir fallen im Moment keine ein."

Frage: "Vielleicht Stefan Bradl, der Sohn von Helmut Bradl?"
Agostini: "Bradls Sohn fährt in der WM? Ich habe noch nie von ihm gehört. Aber der Vater war gut, vielleicht schafft er es auch. Es wäre wichtig, dass eine große Motorradnation wie Deutschland einen großen Fahrer hat."

"Bradls Sohn fährt in der WM? Ich habe noch nie von ihm gehört." Giacomo Agostini

Frage: "Im Vorjahr wurden aus Sicherheitsgründen die Hubräume der MotoGP-Bikes von 990 auf 800 ccm reduziert. War dies eine richtige Entscheidung?"
Agostini: "Ich war immer dafür, nichts zu ändern und habe immer dafür plädiert, es bei 500 ccm zu belassen. Aber man wollte immer mehr - 1.000 waren immer der große Traum. Jetzt ist man zurück auf die 800 gegangen, und vielleicht kommen ja irgendwann wieder die 500er zurück."

Frage: "Sie sind inzwischen 65, fahren aber immer noch so oft es geht selbst Rennen. Wie halten Sie sich in Form?"
Agostini: "Ich sitze jeden Tag auf dem Motorrad und benutze es, wann immer es geht. Ich fahre damit zum Einkaufen oder ins Büro, mache Ausflüge. Ohne Motorrad kann ich nicht."

Frage: "Und wie lange wollen Sie noch Rennen fahren?"
Agostini: "Keine Ahnung. Ich habe mir kein Ziel gesetzt. So lange ich Lust habe und mein Körper mitspielt, will ich es tun. Im Moment ist ein Ende jedenfalls noch nicht absehbar."